Diskussionsforum Interview
Deine Lakaien (Melancholic Elektro Wave)

Ende letztes Jahres starteten die Mannen um Sänger Alexander und Soundtüftler Ernst den zweiten Teil der "White lies" Tour, welche erneut sehr gut besucht und des öfteren mit dem "Ausverkauft-Schild" geschmückt wurde. Im Gepäck hatten sie zudem zwei komplett neue Songs, welche auf der aktuellen Single "where you are", die in zwei verschiedenen Ausführungen und mit reichlich Remixen daherkommt, veröffentlicht wurden. Anhand des Konzertes im Bielefelder PC 69 fanden die beiden Protagonisten Zeit für ein Interview, welches sie des oftmals als persönliches Diskussionsforum nutzten. (andreas)

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Warum habt ihr euch für "where you are" als zweite Singleauskopplung entschieden?
A: Anfangs war es als Club Promo geplant und es wurden auch einige Remixe angefertigt. Da die Nachfrage der Fans sehr groß war, wollten wir die verschiedenen Versionen dann ganz offiziell veröffentlichen, damit die Fans die Sachen nicht teuer irgendwo erstehen müssen. Nur die Mixe war uns aber zu langweilig und haben sie dann attraktiver gestaltet, mit ganz neuen Songs und Live Versionen der vergangenen Tournee.

Wenn ihr eure Songs von anderen Bands mixen lasst, was ist es für ein Gefühl seine Songs in vollkommen anderen Versionen zu hören?
A: Man weiß ja, auf was man sich da einlässt, es ist auch nicht besonders wichtig für mich.

Es gibt auf dem Maxis auch zwei komplett neue Songs. Ist "in the chains of practicle" als Aufruf gemeint die Ketten zu sprengen oder eher eine Momentaufnahme der momentanen Gesellschaft?
E: Es bedeutet die Abkehr der Ideologien und daraus resultierenden Sachzwänge. So ist zum Beispiel zwischen Parteien inhaltlich kein großer Unterschied mehr vorhanden. Man diskutiert hier nur noch über kleine Details. Ich hab jetzt keine großen Schlüsse daraus gezogen, es ist jetzt kein Aufruf dabei, sondern ganz einfach eine Feststellung, dass es einen Stillstand gibt.

Der andere neue Song ist von dir, Alexander, geschrieben. Ich habe habe gelesen, dass sich der Song auf einer sehr emotionalen Ebene bewegt, kannst du das näher beschreiben?
A: Nee, das habe ich wahrscheinlich im Kontext gesagt, verbunden mit "in the chains of..". Weil er im Vergleich halt emotionaler ist. Es soll sich im Endeffekt jeder ein Bild von machen, was er da sehen möchte.

Wie funktioniert bei euch eigentlich das Songwriting?
A: Es ist ganz unterschiedlich, da gibt&Mac226;s keine Regeln. Es ist halt so, dass wir im Studio zusammenkommen, mal hab ich nur ein Text, mal auch die Musik dafür im Kopf und wir arbeiten dann zusammen an der Komposition.

Kommt es auch mal zu Auseinandersetzungen oder seid ihr ein eingespieltes Team?
(Anm: Beide starteten eine kleine Diskussion untereinander)
A: Man weiß halt was man seinen Gegenüber anbieten kann.
E: Man kennt den Argwohn des anderen.

Wie wichtig sind im Bezug auf Deine Lakaien eure jeweiligen Soloprojekte und das ihr euch hier ausleben könnt?
E: Das Ausleben passiert ganz automatisch. Und wenn die eigene Produktion fertig ist, freut man sich auch wieder darauf als Deine Lakaien zusammenzuarbeiten.

Ist Musiker für euch ein Traumberuf?
E: Für mich schon.
A: Es ist für mich immer schwierig, es als Beruf zu sehen. Es ist halt einiges lästig, anderes ist wunderschön. Es gibt Berufe in denen ist alles lästig. Damit sind wir schon priviligiert und in dem Kontext ist es schon ein Traumberuf.

Könntest du dir vorstellen, etwas ganz anderes zu machen?
A: Nicht wirklich vorstellen (Anm.: Erneut begannen die beiden zu diskutieren und Ernst erzählte von seinem "geregelten" Tagesablauf)
E: Ich geh morgens um 10 mit einen sehr genauen Rahmen ins Studio.
A: Aber du hast keinen Chef, der dir sagt, was zu tun ist.
E: Das ist was anderes, es ist natürlich schön, dass man sein eigener Herr ist und das ist entscheidend. Allerdings ist es nicht so, wie viele denken, das man andauernd Zeit hat. Im Studio kommst du nie mit einen 8 Stunden Tag aus.

Wie sieht es mit dem Privatleben bei euch aus?
A: Das leidet schon ein wenig. Wir sind beide Väter und da ist das nicht so einfach. Wenn wir eine neue Produktion machen, sehen uns die Kinder in der Woche nur kurz und wenn wir auf Tour sind mal vier Wochen überhaupt nicht. Musikerehen halten ja eh nicht, das liegt wohl auch an den Unterschieden zwischen Normalleben und dem ständigen "Auf Tour" sein. Besonders "Auf Tour" wird man ja quasi entmündigt und zum Kind degradiert, fehlt nur noch, dass man gefüttert wird. Man kriegt gesagt, wann man auf die Bühne soll. Man kriegt gesagt, wann man aufstehen soll. Man kriegt gesagt, wann Frühstück ist. Man kriegt gesagt, wann man losfährt zum nächsten Ort. Man wird richtig Debil, wenn man nicht aufpasst, find ich.
E: Find ich überhaupt nicht, für mich ist es im Grunde, wie eine Urlaubsfahrt mit Vollpension.
A: Aber es ist trotzdem so, dass man kaum selbständig Entscheidungen treffen muß, bzw. kann, das meine ich.
(Anm: Ich brauche kaum zu erwähnen, das es auch hier zu einer weiteren Diskussion unter den Beiden kam)

Teilweise wird die Tour gefilmt, ist eine DVD in Planung?
E: Wenn wir gutes Material haben, machen wir eine. Es kommt z.B. jemand nach Potsdam und filmt den Auftritt dort. Wir müssen uns das Konzet anhören und anschauen, wobei ich beim Anhören wesentlich weniger sorgen habe, weil wir einige Konzerte mitschneiden und dabei bestimmt ein guter Schnitt bei raus kommt.

Wie steht ihr insgesamt zum neuen Medium DVD?
(Anm.: Unfassbar, aber selbst bei dieser harmlosen Frage beginnen die Beiden zu diskutieren)
E: Es ist die bessere Videokassette. Es ist in der Form überhaupt kein Ersatz für eine CD.
A: Und schon gar nicht für ein Konzert.
E: Es ist allerdings auf jeden Fall ein Schritt nach vorn, auch für einen Musiker, je nachdem wie er konditioniert ist. (Anm.: Was meint Ernst nun wieder damit?). Die Bildkomponente sollte nur bei bestimmten Sachen sein, ansonsten nicht, denke ich. Die interaktiven CDs gefallen mir überhaupt. Nur damit man sich irgendwo her einen zusätzlichen Käufer rausfischen kann mit einem zusätzlichen CD-ROM Teil für interaktive Spielchen, das mag ich nicht.

Die Live Präsentation der Songs ist meist konträr zur Aufnahme auf CD. Ist im Vorfeld schon klar, was ihr verändert?
E: Es gibt natürlich Vorüberlegungen. Erstmal welche Stücke man verändern kann oder sollte und dann das Wie. Außerdem finde ich, dass ein Stück auf der Bühne schon anders klingen sollte als auf CD, weil es halt auch ein ganz anderes Medium ist.

Alexander, bist du manchmal überrascht, was Ernst mit seinem Klavier macht oder wie er es spielt?
(Anm.: Wie ihr euch denken könnt, eine saublöde Frage für eine konstruktive Antwort und erneut begann ein kleines, sehr witziges Wortgefecht unter den Beiden)
A: Ich hab hier schon einen gewissen Masochismus entwickelt. Ich find das sehr schön, es ist doch was ganz anderes als diese ewigen DAT Konzerte. Halt so stinklangweilig, wo man nachher sagt, aber die Light Show war doch gut. Das ist doch Quatsch, ich will doch keine Light Show sehen, ich will Musik hören. Wenn es jetzt so ist, dass man die CD hört und 80 bis 100 Meter Entfernung zwei Figürchen, die man zur Light show auf der Bühne rumzappeln sieht, das ist dann wirklich keine zwanzig Euro wert.

Gibt es einen Song, welchen ihr nicht mehr gerne Live spielt?
(Anm.: und the Diskussion goes on and on)
A: Einen?
E: Zum Beispiel "Dark star". Allerdings sind jetzt wieder neue Musiker dazu gekommen, dann macht es wieder Spaß ihn zu spielen.
A: Wenn wir "colour Ize" immer noch so spielen würden, wie beim ersten Mal, dann ab in die Tonne. Man muß mit seinem eigenen Material auch arbeiten.

Mit "colour Ize" habt ihr eine sehr engagierte Fanbase, wie wichtig ist diese für euch?
A: Es ist schon gut zu wissen, dass dort Leute sind, welche den ganzen Informationsbedarf der Fans abdecken und untereinander kommunizieren. Irgendwann war es für mich nicht mehr zu bewältigen gewesen. Ich konnte halt die Briefe nicht mehr alle beantworten. Viele Sachen werden mir dadurch halt abgenommen und müssen nicht mehr an mich herangetragen werden. Es ist sehr schön, dass man derart Engagierte hat.

Seht ihr das Internet auf die Musik bezogen eher als Segen oder Fluch?
E: Für 'ne Verbreitung, die man sich weltweit vorstellt, das ist jetzt gar nicht markttechnisch gemeint, sondern das Leute einen in Chile oder sonst wo mal hören, dafür ist das Internet schon schön.
A: Das Gute ist halt, dass man sehr schnell an die verschiedensten Informationen kommen kann. Was ich ganz besonders schätze ist, zu erfahren, dass es Menschen gibt in der Ukraine, in Mexico, in China, die einen einladen wollen, die deine Musik kennen. Das wäre früher völlig undenkbar gewesen.
E: Die Bands, die jetzt sagen ich vertreibe meine CDs jetzt im Internet oder ich gehe zu einem Internet Label, die gehen genauso unter wie sonstwo.

Ihr wart mal in den deutschen Charts auf Platz 5.
Besserwisser A: 4
Tschuldigung, aber es scheint als wäre es euch wichtig?
A: Nee, das hab ich nur gesagt, weil sonst jeder mit der 4 kommt, der magischen 4. Mir ist es völlig wurscht ob wir auf Platz 4, 5 oder 8 sind. Ich kenn' doch das System, das ist doch alles Quatsch.
E: Wenn wir jetzt auf Nummer 1 gewesen wären, dann ändert sich unheimlich viel. Dann kommen nämlich die ganzen Mainstream Medien daher. Bei uns war es fast ähnlich, z.B. waren wir bei einer Fernsehsendung, zu der man nicht unbedingt hingehen sollte. Dann stürzen völlig andere Sachen auf dich zu.
A: Ich finde es wesentlich wichtiger, dass wir seit so vielen Jahren präsent sind. Ich finde nicht erstrebenswert, irgendwo als Talkgast eingeladen zu werden. Besonders schlimm ist es, wenn man dann in Zeitschriften, wie die Bunte kommt. Ich kann mich noch erinnern an die Frau von Bunte, die nun wirklich von gar nichts eine Ahnung hatte.
E: Wir haben ein Interview mit der Bunten gemacht?
A: Ja
Amboss: Aber die wusste wenigstens genau, dass ihr auf Platz vier ward.
A: Ja, genau. Dann fragt die Dame doch tatsächlich, seid ihr so eine Band wie Rammstein und würden wir denn auch auf der Bühne mit Feuer spucken. Ich hab dann gesagt: "ne, wir köpfen Tiger" oder irgend so einen Blödsinn. Das sind halt diese Art von Journalisten, die nur blöd sind.

Ihr habt ja mittlerweile eine Menge Alben herausgebracht. Gibt es eins, welches euch besonders am Herzen liegt oder besonders wichtig war?
E: Puh, wichtig war natürlich sicher die "Kasmodia", weil es eine Art Wiedereinstieg war. Es gibt dann die Sachen, die in sich stimmig sind. Ich persönlich finde z:B. "Second star" sehr stimmig. Ansonsten wechselt es halt. Man hat zu seinem eigenen Zeug ansonsten keinen richtigen Zugang. Du hörst es natürlich hunderttausendmal und nach der Fertigstellung hängt es dir erst mal zum Hals raus.
A: Ich gehe nicht nach den Alben, in dem ich sage dieses oder dieses ist gut, sondern ich weiß, welcher Song mir gut gefällt. Es geht mir eher um die Lieder als um die Alben. Mich ärgert dann eher im Nachhinein, das ich bei der Herstellung des Covers aus Zeitmangel nicht mehr dazu beigetragen habe.

Habt ihr eigentlich Einfluß auf die Konzertpreise?
(Anm.: fortan diskutierten Alexander und Ernst um vergangene Konzertpreise und schienen ein wenig überrascht, daß das heutige Konzert knapp über 20 Euro kostete)
A: Es ist halt so, dass wir natürlich aufpassen, dass man nach oben hin eine Grenze macht. Ich nehme als Vergleich dann die Konzerte in Berlin, welche ich mir bewusst zu dem Zeitpunkt angucke. Da habe ich eigentlich festgestellt, dass sich unsere Konzertpreise im unteren Drittel befinden.