Ungreifbare Schatten
In My Rosary
(Dark Folk/Wave)

Im Jahre 1990 entstanden, verschweigen die beiden Protagonisten Ralf Jesek (Musik, Instrumente,Gesang) und Dirk Lakony (Texte) auch 12 Jahre später nicht ihre Wurzeln, welche ein Jahrzehnt früher gesät wurden. Mit ihrer im Frühjahr erschienenen CD "the shades of cats" beendeten sie eine längere Schaffenspause und knüpfen doch nahtlos an den Vorgänger an. Gefühlsbetonte, teils verträumte Musik mit dem Charme der 80er, gekleidet in ein melancholisches Gewand der Neuzeit. Wunderschöne Akustik-Gitarren, sanfte Elektronik und der warme Gesang Ralfs sind die Eckpfeiler ihrer Musik. Das Ganze eingebettet in harmonische Melodien und mit Texten bedacht, welche jenseits aller pathetischer Poesie den Hörer zum Nachdenken anregen. Weitere Infos unter www.in-my-rosary.de (andreas)
Fotos: Manuela Reich

Bevor "the shades of Cats" veröffentlicht wurde, hat man lange nichts von euch gehört. Was habt ihr in der Zeit gemacht?
RALF: Zwischen unserem letzten Album "Against The Grain" (1997) und dem Mini-Album "First Exit" (2001) waren wir hauptsächlich damit beschäftigt unser eigenes, kleines Label "Blisz Productions" zu etablieren - und nach dessen grandiosen Scheiterns den Schaden so begrenzt wie möglich zu halten. Für beides sind Unmengen an Zeit und Energie nötig gewesen, die anderweitig natürlich nicht mehr zur Verfügung standen. Ausserdem waren wir nach den hübschen Erfahrungen, die wir dabei mit der sogenannten "Independent Szene" gemacht haben, sowieso nicht mehr allzu erpicht darauf in nächster Zeit weiterhin engen Umgang mit ihr zu pflegen. Insofern haben wir uns da lieber um andere Dinge gekümmert und lediglich einige Samplerbeiträge und eine Compilation mit vergriffenem Material veröffentlicht.

Warum der Album Titel "shades of the Cats"?
DIRK: Das Foto des Covers hat den Titel "Katzenschatten". Wir dachten, das wäre auch ein guter Titel für die CD, da wir ebenso nicht greifbar wie ein Schatten sein wollen.

Ihr schafft es einer eher dunklen Musik einen fast eingängigen Touch zu verleihen. Wo liegen die Unterschiede zur populären Musik?
RALF: Pop ist ja ein sehr weites Feld und von daher hätten wir auch nichts dagegen als Popband bezeichnet zu werden, was aber natürlich niemand tut. Ich denke mal, dass es vor allem zwei Dinge sind, die uns von der sogenannten populären Musik unterscheiden: zum einen das erwähnte dunkle, emotionale Moment, welches sicherlich nicht immer besonders massenkompatibel ist, und zum anderen unsere Einstellung zu unserer Musik. Um richtig poptauglich zu sein, muss man dann ja doch gewisse Regeln einhalten. Das fängt beim zielgerichteten Imagekreieren an und hört beim ebenfalls zielgerichteten Produzieren der Stücke auf. Und da haben wir eben unsere eigenen Vorstellungen. Wir konzipieren nichts, sondern tun es einfach. Und was die Eingängigkeit betrifft: da wir vielmehr melancholischer denn düster depressiver Natur sind, zeigt sich dies natürlich auch in den Liedern. Melancholie ist, zumindest für uns, ein eher sanfter Zustand, in dem man sich durchaus wohlfühlen kann. Und diesen Zustand versuchen wir mit unser Musik zu vermitteln.

Wie wichtig sind die Texte und was wollt ihr mit ihnen ausdrücken?
DIRK: Nun, die Texte sind für uns sehr wichtig, darin besteht ja unsere eigentliche Zusammenarbeit. Ich schreibe Texte und Ralf interpretiert sie musikalisch. Oder ich lasse mich von Ralf's Demos zu einem Text inspirieren. Das ist unser Konzept. Ausdrücken wollen wir damit natürlich unsere kleinen Seelenwelten. Dinge, die uns bewegen, die uns beschäftigen und die wir durch die Musik "verarbeiten" wollen. Eine Art Therapie.

Nicht nur in "when grasshoppers dream..." wird eine Liebe zur Natur deutlich. Würdest du gerne mit dem Grashüpfer tauschen?
DIRK: Doch, ich fühle mich der Natur schon sehr verbunden. Allerdings ist es eher eine Art von romantische Verklärung, da ich mich eigentlich eher selten in die Natur begebe. Ich bin ein Stadtmensch mit dem Wunsch, ein Eremit zu sein. Das klingt paradox, aber so ist es nunmal. Mit einem Grashüpfer möchte ich aber nicht unbedingt tauschen, der hat so häßlich lange, dürre Beinchen.

Kannst du ein wenig über den Hintergrund von "all we have" erzählen?
DIRK: Textlich gesehen, geht es um die Verwirrtheit und die daraus resultierende Unzufriedenheit, die wir in der heutigen Zeit empfinden. Wir sind orientierungslos und haben nichts, an das wir uns halten können. Ich muß dazu sagen, dass ich als Jugendlicher ein Punk war und somit in der "No Future"-Generation aufgewachsen bin. Heute, so um die 20 Jahre später, hat sich an meiner Einstellung eigentlich nicht viel geändert, außer meinem Musikgeschmack vielleicht.

Die Gitarren harmonieren perfekt mit den elektrischen Komponenten. Wie schwer ist es mit diesen unterschiedlichen "Instrumenten" eine Einheit zu bilden?
RALF: Da ich sämtliche Instrumente selbst spiele und das Ganze am Ende auch noch produziere, ist es letztlich nicht ganz so schwierig. Wären mehrere Leute daran beteiligt, dann sähe es natürlich anders aus. So jedoch kann ich das einigermassen gut steuern. Hinzu kommt sicherlich auch noch, dass ich versuche, möglichst nahe an der Essenz eines Liedes zu bleiben, d.h. das Drumherum nicht ausufern zu lassen. Dadurch lassen sich die Instrumente im Arrangement besser aufeinander abstimmen. Aber ganz so perfekt, wie du es netterweise gesagt hast, ist es leider nicht immer. Ich muss da immer noch eine ganze Menge lernen.

Überraschend erscheint das Cover von Siouxsie "Red Light". Wer kam auf die Idee zu diesem Cover und wie seid ihr mit dem Ergebnis zufrieden?
DIRK: Ich wollte schon immer ein Lied von Siouxsie covern. Ralf ist nicht sonderlich begeistert davon, alte Lieder zu covern, da sie dem Original meistens nicht gerecht werden. Damit hat er ja auch recht, aber in diesem Fall sind wir mit dem Resultat sehr zufrieden. Abgesehen davon, hat es uns großen Spaß gemacht, unsere Jugenderinnerungen ein wenig aufzufrischen.

Neo Folk, bzw. Dark Folk sind die Stile mit denen eure Musik verglichen wird, es scheint, als wärd ihr nicht immer damit einverstanden?
RALF: Ja, stimmt, die Reduktion auf dieses Etikett ist mitunter schon ein bisschen nervend, da sie automatisch bestimmte Erwartungen und Assoziationen weckt, und man dadurch sofort durchs objektive Raster fällt. Man hat es uns damals angeheftet, weil es eben so schön einfach war: akustische Gitarren, melancholische Melodien, ergo: Neo Folk. Damit war eine griffige Überschrift gefunden, die verkaufs- und medientechnisch gut zu verarbeiten war. Wir selbst haben uns allerdings nie als eine Band dieses Genres gesehen, d.h. es war nie unser Bestreben dort Fuß zu fassen. Wir taten und tun immer noch einfach das, wozu wir gerade Lust haben. Unsere Wurzeln liegen nun mal im Wave der 80er, und deren Verästelungen nutzen wir um unsere Ideen zu verwirklichen. Insofern finden sich in unserer Musik ebenso Anleihen von bspw. Electro-Pop oder Cold Wave wie eben von Dark Folk. Aber wie gesagt: Reduktion vereinfacht halt den Umgang. Damit müssen wir leben. Auch wenn sie, um es mal unbescheiden auszudrücken, uns wirklich nicht gerecht wird. Aber es gibt Schlimmeres ...

Im Booklet steht "fight fascism now". Denkt ihr, daß eure Musik, mehr als jede andere, diesen Zusatz benötigt?
RALF: Faszinierend, dass dieses kleine Statement so viel Interesse erregt. In fast jedem Interview wurden wir bisher danach gefragt ... Nein, unsere Musik selbst benötigt diesen Zusatz ganz sicher nicht, da sie keinerlei politische Ambitionen hat und In My Rosary bisher auch noch nie (und völlig zurecht) in irgendwelche rechten Zusammenhänge gerückt wurde. Jedenfalls nicht, dass wir davon wüssten. Natürlich liegt die Vermutung nahe, dass wir uns durch eine solche Aussage gerade von der Neo Folk-Szene, in der wir ja immer wieder angesiedelt werden und die ganz gerne mit braunem Gedankengut kokettiert, abgrenzen wollen, aber so war es eigentlich nicht gedacht. "Fight fascism now" ist vielmehr ein generelles Statement. Dieser dezente Rechtsruck, der ja seit einigen Jahren gerade durch Europa geht, ist wirklich beängstigend. Ich meine, Faschismus bedeutet schliesslich mehr als nur irgendwelche dumpfen Gewalt-Skins, ewiggestrige Heimatanbeter oder treudeutsche Studentenverbindungen, Faschismus heisst auch Missachtung von Individualität, persönlicher Freiheit und Menschenwürde. Und gerade diese totalitären Elemente nehmen in letzter Zeit immer mehr zu. Auch wenn sie von Politik, Medien und Wirtschaft schön verpackt werden.

Statt Texte besteht euer Booklet aus Fotos. Sagen Bilder mehr als Worte?
DIRK: Oft tun sie das. In unserem Booklet wollten wir jedoch die Texte nicht durch Fotos ersetzen, sondern vielmehr eine eigene Stimmung erzeugen, die unsere Art von Melancholie verbildlicht. Es ist eine Mischung aus Kindheitserinnerungen und Bildern, die schemenhaft an uns vorbeizogen, bis hin zu einem merkwürdig realistischem Heute. Ein Schnellzug durch die Zeit.

Ihr habt mal eine MCD veröffentlicht mit dem deutschen Titel "Wahre Freundschaft". Wie sehr passt dieser Text auf eure Zusammenarbeit?
DIRK: Wenn man über zehn Jahre zusammenarbeitet und sich gegenseitig seine Gefühlswelten ausbreitet, muß es soetwas wie wahre Freundschaft sein. Man sollte es allerdings nicht zu pathetisch sehen. Jeder von uns hat sein eigenes Leben. Was allerdings die Musik angeht so paßt dieser Text sehr gut zu unserer Zasammenarbeit.

Diese CD ist nicht nur selten, sondern nicht mehr erhältlich, wie siehts mit einer Wiederveröffentlichung aus?
RALF: Wir würden sie sehr gerne wiederveröffentlichen, aber bislang hat leider noch keine Plattenfirma diese Idee konsequent aufgegriffen. Sollte sich also jemand dafür interessieren, bitte melden ... Obwohl: durch ihre Seltenheit hat "Those Silent Years" inzwischen ja fast schon so etwas wie einen Kultstatus - und das ist eigentlich auch nicht unbedingt das Schlechteste ...

Live macht ihr euch sehr rar. Was sind die Gründe dafür?
RALF: Da ich, wie bereits erwähnt, bei den Aufnahmen ja sämtliche Instrumente spiele und Dirk zum einen kein Musiker ist und zum anderen sowieso kein Verlangen hat eine Bühne zu betreten, bin ich für die Live-Umsetzung auf die Hilfe von Gastmusikern angewiesen. Und selbiges geht natürlich immer mit einem gewissen Aufwand an Koordination einher. Da ich ein, sagen wir mal, sehr schüchterner Mensch bin, habe ich immer gern die gleichen Menschen um mich herum - und auf deren Terminplanungen nehme ich daher natürlich Rücksicht. Insofern forciere ich das Buchen von möglichst vielen Liveterminen jetzt auch nicht so richtig. Wobei ich aber auch zugeben muss, dass ich sowieso nicht unbedingt die gern zitierte Rampensau bin. Mich vor einem Publikum zu produzieren ist mir eher ein bisschen unangenehm. Will sagen: das Spielen an sich macht mir zwar ungemein Spass, aber wenn mir dabei Menschen zusehen, werde ich immer etwas unsicher. Da fehlt mir wohl das entscheidende Exhibitionismus-Gen.

Was können wir auf den Herbstnächten erwarten?
RALF: Musik?! Auf jeden Fall wird es nichts Spektakuläres geben, d.h. keine Pyro- oder Fetisch-Shows, keine S/M-Einlagen und vor allem werden wir uns nicht ausziehen. Es werden einfach nur In My Rosary auf der Bühne stehen und versuchen, mit ihren Liedern ein paar Menschen zu erreichen.



Discography:

- Black Friend / Tape (1992)

- Esor / Tape (1993)
- Flood & Dust / 7" E.P. (1993)
- Those Silent Years E.P. / Mini-CD (1993)
- Under The Mask Of Stone / Album-CD (1994)
- Strange E.P. / Mini-CD (1995)
- Farewell To Nothing / Album-CD (1996)
- Farewell To Nothing / lim. Box-Set (1996)
- Against The Grain / Album-CD (1997)
- A Collection Of Fading Moments / Album-CD (1999)
- First Exit E.P. / Mini-CDR (2001)
- The Shades Of Cats / Album-CD (2002)