Glaube an dich selbst

SpiRitual (Gothic/Ethno Metal)

Stefan Hertrich, Sänger der Deutschen Gothic Metaller Darkseed, hat erneut ein Musik(solo)projekt gegründet bzw. fortgeführt, sein viertes mittlerweile. In diesen Projekten fließen immer Musiken aus dem sog. ethnischen Bereich ein, welche für mich eigentlich eher als Entspannungsmusik galt und eher nicht zu meinen Hörgewohnheiten gehört. Doch mit "Pulse", der Mini-CD seines neuen Projektes mit dem Namen SpiRitual, hat sich das etwas geändert, denn die Zusammenführung von dunklem Gothic Metal á la Darkseed mit diesen ethnischen Klangwelten, bestehend aus beschwörender Flötenmusik oder Percussion-Einlagen, hat was absolut faszinierendes. Musik, bei der man Dampf ablassen und sich zudem völlig entspannen kann, je nach Song. Einzelheiten und Hintergründe zu SpiRitual sowie dem Denkansatz hinter dem Projekt und der Musik, verrät Stefan Hertrich im nun folgenden AMBOSS interview. www.spi-ritual.com (eller)


-> Review "Pulse (Mini-CD)" lesen


SpiRitual ist nicht dein erstes Projekt neben Darkseed. Was ist aus Betray My Secrets und Shiva In Exile geworden?
SpiRitual ist quasi die neue Fassung von Betray My Secrets, das ja nur aus einer CD bestand (1999) und schon damals Ethno mit Metal verbunden hat. Da aber der zweite wichtige Mann hinter Betray My Secrets (Christian Bystron, Megaherz) auf Grund anderweitiger Projekte keine Zeit für eine intensive Zusammenarbeit hatte, wollte ich eine neue Band ins Leben rufen, und die ist nun SpiRitual. Trotz alledem hat Christian einige tolle Gitarrenparts im Nachhinein beigetragen, was mich sehr gefreut und die Mini-CD bereichert hat.
Shiva In Exile (bisher ein Album, 2003) läuft nach wie vor weiter, und die Chancen stehen recht gut, dass es 2006 ein Nachfolgealbum zu "Ethnic" geben wird. Hier mische ich vornehmlich Ethno mit Gothic/Elektro/Soundtrack.


Warum mussten die Stücke auf "Pulse" unter dem Namen SpiRitual veröffentlicht werden? Das wäre doch auch, um mal etwas naiv zu fragen, irgendwie unter einem der anderen Namen gegangen, oder?
Um der allgemeinen Verwirrung vorzubeugen (was bei 4 Projekten ja durchaus nachzuvollziehen ist, hehe), wäre natürlich Betray My Secrets angebracht gewesen. Der Grund hierfür war wie gesagt, dass ohne Christian Betray My Secrets nicht Betray My Secrets wäre, Shiva In Exile für "nicht-metal-kreative" Phasen gedacht ist und Darkseed doch eher eine "normale" Metalband ist (und schon immer war).
In Zukunft wird sich meine Arbeit jedoch primär auf die beiden Projekte Shiva In Exile und SpiRitual fokussieren. Den Namen wählte ich deswegen, weil SpiRitual an sich schon ein Statement ist. Hin zu innerer Stärke, die jeder in sich hat, und nur entdecken muss.


Wann kam dir die Idee, sog. ethnische Musik könnte auch gut zu härterem Gothic Metal im Stile von Darkseed passen? Was fasziniert dich an den ethnischen Instrumentierungen?
Die Idee kam spontan 1999, als ich bei Christian im Studio an einem Black Metal-ähnlichen Demo arbeitete. Ich würde fast sagen, der Moment war sowohl für ihn als auch für mich der legendärste Kreativmoment überhaupt: ein Knopfdruck, der meine komplette musikalische Sicht verändert hat. Man arbeitet ja viel mit Sampling-CDs (sprich: Keyboardsounds, aber durchaus auch aufgenommene Gesänge, Flöten usw., die man kaufen und in seine Musik einbauen kann). Spontan hat Christian ein ethnisches Flötensample eingeladen und dazu laufen lassen, wahrscheinlich nur aus Zufall (ich weiß es nicht mehr genau). Das klang dann irgendwie anders als alles, was bisher da war, und trotzdem absolut stimmig. Und schon war Betray My Secrets geboren. Seit dem beschäftige ich mich überwiegend damit, wie man ethnische Klänge in Gothic/Metal einbauen kann. Dazu gehört, sich über passende Instrumente schlau zu machen, Leute zu finden, die diese spielen können usw. Ein Beispiel ist z.B. die armenische Duduk-Flöte, die absolut düster klingt (man hört sie in Soundtracks wie Passion of Christ, Black Hawk Down, im SpiRitual-Song "Nahash" am Anfang, demnächst in einem neuen Shiva In Exile Song usw.).
Toll ist daran auch: man muss sich wirklich intensiv damit beschäftigen und kann nicht ebenmal ein Album hinzaubern. Das hält den Kreis der Bands, die diese Elemente benutzen, relativ klein (mir fallen da eigentlich nur noch Dead Can Dance und teilweise Orphaned Land ein). Natürlich mag es für manch einen Hörer zu abgefahren klingen, und ein kommerzieller Durchbruch ist damit schwer zu erzielen, aber für mich zählt einfach, dass ich mir damit meine eigene Welt zusammengeschustert habe. Sozusagen mein Elfenbeinturm, in dem ich rumspinnen kann, wie ich will. Da können Songs auch mal 9 Minuten lang sein, ohne dass man sich darüber Gedanken machen muss, ob es in die Hörnormen des potentiellen Käufers passt. Es gefällt mir einfach und ich weiß, dass nicht 1000 andere Bands das gleiche machen werden und es dadurch kein Sell-Out werden kann, der übersättigt wird und irgendwann emotional abstirbt, wie die meisten Musikrichtungen oder Sparten innerhalb von Musikrichtungen.


Pulse" ist eine Mini-CD mit 6 Stücken. Bleibt es erstmal dabei oder ist eine "große" CD für irgendwann in Planung?

Hängt stark davon ab, ob ich weiterhin Mitmusiker finden kann, die nicht so teuer sind und Zeit haben. Je mehr ethnisches Musikmaterial ich bekommen kann, desto mehr Songs kann ich schreiben (mit immer den gleichen Instrumenten würden mir schnell die Ideen ausgehen und die Songs würden vielleicht zu ähnlich klingen).


Kannst du ganz kurz was zu den Textinhalten sagen? Worum geht es in den Songs?
Primär geht es darum, zu kämpfen, sich nicht unterkriegen zu lassen, und immer dazu bereit sein, sich zu verändern, um neue Komponenten des Lebens kennenzulernen und damit Erfahrung zu sammeln. Wie sagt man in der "Esoterik" gerne: Veränderung bedeutet Leben, Stillstand bedeutet Tod. Nur wer sich verändert (falls er unglücklich ist), findet irgendwann zu sich selber (und wird glücklich), auch wenn der Weg steinig ist. Man muss halt manchmal auch falsche Wege gehen, um zu wissen, welcher Weg dann der richtige ist. Dabei soll man weder Angst noch Selbstzweifel haben.
Selbst die aussichtsloseste Situation lässt sich lösen - auch wenn man dafür viel Geduld braucht. Das habe ich aus den zahlreichen Gesprächen mit Menschen überall auf der Welt und aus allen Altersgruppen gelernt. Das Leben lässt einem immer wieder eine Tür offen. Warum das so ist, weiß ich nicht, aber es scheint so zu sein... Würde ich nicht so denken, hätte ich wohl schon vor vielen Jahren aufgehört, Musik zu machen. Ich denke mir einfach: egal ob ich mit finanziellem Verlust rausgehe oder nicht: irgendeinen Nutzen wird es haben, dass ich diesen Irrsinn immer noch mache. Gäbe es den Nutzen nicht, hätte ich nicht den Antrieb, immer wieder Songs zu schreiben. Meistens werde ich durch neue interessante Menschen belohnt, die ich durch die Musik kennenlerne.


Auf der CD gibt's einen sehr netten Bonusteil, u.a. mit einem langen Text von dir mit dem Titel "Positives Denken trotz und wegen Gothic/Metal". Hört sich fast nach 'nem Titel für 'ne Examensarbeit an. Wie kam es zu dem Text und warum ist er Teil dieser CD?
Hehe, danke. Ich wollte auch mal versuchen, etwas außerhalb der Musik und typischen Bandtexte zu schreiben, und dabei kam es zu diesem Text, der den Hintergrund der Songtexte beschreibt (also warum ich Texte über "sich aufraffen, mutig sein usw." schreibe).
Ein wichtiger Grundsatz der meisten spirituellen Menschen ist wohl das positive Denken. Daher war es wichtig, diese Einstellung in einem Text zu erläutern, wenn man seine Band schon SpiRitual nennt.


Der Text kam mir so vor, als wurdest du schon öfter mal mit der Frage konfrontiert, warum du soviel düstere Musik machst, die ja so aggressiv oder auch "negativ schwingend"´rüberkommt?
Glücklicherweise wurde ich davon meist verschont. Was mir aber schon lange zu denken gibt, sind die teils erschütternden Geschichten vieler Metalfans, die ich über all die Jahre zu hören bekommen habe. Familientragödien, Probleme psychischer Natur usw. Teilweise tiefste Abgründe menschlicher Emotionen. Traumatische Erlebnisse sind eine Sache, es gibt aber auch eine weitere Komponente, die junge Menschen dauer-unglücklich macht: Man wird in ein System geboren, dass von Anfang an auf Leistungsdruck usw. aufgebaut ist. Auch wenn viele Menschen diese Belastung nicht bemerken (mir wird das erst langsam bewusst, was das damals in der Schule eigentlich für ein Stress war), so wirkt dieser Druck dennoch im Unterbewusstsein: man flüchtet in Scheinwelten (Musik, Computerspiele usw., ich nehme mich da keinesfalls aus), weil die reale Welt verdammt viel Kraft kostet und die Menschen nicht mehr erfüllt. Und das ist ein SEHR großer Knackpunkt. Mit dem "real life" unzufriedene Menschen versuchen immer seltener, diese Unzufriedenheit/Probleme/Depressionen zu lösen, weil das Scheinweltenangebot riesengroß ist. Man verlernt dabei, an sich zu glauben. Warum auch. Es bringt einem ja keiner bei. Die Schule nicht, und die Medien auch nicht.
Man hat keine Problemlösungserfolgserlebnisse (was für ein Wort, haha) mehr, da man vor den Problemen bzw. der Problemlösung dauernd ins Entertainment (durch Musik, Spiele usw.) weglaufen kann. Und das ist eine Sache, die SpiRitual - ist in erster Linie natürlich auch ein Scheinweltangebot - im Hörer wieder wecken soll - trotz der "ethnischen Sonnenurlaub-Welt". Den Glauben an sich selbst. Daher ein Multimedia-Sektions-Text, der sagt, dass vor allem im Metal viele idealistische Musiker unterwegs sind, und man daraus vielleicht den ein oder anderen Gedanken mitnehmen kann auf dem Weg durchs Leben.


Kannst du ein bisschen über deine Zusammenarbeit mit Christian Rätsch erzählen, der ja auch einen Text zum Bonusteil beisteuert?
Christian Rätsch ist ein Buchautor, der bereits mehr als 30 Werke über Pflanzen, Schamanen, andere Kulturen usw. geschrieben hat. Das besondere an ihm: trotz seines "nicht mehr ganz so zarten Alters" (sorry, Christian, haha) kann man ihm in Sachen Metal, Rock usw. nichts vormachen. Er weiß alles, und er scheint jede Band persönlich zu kennen. Durch sein erfülltes und vor allem erfolgreiches Leben ist er ein gutes Beispiel dafür, wie ein "verrückter Metalhead" was aus seinem Leben machen kann, auch wenn er für die meisten Leute schon immer ein krasser Außenseiter war und nach wie vor ist. Leute wie er können einem zeigen, dass es sich lohnt, an sich zu glauben. Auch wenn es andere Leute nicht tun.
Für SpiRitual hat er mir Aufnahmen aus dem mexikanischen Regenwald zur Verfügung gestellt und steht mir immer wieder gerne mit seiner Lebenserfahrung und als wandelndes Lexikon zur Seite.


Dazu hast du bei diesem Projekt mehrere Gastmusiker involviert, u.a. von deiner anderen Band Darkseed sowie Megaherz und Equilibrium. War es schwierig, Unterstützung von den Leuten für deine Musik zu finden?
Die beste Erinnerung an SpiRitual "Pulse" war mit Sicherheit die Bereitschaft der Gastmusiker, völlig selbstlos mitzuwirken, auch wenn es vielleicht nicht "ihr Baby" war. Jeder hat mitgezogen und seine Seele in das Projekt gesteckt. Dafür bin ich sehr dankbar, denn alleine hätte ich das nicht hinbekommen!



Zum Song "Pulse" gibt's ein Video, das auch im CD-ROM Teil zu sehen ist. Kannst du ein wenig zum Konzept des Clips sagen?
Auch im Video spiegelt sich der Gedanke "glaube an dich selbst" wieder, wenn auch in abstrakter Form (in erster Linie soll der Clip unterhalten und einfach positive Energien wecken). Im Esoterikbereich (bitte nicht gleich an Tarotkarten und Wahrsager mit Kristallkugel denken) spricht man gerne von "alles ist Gott", was so viel heißt wie "wir alle haben in uns einen Funken vom Schöpfer, wer oder was auch immer dieses schwer zu begreifende "Wesen" sein mag. Dieser Funken findet sich überall wieder. In einer Pflanze, aber auch in uns. Daher findet sich dieser Funke (im Video symbolisiert durch einen weißen Effekt) sowohl in einer Blume, aber auch in der Hand von Dasha (die Akteurin im Video) wieder, die diesen Funken selbst aussendet, also selbst ein schaffendes Wesen ist, das sich und das Umfeld beeinflussen kann (positiv wie auch negativ). Man müsste das alles viel ausführlicher erklären, innerhalb von 5 Zeilen lässt sich das schwer überzeugend darlegen :-)
Aber wie gesagt, das Hauptziel des Videos ist schlicht und einfach "positive Emotionen, aber ohne cheesy und happy zu klingen".
(Anm.: den Clip gibt's auch online, ca. 25 MB: www.spi-ritual.com/spiritual_pulse_clip.wmv )


Wie kommt's, dass ein russisches Filmteam den Clip gemacht hat? Hast du viele Kontakte dorthin?
Die russische Musiklandschaft ist viel enthusiastischer. Woran das liegt, weiß ich nicht genau. Auf jeden Fall kamen sowohl das Videoteam, als auch der Webdesigner/Bookletdesigner von selbst auf mich zu, um vielleicht mal zusammen kreativ zu arbeiten. Ebenso bekam ich den Kontakt zur russischen Sängerin Yana Veva (Theodor Bastard) zugesteckt, das ging alles wie von selbst und war eine positive Erfahrung. Das Engagement der beteiligten Leute ist mit dem generell schwachen Budget im Metal-Bereich unbezahlbar! Zum Glück haben sie noch den Idealismus, den ich hier in Zentraleuropa schon seit langem vermisse.


Gibt es Überlegungen, mit SpiRitual live aufzutreten oder ist es ein reines Studioprojekt?
Das wäre sehr schwierig, aber ich bin mir sicher, dass die meisten "Gast"musiker mitwirken würden! Dazu braucht man jedoch ein risikobereites Label/Management, aber wie eben angemerkt: hier bei uns ist das heutzutage SEHR schwierig, hehe.


"Pulse" wird auf deinem eigenen Label veröffentlicht. Ist das Label nur für deine Projekt gedacht oder werden damit weitere Bands unterstützt werden?
Primär benutze ich "Listen & Think" dazu, meine CDs fertigzustellen, ohne dass andere Labels involviert sein müssen. Es ist also mehr ein Netzwerk aus kreativen Leuten, mit denen ich von A-Z alles an der CD selbst bewerkstelligen kann. Songwriting, Studioaufnahme, Cover, Website, Video usw.
Im vertrieblichen Bereich setze ich jedoch nach wie vor auf etablierte Labels, daher wäre ich der falsche Ansprechpartner für aufstrebende Bands, weil ich vor allem im Verkaufsbereich zu unerfahren bin. Wer aber Kontakte zu eben genannten Arbeitsfeldern sucht, dem kann ich gerne weiterhelfen!


Welche weiteren Pläne hast du mit SpiRitual?
Falls ich ein tatkräftiges Label finde, das mir die vertriebliche Bürde abnimmt, hoffentlich bald weitere Songs. Vom Stil her wird sich nicht viel ändern, denke ich. Ich bin also rundum zufrieden mit den Songs, und hoffe, dass es bald weitergeht!


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