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WITT "Eisenherz" (NDW-Wave)
(Sony)

Das dritte Album des Bayreuth Zyklus, diesmal nicht nach der süddeutschen Stadt benannt, sondern nach einem metallenen Körperorgan, welches auch als Single erhältlich ist. Passender Weise ist der Opener dann auch mit dem Titelsong gut gewählt. Rhythmus und Gesang verschmelzen zu einer Einheit und der Song besitzt einen Refrain, der direkt ins Ohr geht. Liebliche weibliche Backing Vocals unterstützen den durchdringenden Gesang von Joachim Witt. Der weitere Verlauf des Albums bietet dann allerdings eine ganze Menge Überraschungen. "Der Teufel" führt uns zurück in die NDW Zeit. Die damit verbundene Rückkehr des Stakkato Gesangs erinnert stark an Songs wie "Herbergsvater". Die zu Beginn dezent gesetzte Instrumentierung explodiert am Ende ebenso wie der Gesang. Witt bewegt sich auf dem Album textlich zwischen pathetisch angehauchten oder plakativ sexistischen Stücken und wandelt teilweise auch auf dem schmalen Grat zum Kitsch. Musikalisch fällt die Ohrwurmlastigkeit des Chorus als erstes ins Gehör. Teilweise mimt Witt hier den Schlagerbarden, findet aber immer die Kurve, um nie in Peinlichkeit zu versinken. Auch wenn Songs wie "steif" oder "ich bin schwul" beim erstmaligen Hören ein Kopfschütteln hervorrufen. Fremdartig wirkt die im fast volkstümlichen "Fliegen" die Flamenco Gitarre, auch bei diesem Song wird Witt von seiner Freundin Nadja Saeger (welche diesmal wieder vier Texte zusteuerte) gesangstechnisch unterstützt. In "supergut und supersaut" holt Witt zum großen, sozialkritischen Rundumschlag aus. Hier set zt er eher auf Rhythmus als auf eingängige Melodielinien, wodurch man geschickt das Gehör auf den Text richtet. "Ich bin schwul" ist ein getragenes Stück mit einer ganz eigenartigen Prosa. Anhand solcher Textpassagen (Refrain) wie "ich bin schwul, das weiß ich genau, Himmelblau meine Welt, wenn du willst, bin ich heut' deine Frau" usw. weiß man nicht, ob man lachen oder weinen soll. Dagegen wirkt das morbid, verträumte Schlußstück "Trauer liegt überm See" wie ein sinnlicher Erguss. Witt provoziert und versucht evtl. auch unbewußt den Hörer zu spalten. Variabel wie sein Gesang, sind Texte und Musik einer ganz eigenen Art unterworfen. Witt wird mit diesem Werk anecken, ganz einfach weil er fremde Strukturen ins Songwriting einbaut. Er bedient sich Melodien, welche meine Mutter zum Zunge schnalzen bringen und gleichzeitig erzeugt er kompromisslose Songs, deren Härte in einen dezenten Wattebausch gepackt werden. Der Neue Weg, welcher mit Bayreuth 1 begann, hat nun mal kleinere Pfade, die in die Vergangenheit führen. Und man merkt Witt sichtlich den Spaß an, den er beim Begehen dieser Richtungsänderung hat. Ob wir nun folgen, sollte jeder für sich entscheiden, ein Versuch ist es auf jeden Fall wert. (andreas)


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