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GOETHES ERBEN "nichts bleibt wie es war" (Lyrik Wave)
(Indigo/Zeitbombe)

Es gibt nicht viele Bands, welche mich in einem Zeitraum von zehn Jahren immer wieder aufs neue faszinieren. Goethes Erben sind mit Sicherheit eine davon. Ihr aktuelles Werk beginnt mit dem, bereits zuvor als Single veröffentlichten, elektronischen "der Eissturm". Danach gibt es minimalistische Instrumentierung zwischen Barock und Klassik. Das Gehör wird geschickt auf die Erzählungen Oswalds gelenkt. Fast unbemerkt dringt man hernach in seine wirre Gedankenwelt ein. Sehr ruhig und gefühlvoll erwacht man in einem Kindertraum. Wie durch eine imaginäre Spieluhr in Trance versetzt, entschläft man der Realität. Der erste Traum ist ein wunderschönes Märchen ("Glasgarten"), welches durch den melodischen Harmonie-Gesang Peter Heppners ein Gefühl der Geborgenheit verbreitet. Die sprachliche Erzählkunst Henkes trifft auf die betörende Intensität Heppners. Für viele wahrscheinlich der beste Song des Albums, für mich schrammt man gerade noch am Kitsch vorbei. Damit verlassen wir auch schon den ersten Teil des Albums und finden uns in zornigen Utopien wieder. (Kurze Erklärung: Das Album ist unterteilt in "Zeit nachzudenken", "zornige Utopien" und "Resümee"). In diesem Teil zeigen sich die Erben sowohl musikalisch als auch textlich von der extremen Sorte. Zu Beginn steht die deutschsprachige Überarbeitung des "Still Silent" Stückes "shockwaved". Überraschend auch im weiteren Verlauf, die immer wieder auftretenden harten Gitarren. Der passende Kontext zur lieblichen Melodieführung. Zartbesaitete werden beim Text von "Fleischschuld", bei der gedanklichen Verarbeitung der Erzählung, sicherlich die Toilettenschüssel von innen beschauen. Oswald Henke beschreibt hier eine nicht ganz so visionäre Zukunft, in der man seine Schuld mit seinem eigenen Fleisch bezahlt. Dagegen ist die Todesstrafe ein Segen Gottes. Das über neun minütige Endstück dieser Passage bildet "Zimmer 34". Zwischen Neubauten und Charles Bukowski bewegt sich Oswald in einer Welt der Kälte. Der gesamte "Gesang" kommt hier vom Diktiergerät. Zu Beginn vollkommen ohne musikalische Unterstützung auskommend, entwickelt sich das ganze zum Industrial Orkan der experimentellen Sorte. Mit dem traurigen "Nur ein Narr" erwacht man schweißgebadet aus seinem Alptraum, oder war es Realität? Die vier Schlußstücke des Resümees scheinen einen versöhnliches Happy End zu bieten. Es ist aber eher ein Moment der Innehaltung. Ein Aufruf an die Menschheit, ihre heutigen Werte noch mal zu überdenken. So gesehen ist "nichts bleibt wie es wahr" ein Werk zwischen Kunst und Botschaft. (andreas)


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