Die melancholische Umsetzung der Chaostheorie
Beyond the Void (Goth Rock)

Es gibt zwar in letzter Zeit viele gute VÖ's, aber nur wenigen gelingt eine derartige Dauerrotation in meinem CD-Player. Mag natürlich auch darin liegen, dass ich momentan nicht gerade in einer euphorischen Stimmung bin. Dieses Album lässt einem so richtig schön in der Melancholie laben, ist aber gleichzeitig auch ein Werk, welches geschickt jegliche Grübelzwänge therapiert. EA 80 schrieben einmal "manchmal bin ich glücklich, traurig zu sein" , prägnante Worte, die wie gemacht sind um das Debüt der sechs Münchener zu beschreiben. Dieses Gefühl auf den Hörer zu projezieren, daran sind viele gescheitert, BEYOND THE VOID bei keinem einzigen Song. Für mich gehört "our somewhere else" zu den ganz großen Entdeckungen der letzten Jahre, und hier handelt es sich nicht um eine Phrase sondern um meine ganz persönliche Gefühlswelt. www.beyondthevoid.de (andreas)


Die Band:
Daniel Pharos (Vocals, add. Synths)
Dominik Morgenroth (Lead Guitar)
Martin Tapparo (Rhythm Guitar)
Andreas Bryk (Bass)
Rudolf Pfaffenzeller (Synths, Grand Piano)
Benjamin Pflug (Drums)


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Selten ein derart perfektes Debütalbum gehört, dieses hohe Niveau kommt bestimmt nicht von ungefähr. Könnt ihr ein wenig über die Entstehungsgeschichte erzählen.
Daniel: Hehe, geht ja gut los! Vielen Dank. Nun, wir sind zwar eine eher junge Band, haben aber insgesamt schon fast 90 Jahre musikalischer Vorgeschichte auf dem Buckel. Außerdem versuchen wir konstant in Richtung möglichst hoher Qualität und an unserem Konzept zu arbeiten, deine Einschätzung zeigt, dass das manchmal rüberkommt.

Das Album ist kein so abgestecktes Konzept wie es der Nachfolger sein wird, vielmehr ist es ein Auszug aus den Songs, die wir in den Jahren vorm Album geschrieben haben. Bei damals 4 (jetzt 5) Leuten in der Band, die Songs schreiben und der Band vorstellen, kamen über 30 Songs zusammen, wovon es nur 11 durch unser internes Song-Casting geschafft haben. Ein Prozess, den manche Bands weglassen, wodurch bei diversen CDs dieses Gepolstere zustande kommt zwischen den wenigen guten Singles.


Bleibt überhaupt noch Platz für Verbesserungen? Wo sieht der kritische Musiker noch Schwachstellen?
Daniel: Der Antrieb des kritischen Musikers ist es ja, ewig unzufrieden zu bleiben und stets nach vorne zu blicken. Denn wer völlig zufrieden ist hat kein Ziel mehr und bleibt auf der Stelle. Also werde ich immer was zu meckern haben ;)

Martin: Es geht ja auch nicht darum, keine Schwächen zu zeigen. Kunst wird immer Schwächen haben, Perfektion ist widerwärtig. Aber wir wollen viel verändern, noch weiter gehen, extremer werden. Noch präziser in dem, was wir tun.

Daniel: Das Studio und die Zeit danach hat uns auf jeden Fall viel beigebracht. Unsere persönlichen Leistungen und auch unser Konzept ist viel feiner als früher, ich bin guter Hoffnung, dass Album #2 die #1 um Längen überschatten wird.


Ihr sprecht von einer ureigenen Vision. Wie sieht diese Vision aus?
Daniel: Was da spricht ist die Marketing Abteilung ;) Dennoch versuchen wir natürlich in langen Meetings und experimentellen Proben ständig an unserem Konzept zu schrauben. Auf Album #2 werden wir mehr wagen und uns konkreter für ein albumweites Konzept entscheiden, mehr polarisieren.

Was der zitierte Pressetext andeuten möchte ist, dass wir quasi nicht abpausen sondern neu synthetisieren. Also nicht heftigst alles auswendig lernen was so rumläuft mit "Goth Rock" Etikett, sondern unsere eigene frankensteinsche Mischung aus Gothic, Rock und moderner Musik aller Bereiche legieren. Wenn das Resultat dann nicht gerade so klingt wie die Urväter des Goth Rocks oder andere davon fotokopierte Bands, ist uns das gerade recht.

Martin: Ja, alles ist eins, alles ist Rock n' Roll. Dogmen sind Mist, das sollen die anderen machen. Wenn man sich von den Begrenzungen löst und das macht, was man wirklich will, ist man auf einmal visionär. Schon verrückt.


Der Titel des Albums taucht auch als Song auf. Ein Stück bei dem diegesamte Band (lt.Booklet) am Songwriting mitgearbeitet hat. Verkörpert er am Besten eure Musik und euer Konzept?
Daniel: Unser Konzept (siehe 6.) gipfelt im letzten Stück 'our somewhere else', darum beschreibt dieser Titel unser Album auch am Besten. Darüberhinaus war es (wie richtig beobachtet) das erste Stück, das von uns allen stammt, ein weiterer Grund es zum Titletrack zu erheben. Benny kam mit dem Rhythmus an, vom Martin kam die Hookline, Rudi bastelte mit dem Dominik den Urrefrain, den ich anpasste und die Gesangslinie draufpackte und so weiter. War für uns eher ungewöhnlich dass ein Song so organisch entsteht, da unsere einzelnen Songwriter sonst ihre Babies gerne etwas in Isolation aufziehen bevor sie sie zum Abschuss freigeben.


Ihr habt euch an einem Neujahrstag zusammengefunden. Wie sah die Silvesterparty zuvor aus und warum habt ihr euch den Namen beyond the void gegeben?
Martin: Silversterparty? Silvester 1999 - das war der Geist des Krieges. Nach Mitternacht waren die Strassen voll unbeweglicher Körpern, Blaulicht geziert. Es war Chaos, malignes Chaos. Ich bin überzeugt, daß an jenem Tag die Welt unterging, nur hat es niemand gemerkt. Daß wir uns am nächsten Tag zusammen fanden und uns gegen dieses Nichts zusammen schworen, scheint mir fast das natürlichste der Welt zu sein. Es mußte etwas jenseits des Nichts geben. Etwas anderes als noch mehr Nichts.


Ihr seht euch als Band für die ein Album mit einem Konzept verbunden sein muß. Welches steckt hinter our somewhere else ?
Daniel: Das Album ist verträumt-melancholisch, realitätsflüchtig. Im Zentrum stehen diese Kontraste zwischen Traum und Realität, Gestern und Heute, Schmerz und Stille. Stilistisch ist es ein eher freies Konzept mit vielen Ecken und Kanten, da die Songs über einen längeren Zeitraum entstanden sind, mit relativ viel künstlerischer Freiheit. Das haben wir ihnen einmal durchgehen lassen, auf der #2 jedoch werden wir versuchen ein spezielleres, für das Album enger abgestecktes Ziel zu verfolgen.


Für ein Goth Rock Album sind die eingestreuten und teils ausgedehnten, verspielten Saitensoli überraschend. Was steckt dahinter und war euer Gitarrist vorher in einer Prog Rock Band?
Dominik: Die Frage sollte lauten: Warum bedienen sich nicht viel mehr Gitarristen des Goth-Rock-Genres dieses ausdruckstarken Stilmittels?
Ich lasse meine Gitarre singen, klagen; tauche die Songs mit traurig schönen Melodien in eine düstere Atmosphäre. Damit distanziere ich mich bewusst vom stumpfsinnigen, pseudo-virtuosen Tonleitergedudel, mit dem so manche andere Rock- und Metal-Gitarristen unsere Ohren langweilen.
In einer Prog-Rock-Band hab ich nie gespielt... aber meine musikalischen Einflüsse reichen weit.


Ihr habt alle schon in anderen Bands gespielt, kann man diese kennen, auch wenn man nicht aus München kommt?
Daniel: Die komplette Liste bei 6 Leuten könnte etwas ausarten, aber beispielsweise sei erwähnt dass Benny bei Weto (die Schandmaul-Urband) und bei Fame (http://www.fameworld.de) gedrummt hat, Martin hat u.a. sein Soloprojekt Metatron (http://www.mp3.de/metatron) und die Night-Metal-Band The Darkness Within (http://www.mp3.de/darkness), Rudi spielt seit 25 Jahren klassisches Klavier u.a. in Aufführungen und Musicals, ich hab u.a. mein in Kennerkreisen geschätztes Doom-Projekt Worship (http://worship.munichmetal.de) und war vormals z.B. bei Somber Serenity (http://www.somber.de).





Die Musik ist schwermütig und auch textlich ist man nicht gerade im positiven Sing Sang zu Hause. Wie gelingt es euch trotzdem nicht hoffnungslos depressiv zu klingen?
Daniel: Die Musik und die Worte sind ein Ventil, durch dass man flüchten kann wenn das Sein zu qualvoll wird. Also eigentlich deprimiert unsere Musik uns nicht, wir deprimieren unsere Musik.
Wir klingen vielleicht nicht hoffnungslos depressiv weil sich auch die Hoffnung in die Musik schleicht zusammen mit anderen Stimmungen die um uns ringen, gerade der Emotionskonflikt erzeugt ja Spannung.


Mußte der Vergleich mit HIM oder The Rasmus im beiliegenden Info Blatt sein? Ganz im Ernst, kein einziger Song erinnert an die beiden finnischen Bands.
Daniel: Es ist ja kein Vergleich, es ist mehr eine Stellungnahme. Unser Pressemann Hr. Fuchs-Gamböck (u.a. Wom-Journal) hat das eingearbeitet um gleich ein Statement abzugeben zu den zwingend kommenden Vergleichen. Wir machen deutlich dass wir die Bands anerkennen für dass was sie tun aber nicht bei ihnen abschreiben. Wenn wir sein wollen wie sie dann nicht indem wir sie kopieren, sondern in dem wir genau wie sie einen eigenen Style schaffen möchten, der es schafft sich zwischen den Genres des Gothics, des Rocks und der Moderne zu etablieren und diese zu einen. Dazwischen fühlen auch wir uns zu Hause. Darum fühlen wir uns auch dieser Bewegung verwandt.

Ich finde deine Aussage, dass du da keine Verwandschaft erkennst witzig im Kontext dessen, dass jedes zweite Review mindestens einmal das Wort HIM verwendet. Ist klar, um so weiter man von außen auf ein vermeintliches Genre blickst, um so mehr treten Facetten in den Hintergrund. Gothic wird Him, Metal wird Metallica etc. Für Kollegen wie den Autor vom Rock It! gibt es also, von ganz weit außen geurteilt, nur HIM. Alles andere muss wohl eine HIM-Kopie sein, da ja HIM Ende der 90er den Gothic erfunden haben. Hüstel. Drum empfindet man uns dort folgerichtig als HIM-Klon, was so weit führt dass sie anfangen, Soll-Ist-Vergleiche anzustreben bezüglich Alben und Songs, so als wären wir ein Suchbild, in dem sich gegenüber dem HIM-Original 10 Fehler eingeschlichen haben. Find ich sehr amüsant, auch wenn ich nicht mitreden kann da ich nie ein Him-Album besessen hab.


Die Triebfeder eurer Musik ist die Melancholie. Ist es euch wichtig diese Stimmungslage nicht nur musikalisch/textlich auszudrücken sondern dieses Gefühl auch im Hörer zu erzeugen?
Martin: Melancholie ist kein schlechtes Gefühl. Es ist nicht per se zerstörerisch oder bösartig. Unsere Musik strahlt Melancholie aus. Wenn sich der Hörer nicht verschließt und dieses Gefühl von uns annimmt, dann wird es ihn berühren, ja. Man darf aber nicht denken, daß wir eine Botschaft damit transportieren, wir sind keine Prediger. Es ist keine Manipulation, sondern Exposition.


Pure Melancholie überströmt vor allem through the Dark , der auch schon als Opener eurer Debüt MCD fungierte. Könntest du mehr über diesen Song erzählen?
Daniel: 'through the dark' ist einer unserer ältesten Songs, vielleicht der Song der am meisten einen Ruck in unsere jetzige Schaffensrichtung eingeleitet hat. Als wir uns fanden wussten wir sofort, dass wir als Team wunderbar funktionieren, nur wussten wir noch nicht so recht wohin mit uns. Die erste Zeit probierten wir einiges aus im Namen der Konzeptfindung. Und 'through the dark' zeigte uns, wo unsere Stärken liegen und brachte uns auf den Kurs den wir jetzt verfolgen.

Darüberhinaus stellt der Song inhaltlich den Anfang eines Zyklus da, der sich bis zum Ende des Albums erstreckt, analog zum bis jetzt dunkelsten Abschnitt meines Lebens.


Eine Spur mehr Trauer beherbergt das elegisch, sanft dahinfliessende Waiting . Worauf wartest du hier und ist dieses Warten nicht zum Scheitern verurteilt?
Daniel: Die Texte des Albums sind meine persönlichsten bisher. Ich hatte eine sehr üble Zeit, die sich so 2,5 Jahre erstreckt hat und die mit den extremsten emotionalen Dehnungen ausgestatten war die ich bis jetzt durchmachen musste. 'waiting' ist so ca. in der Mitte entstanden und ist eigentlich das hoffnungsvollste Lied, versucht es doch in einem Moment der Klarheit über sich hinaus zu blicken.

Warten mag zwar meist zum Scheitern verurteilt sein, was aber jedoch fruchtbar ist in diesem Stück ist die Haltung des Loslassens, das kleine bisschen Schulterzucken dass einem schlussendlich vielleicht den Verstand retten kann wenn man droht, an allem zu zerschellen. Wenn ihr wisst was ich meine, hört euch das Lied mal an, würde mich freuen wenn es hilft.

Martin: Through The Dark und Waiting sind für mich die emotionalen Höhepunkte des Albums.


Es gab im Sonic Seducer eine vernichtende Kritik. Wie sehr belasten derartige Urteile eine Band?
Daniel: Wenn ein von uns geschätztes Heft wie der Sonic Seducer uns nicht mag, sind wir natürlich nicht froh. Dennoch respektiere ich jedes Review wie ich Meinungsfreiheit respektiere, denn schließlich sind Reviews extrem subjektiv. Und so hipp sind wir nun nicht als dass sich die Reviewer um uns kloppen oder gar mehrere drübergucken.

Aber mit unserer Quote 4 gute auf 1 kleiner-gleich-mittelgutes Review kann man sehr zufrieden sein. Und wie unsere selbsttitulierte PR-Schlampe sagen würde: Gut, schlecht, hauptsache drin. Das stimmt. Immerhin wurden wir erwähnt im Gegensatz zu vielen anderen Bands wo es hieß 'wir müssen leider draußen bleiben'.

In diesem Fall hat es sich ein Autor geschnappt der auf Ur-Goth-Rock steht aber sonst nur auf Elektro und Industrial (siehe seine anderen Reviews der Ausgabe). Unsere 21st Century Hausmischung aus Rock, Gothic und modernen Elementen kann den Anspruch 'die neuen Bauhaus Sisters Of Nephilim' nun mal nicht erfüllen.

In diesem Licht verstehe und respektiere ich sein Urteil. Denn würden wir jedem gefallen, hätten wir definitiv was falsch gemacht. Außerdem sag ich immer: Für den Antrieb braucht man beides, sowohl Förderer als auch Gegner. Jetzt haben wir den Ehrgeiz die Kollegen vom Sonic mit der #2 vom Hocker zu werfen.


Wie sieht es mit Live Auftritten aus, ist hier was geplant und wie werdet ihr euch auf der bühne präsentieren?
Daniel: Wir spielen wo man uns nicht rechtzeitig wegscheucht, und im Oktober/November gehen wir auf eine kleine Tour, präsentiert von Radio Dunkle Welle und einer großen Gothic-Zeitschrift (ist erst nächste Woche spruchreif darum sag ich hier erstmal nicht mehr). Ansonsten rocken wir wie die Hölle, falls jemand bedenken hat dass wir eventuell verträumt-verschlafen daherkommen. Den Rest schaut euch mal besser selbst an, die Konzerte stehen auf unserer Homepage http://www.beyondthevoid.de , die Tour wird dann am Stück angekündigt.


Wie würdet ihr einem MTVIVA Moderator eure Musik beschreiben?
Daniel: Ich weiß nicht, ich würde ihm ein Video von uns reichen und sagen: "Das ist die neue Single von Britney Spears im Duett mit Marilyn Manson, das Video geht erst am Samstag auf Heavy Rotation bei [hier den jeweils anderen Sender einsetzen], aber das Tape hast du nicht von mir, ok?" Wenn ich mir so angucke, was da teilweise läuft, dann schauen die sich das bestimmt nicht vorher an. ;)


Diskografie:
2003: The infinite eye MCD
2004: Our someone else CD