MARY'S COMIC "Perfect Vacation" (Wave Pop)
(Syborgmusic)

Hinter Mary's Comic verbirgt sich die Stimme und der musikalischer Kopf von "In my Rosary" (siehe Interviews/Reviews), Ralf Jesek. Im Gegensatz zu den düster folkigen Stücken des Duos gibt es auf diesem Solowerk eine betörende Reise in die Vergangenheit der elektronischen Musik. Ralf arbeitet auf "Perfect Vacation" vorwiegend mit analoger Elektronik und Gitarren. Dazu gesellt sich trotz durchweg eingängiger Inszenierung ein gewisser Experimentalismus. Die herangehendsweise an den frühen New Wave gelingt Ralf ohne Ausnahme, er spagatiert dabei zwischen Wave Pop, Tuxedomoon oder Fad Gadget. Und lässt gar die unspassige NDW (Grauzone/Rheingold/ Fehlfarben/Ideal usw.) mit "nichts tun" oder "einfach da" aufleben. Ein wahrer Tanzflächenknaller ist ihm mit dem treibenden "Pernille" gelungen. Der gute Frank Tovey wurde schon erwähnt, bestes Beispiel dafür "Black hole". Ralf gelingt es dazu, mit typisch minimalistischen Tonagen Elegien zu erzeugen, welche sich wie selbstverständlich um die Gehörknöchelchen winden. "So Sad" klingt so herrlich angestaubt, besitzt aber im Untergrund eine moderne Ausrichtung und überrascht zudem mit wilden Saiten-Attacken. Hier umarmen sich Rhythmik und Melodie innigst. Zu guter letzt besitzt dieses Werk diese unterkühlte Leichtigkeit, welche in unserer modern-zeitlosen Zeit fast als Re-Science Fiction bezeichnet werden kann. "The Other Room" scheint auf dem ersten Ohr nur aus zwei Tönen zu bestehen, die sich tanzend von der 1 zur 0 bewegen. Ralf's Beitrag zur aktuellen Terrorismus-Debatte "versteckt" sich hinter "ich habe Angst". Aufmerksame Hörer werden sein Statement zur Hysterie schnell deuten.
Anfangs dachte ich ja, Ralf wollte musikalisch einfach mal was anderes machen, bei näherer Beschäftigung mit dem Werk fallen aber die wohlgeformten Texte auf. Es ist nicht der erhobene Zeigefinger, nicht die Parole, nein, es ist oft eine zynisch-reale Betrachtung der modernen Gesellschaft. Was das Album ausmacht, sind diese kleinen Perlen, die es zu entdecken gilt. Eine davon ist zweifelsohne "Indifference". Vor 20 Jahren hätte man den DJ gesteinigt, hätte er seinen düster-elektronischen Abend ohne diesen Song vollendet. Ein durchgehend gelungenes Werk. www.marys-comic.de (andreas)


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