In des schäumenden Grabes Näh'

SINBEATS (Wave Rock)
Arkadius Neumann (Bass, Synth Bass) - Wolfgang Huth (Voc, Drums, Bodhran Drums, Percussion) - Harry Wolff (Voc, E+A-Gitarre, Balalaika, Keys)

Nach kreativer Pause sind die Frankfurter Wave Rocker mit einem bestechenden Album zurück. 80er Feeling, betörende Melodien und diese Rotzigkeit, wie sie heute die meisten Bands scheuen, fordert natürlich geradezu dazu auf, in Erinnerungen zu schwelgen. Ganz ohne Vergleiche werde ich nicht auskommen, allerdings nehme ich auf Wolfgangs (W. siehe AMBOSS interview) Blutdruck Rücksicht und beschreibe das Ganze ein wenig surreal. Stellt euch einen kleinen Düsterschuppen vor, Kohl hat gerade seine zweite Amtszeit übernommen, auf der Bühne Pink turns blue, ihr Intro durchbricht einen Klassiker von Sisters und ohne große Bewegungsarien hauen euch die Jungs aus den Socken. Das Outro wird durch einem Joy Division Song ausgeblendet und ihr tanzt die ganze Nacht durch den Nebel. Keiner telefoniert, die toupierten Haare sitzen schon lange nicht mehr, das Bier kostet 2 DM und das Glück kommt aus Boxen. Die Vergangenheit lebt, die Gegenwart existiert, Musik ist chronologisch einortbar aber wie Sinbeats beweisen, in ihrer Kraft, Ausdrucksstärke, Eleganz, Schönheit und Dunkelheit zeitlos. Ganz großes Kino! www.sinbeats.net (andreas)


-> Review "sinbeats" lesen


Könnt ihr euch als erstes kurz vorstellen und euren bisherigen Werdegang beleuchten?
A: Mein Name ist ARKADIUS, spiele Bass und bin seit 8 Jahren in der Band. Meine erste Band hiess IMP und es war eine megaschnelle, laute Punk-Coverband.
W: Ich bin Wolfgang, singe, spiele Drums und Percussion und habe Sinbeats zusammen mit Harry und Karl (der alte Bassist) Anfang ´90 gegründet. Davor habe ich in verschiedenen Bands gespielt, Punk, Wave, NDW, Rock, Free Jazz, alles mögliche.
H: Ich heiße Harry, singe und spiele elektrische und akustische Gitarren. Sonst spielte ich während einiger Jahre in den 90ern mit Bertram B.Ohne bei Nervengrün, einer Industrial-Band.


Im Presse-Info steht was von kreativer Pause. Weder dort noch auf eurer Homepage gibt es Infos über die Zeit vor der Pause. Könnt ihr hier ein wenig Aufklärung betreiben?
H. und W.: Von 1990 bis 1998 gab es Sinbeats in der ersten Besetzung mit Karl am Bass. Wir veröffentlichten zwei CDs und spielten eine Menge Konzerte. Dann verließ Karl aus Zeitgründen die Band und wir suchten einige Monate nach einem guten Bassisten, bevor wir mit Arkadius Ersatz fanden.Wir haben dann erstmal nur sporadisch Konzerte gegeben und uns mehr aufs Komponieren und Ausarbeiten neuer Stücke konzentriert. Bald war klar, dass es eine neue CD geben sollte, die natürlich vorbereitet werden musste, so kam das mit der Pause zustande. Wir möchten aber eher über das neue Kapitel von Sinbeats sprechen.


Euer Wave Rock liefert starke Verbindungen in die 80er, seid ihr musikalisch betrachtet Nostalgiker?
A: Nein, ein Nostalgiker bin ich nicht. Ich mag einfach Dinge, die gut sind, unabhängig davon, ob/wann sie in Mode waren oder ob sie heute noch der Mehrheit gefallen. Ich muss sie einfach mögen.
W: Ich sehe uns eher als dunkle Romantiker, in dem Sinne, dass wir nach dem Guten, Wahren, Schönen streben, um es mal poetisch auszudrücken. Poesie ist auch ein wesentlicher Bestandteil unserer Lyrics. Gleichzeitig wissen wir aber auch um die Grenzen, an die man stößt, wenn man dem eigenen Weg folgt, die Zwänge denen wir ausgesetzt sind, nicht nur gesellschaftlich, auch persönlich. Dies alles kannst Du in unserer Musik und unseren Texten wiederfinden, "wir offenbaren uns". Die Musik der 80er (wenn es die ist, die ich meine) war sehr offen, sehr direkt, sprach einen persönlich an, sozusagen "Brüder und Schwestern im Geiste", diesen Vergleich könnte ich akzeptieren.
H: Wir haben auch starke Verbindungen in die Gegenwart zu britischen Bands wie z. B. Placebo oder amerikanischem Alternative-Rock, daneben stehen wir mit dem was wir erleben und fühlen, was in die Songs einfließt in der Jetzt-Zeit. Vielleicht wird dunkle Musik oft mit den 80ern verbunden, was mich aber auch nicht stört.


Man kommt ja bei AMBOSS interviews unweigerlich zur Frage nach der Herkunft des Namens. Was steckt hinter Sinbeats?
W: Fiel Harry und mir beim Whiskey-trinken ein - Sinbeats verdanken sozusagen ihren Namen der Inspiration durch ein geistiges Getränk.


Was bei fast jeglichen Songs ins Ohr sticht, ist die leichtgängige Hookline der Stücke, die betörende Eleganz des Refrains. Wie wichtig ist euch diese Facette im Gesamtkontext mit im Mark eher dunkler Musik?
W: Freut mich, dass Dir das aufgefallen ist. Unsere Ansprüche an uns als Songwriter sind mit der Zeit gestiegen, gute Melodien und eingängige Hooklines sind uns wichtiger als früher. Der Funke muss überspringen, sonst schmeissen wir den Song auf den Müll, wenn er nicht funktioniert. Das ist aber insgesamt keine Frage von "hell" oder "dunkel", auch hinter einer scheinbaren Eingängigkeit können "Blut, Schweiss und Tränen" stecken.


Sowohl im Booklet, als auch auf der Homepage seid ihr sehr minimalistisch unterwegs. Spielt hier Geld eine Rolle oder wollt ihr euch ein Image zu Eigen machen?
A: Bei der CD-Produktion waren unsere finanziellen Mittel nicht ohne Limit, da wir das meiste selbst finanziert haben. Wir wollten zudem das Booklet nicht überladen, so wie es geworden ist, wollten wir es auch haben.


Könnt ihr uns mehr zu den Texten sagen, wie wichtig sind selbige im Kontext mit der Musik?
W: Text und Musik sehen wir nicht getrennt voneinander, sondern beides gehört zusammen, ergibt ein Ganzes. Es sind Bilder, Momentaufnahmen, Stimmungen, Beschreibungen - wenn unsere Musik ein Road-Movie wäre, wären die Texte die Koordinaten dazu, sozusagen Reiseberichte der Seele.
H: Melodie und Text zusammen haben eine viel größere Tiefe und Bedeutung als der reine Text, du fühlst das wie eine andere Ebene, die zu dir spricht, auch von anderen Dingen.


"Annabel Lee" hat einen Bezug zu E.A.Poe. Wie sehr hat insgesamt bestimmte Literatur in die Texte gespielt?
W: Tja, da hat man mich wohl als Fan von E.A. Poe ertappt, aber schön, dass man sich noch an ihn erinnert. Auf die Frage kann ich so direkt nicht antworten. Den "Steppenwolf" von Hesse halte ich für eines der großartigsten Bücher überhaupt, ebenso "On the Road" von Kerouac, oder vieles von W.S. Bourroughs, Bruce Chatwin, Wolfgang Borchert, Hoelderlin, Lord Byron. Ebensogut könnte ich hier Filmemacher wie Sergio Leone, David Lynch, Aki Karusmäki, Jim Jarmusch oder Akira Kurosawa erwähnen, aber von allen nichts und von allen etwas - "die Träume sind nicht das was sie scheinen" - aber zurück zur Ausgangsfrage, wenn jemand sagen würde "Hey, Annabel Lee, hat das was mit Poe zu tun, eine Hommage sogar?", dann würde ich sagen ja.


"All your Sundays" hat im Mark eine unglaubliche Leichtigkeit. Gibt es hier einen Bezug zu Bands, die entweder Freitage (Cure), Montage oder einen bestimmten Sonntag (U2) zum Mittelpunkt ihres Songs machten?
H: "All your Sundays" erzählt von dem Kreislauf des Alltags, der das Leben meistens bestimmt: Der Sonntag steht für den Tag, der symbolisch den Schritt nach unten auf der Treppe des Lebens markiert, in die Dunkelheit, die du nicht umgehen kannst, du musst sie durchschreiten. Die einzelnen Tage sind verschiedenen Stadien, Stimmungen zugeordnet, für mich ist wichtig der Wahrheit auch ins Auge zu schauen, wenn es schmerzt, sich nicht blenden zu lassen, von der Welt unserer Zeit, immer aber mit dem Willen etwas erleben zu wollen, in dieser Welt, die auch für uns ist.
A: Meinem Empfinden nach hat der Song nicht die Leichtigkeit, die z.B. das "Verliebtsein an Freitagen" offenbart. Der Cure-Song hat eine fröhliche Aussage, unser Lied dagegen handelt zu einem großen Teil von der leider zu häufig präsenten und unser Leben beherrschenden Monotonie des Alltags - also ein graues Thema, das mich nicht sonderlich fröhlich stimmt.
W: In einem meiner Lieblingsbücher, "Crusoe", kommt ein Mann vor, der Freitag heißt, ein cooler Typ. Sometimes I´m feelin´ like Friday.


Was steckt hinter "burning all stars"? Der Song beginnt mit "Ashes to ashes", eine Passage, die fast jede Goth Band aus den 80ern irgendwann mal benutzt hat.
W: There´s something wrong, "Burning all stars" beginnt mit "Burning all stars", Du meinst "I want my analoge life now", dazu könnte Harry was sagen.
H: "I want my analogue life NOW" verstehe ich als eine Ode an das Leben, was im Refrain besonders deutlich wird. In den Versen der ersten Strophe, die mit "Ashes to ashes dust to dust" beginnen, geht es um die krummen Wege, die manchmal irre erscheinen, um die Entschlossenheit, dem Leben zu folgen, wo immer es auch hinführen mag...


Gibt es eine Parallele zwischen "burning all stars" und "bury my heart"?
W: Beide Songs stammen von der CD "Sinbeats" der Gruppe Sinbeats. Aber Spaß beiseite, ich möchte eigentlich unsere Songs nicht erklären. So wie ein Maler seine Bilder nicht erklärt, weil sie erst im Auge des Betrachters ihr Eigenleben entwickeln. Es sind persönliche Songs, es können aber auch deine Songs sein. Würde ich eine Anleitung mitliefern wie sie zu lesen sind, wären sie um ihr Geheimnis beraubt, und Du um das Abenteuer, dich in ihnen wiederzufinden. Mich würde also viel mehr interessieren, was Du oder der Hörer bei den Songs empfindet, als diese zu erklären. Die Songs sprechen für sich.


Wer oder was ist "Durango"?
Durango ist ein Ort des Herzens und der Seele, ein Ort, den du versuchst zu erreichen, ein Ort der Freiheit und Einheit mit dir und dem, was dich umgibt.


Welchen Song würdet ihr als Single auskoppeln, welcher Song besitzt besonders viel Herzblut?
A: Hmm, eine schwierige Frage. Für mich würden sich einige Songs als Single eignen, z.B. "Down the line", "Annabel lee" oder "Farewell". Sie haben gute bzw. ungewöhnliche Grundideen und das Wichtigste: Sie haben Power!
W: Diese Frage hat sich bisher nicht gestellt, deswegen habe ich mir darüber auch keine Gedanken gemacht. Für mich hat die ganze CD Herzblut, ich sehe das eher als Ganzes. Abgesehen davon stehe ich diesen Vermarktungsmechanismen des Musikbusiness eher kritisch gegenüber, Basecaps, Schals, Blumentöpfe, Singles....Sinbeats sind für mich ein Lebensgefühl und kein Product-Placement.
Ich fände da eher eine "Anti-Single" interressant, auf der zu hören ist, wie wir irgendwelchen "groben Unfug treiben", z.B.Fernseher die Treppe runterschmeissen und dabei mysteriöses Zeug brabbeln oder uns mit Schrott bewerfen und dabei irische Volkslieder singen, irgendwas in der Art, das könnte Spaß machen so eine Single.


Eure Musik wird seit ca. 10 Jahren von einschlägigen Gazetten tot geredet. The Cure geht Charttechnisch unter, Pulp haben sich schon vor Jahren vom Joy Division Sound verabschiedet, Andrew will mit der "schwarzen Szene" nichts zu tun haben. Was ist eure Intention, diese Musik am Leben zu halten?
A: Ich habe nicht die Absicht, eine bestimmte Stilrichtung vor dem Untergang retten zu wollen, denn mir gefällt kein Schubladendenken. Wie bereits gesagt, ich mag bestimmte Dinge, und dazu gehören auch Facetten/Details aus unterschiedlichen Musikstilen. So z.B. mag ich bei Wave treibende, dominante Basslinien, bei Goth ungewöhnliche Drums und den verwaschenen, chorussüßen Gitarrensound und bei Punk die aggressiven, rotzartigen Riffs.
W: Irgendwer hat uns kürzlich in einem Review der CD sozusagen als "Ehrenretter" des Goth-Rock bezeichnet. Das ist natürlich einerseits sehr schmeichelhaft, aber ich bin kein Notarzt und ich wüsste nicht, wen oder was ich hier retten sollte. Ich mache die Musik, die mir gefällt, und es kümmert mich einen feuchten Rotz, ob irgendjemand diese Musik tot oder out findet. Solange es rockt, ist es nicht tot, und wenn sich jemand unbedingt zum Musikkritiker berufen fühlt, sollte er mehr auf der Pfanne haben als in Platitüden zu sprechen.
H: Wir machen unsere Musik für alle zu denen sie spricht: die schwarze Szene gehört dazu.


Nerven euch diese Vergleiche mit Bands, welche bereits jahrelang das schwarze Herz erfreuen ?
W: Weniger die Vergleiche als vielmehr der Umgang damit. Ich habe manchmal den Eindruck: da hat jemand keinen Bock sich Arbeit zu machen und sich wirklich mit der Musik auseinanderzusetzen, gleichzeitig sind die Erwartungshaltungen an Bands wie uns auf ein kaum nachvollziehbares Maß gestiegen. Wie hieß das noch bei den "Krupps", "Wahre Arbeit, wahrer Lohn". Finde ich hierfür sehr passend, heißt für mich: Macht euren Job, aber verarscht uns nicht! Wir haben es verdient, dass man sich mit uns beschäftigt! Und das ist absolut das mindeste.
A: Es nervt mich manchmal. Viele Menschen brauchen wohl diese Vergleiche, um sich eine Vorstellung von etwas Unbekanntem machen zu können. Ich denke aber, dass das den Blick aufs Neue/Unbekannte trübt und oft hinderlich ist, etwas Gutes zu entdecken.


Was fehlt "Sinbeat" noch für einen Titelbericht im Zillo oder Orkus?
A: Die richtigen Kontakte bzw. eine entsprechende Lobby.
H: Von meinem Gefühl her: Nichts.
W: Die privaten Telefonnummern der weiblichen Redakteure.


Die ausgereiften Soundstrukturen und die geradlinigen, düsteren Melodielinien, der betörende Gesang. All das deutet darauf hin, dass euch Musik wichtiger ist als es "nur" als Hobby zu betrachten. Würdet ihr euch musikalisch verändern lassen, um Erfolg zu haben?
W: No way! Wir haben von Anfang an gesagt: Wir sind Sinbeats und wir spielen was wir wollen. Das trifft auf vieles zu, nicht nur auf diese Frage.
A: Ich würde mir nicht vorschreiben lassen, was ich wie zu spielen habe, nur damit es ein kommerzieller Erfolg wird. Ich bin jedoch lernwillig und höre mir auch Ratschläge an, wenn sie meine Art zu spielen bereichern oder verbessern und den SINBEATS dienen. Eine Band ist immer auch ein Kompromiss von mehreren Meinungen und musikalischen Vorlieben.


Wie sieht es bei euch mit Auftrittsmöglichkeiten aus, ihr seid nicht weit von einer Großstadt entfernt?
A: Wir möchten viel live spielen, denn wir sind ein gute Liveband, die das in der Vergangenheit schon oft bewiesen hat. Also, wenn jemand etwas anzubieten hat, dann einfach mailen.
H: Life has just begun for the new melodies: Einfach wird es nicht, in anderen Städten, Ländern, es gibt aber immer wieder Leute, die ihre Clubs/kleinen Bars von ganzem Herzen betreiben, auf die setze ich, das braucht auch alles Zeit, daneben wird uns jeder Hinweis willkommen sein, sehr gern auch im vorderen Frankreich, BeNeLux und Norditalien, England, einfach an mail@sinbeats.net schreiben.
Der erste Auftritt in Frankfurt im Clubkeller am 09.05 hatte eine schöne Atmosphäre und hat uns alle verzaubert...


Gibt es bestimmte Ziel für die Zukunft und wie werdet ihr die Zuhörer Live betören?
A: ...dass unsere CD genügend Beachtung erfährt. Der Rest würde sich dann automatisch ergeben. Wir sind jetzt zu viert: Arve, unser neuer Gitarrist und Keyboarder, sorgt dafür, dass wir dem Sound vom Album recht nahe kommen.
W: Eine spontane Acoustic-Darbietung von "Down the line" bei Radio-X in Frankfurt hat sehr großen Spaß gemacht, also demnächst vielleicht bei Dir zuhause? Sinbeats...Live...und akustisch?
H: Wir betören die Zuhörer live durch unsere Direktheit: von Herz zu Herz.


Letzte Worte?
A: Love, love, love!!!
W+H: Liberté Egalité Fraternité


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