UNTOTEN "Die Blutgräfin" (schwarzromantisches Singspiel)
(von Grafenwald)

Das aktuelle Werk der Berliner beschäftigt sich mit der sagenumwobenen Gestalt der Madame Bathory (1560-1614 / Spitzname: Blutgräfin). Der Untertitel (ein schwarzromantisches Singspiel) dieser Doppel CD lässt dann auch ein wenig den Fahrplan der musikalischen Reise deutlich werden. Wie schon auf der vorhergehenden Trilogie "Grabsteinland" besticht man wieder mit dramatischer Düstermusik, bestechender Ästhetik und verspieltem Musical Touch. Das erneut dicke Booklet beherbergt nicht nur die Texte, sondern dient eher als Drehbuch. Erneut ein Werk, welches nicht einfach abzuhandeln ist.

Musikalisch gleitet man auf einem dunklen elektronischen Teppich, lässt leichtfüssig kammerorchestralische Fragmente einfließen. Arbeitet mal druckvoll, dann wieder balladesk. Trotz sphärischer Spitzen bleibt der Gesamteindruck bedrückend und auch wenn man durchaus mal mit lieblichen Melodien spielt und Greta ihr samtenes Stimmbändchen erneut elegant in die Szenerie wirft, bedient man sich den dunklen Klängen. Das Gesamtwerk ist ganz großes Kino, trotzdem ragt gleich in einer frühen Phase das betörende "Blutrot, die Liebe" heraus. Ein Kleinod des verführerischen Gothics. Die sphärische Leichtigkeit, die Melodie, der Duettgesang, der Text, alles ein in sich stimmiger Konstrukt. "Geistermädchen" hat eine sakrale Komponente und wenn Henriette am Schluß spricht, kann das keinen kalt lassen.

Zwischenspiel: Die Handlung spielt zunächst 400 Jahre später. Das Schloß wird für einen Event missbraucht. Henriette, eine der Kandidaten dieser Show, erwacht nach einer Schreckensnacht 400 Jahre früher und trifft auf Elisabeth, die dem Mädchen ihre Schreckensgeschichte erzählt. Diese Geschichte ist quasi in drei Teile unterteilt. Einmal Elisabeth als Kind, dann als Frau, die im Garten des Todes lebt, und zuletzt als alte Frau, die in einer verschlossenen Kammer dahinvegetiert.

Faszinierend, wie Henriette der Blutgräfin verfällt. Nicht einfach dass, sondern wie Greta dieses stimmlich umsetzt, um sich im folgenden "Die Hure der Finsternis" wieder in die Stimmbänder einer alten Frau zu versetzen. Zwar ist die instrumentale Unterstützung immer gelungen, aber nach kurzer Zeit hängt das Ohr einfach nur an Greta. Sie ist eine Diva und ihr gelingt dieses rein mit dem Ausdruck des Gesanges. Und dann erhebt sich mittendrin der Schakal des durchdringenden Goth Rock in Form von "Koste das Blut". Diese Balance zwischen melancholischer Elegie und druckvollen, tanzbaren Tracks, dieses schwierige Unterfangen gelingt der Band, als wäre es nichts. Und danach wieder dieser Hörspielcharakter, der den Hörer tief in das Geschehen zieht. "Bluthochzeit" spielt dann in der Hochzeitsnacht von Elisabeth und Ferenc. Wir erleben einen epileptischen Anfall und ein bizarres Ballet der anderen Mädchen (um mal kurz ins Drehbuch zu schielen). Akt 1 endet damit, dass die Butgräfin eingemauert werden soll, der Schluß des Stückes "Jedem das Seine" hat dann etwas von E.A.Poe's "House of Usher".

Akt 2 beginnt mit Trompeten und bedrückendem Orchester, jetzt geht es in den "Garten des Todes" und es wird grausam und die UNTOTEN beschreiben dieses Grauen mit einer ganz eigenen Sprache. Die Musik wird minimalistischer und sperriger, um dann lieblich zu ummanteln, was nicht lieblich zu ummanteln ist. Die karge Ästhetik ist mit elektronischen Finessen durchsetzt und hier erschleicht sich erstmals die Soko Friedhof in das Geschehen. Der Beginn des zweiten Aktes ist durchsetzt von wirren Instrumentals und alptraumhaftem Geschrei, welche sich fast nebulös und geschickt in die Harmonie des Todes manövrieren. "Die Grube und das Pendel" verfängt sich dann in dieser Melodie und erzeugt einen Ohrwurm, der sich windend in die Gehörgänge frisst. "Die Zeit steht still" hat diesen naiv-erotischen Charakter. "Hexenreich" lässt Greta in wilder Hysterie versinken, während die Musik die Elektronik stampfend darbietet. Ein kurzer, heftiger Song.

Angesichts der Geschichte ist die Beschreibung "wunderschön" zwar etwas mahnmalisiert, aber anders kann man dieses Werk nicht einordnen. Die UNTOTEN befinden sich im musikalisch dunklen Sektor nicht auf einer anderen Insel, sondern auf einem anderen Planeten. Im wahrsten Sinne des Wortes stellen sie alles andere dieser Richtung in den Schatten. Wenn sie sich mit "Grabsteinland" bereits ein Denkmal geschaffen haben, sind sie nun mittendrin im Bau einer Pyramide. Großartig!!!
Info: www.myspace.com/untoten / www.untoten.com (andreas)


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