ANATHEMA "We're Here Because We're Here" (Alternativ Rock)
(Kscope)

Knapp sieben Jahre nach "A Natural Disaster" ist nun endlich mit "We're Here Because We're Here" ein wirklich neuer Longplayer von ANATHEMA erschienen. Das neue Album bewegt sich im Wesentlichen in den stilistischen Gefilden des Vorgängers. Das war nicht unbedingt zu erwarten, denn die musikalische Entwicklung von ANATHEMA war ja bisweilen durchaus von erheblichen Wandlungen geprägt. Jetzt scheint es aber tatsächlich so, als ob sich die Band längerfristig im Genre des Alternativ Rock einrichten möchte. Wobei die Gruppe freilich für eine Variante des Genres steht, bei der die melodischen und atmosphärischen Seiten besonders betont werden. Dass die Band dazu in der Lage ist, auch in diesem Genre zu überzeugen, wurde ja bereits mit der Scheibe "A Natural Disaster" eindrucksvoll bewiesen. Leider reicht die Qualität von "We're Here Because We're Here" nicht ganz an die des Vorgängers heran. Trotzdem ist die aktuelle Scheibe eine empfehlenswerte Platte, die mit herzergreifender Musik zu verzaubern weiß.

Der Hörer wird zumeist mithilfe von ziemlich ausschweifenden Songstrukturen umgarnt. Allein der Song "Get Off Get Out" fällt durch einen relativ schnörkellosen Aufbau auf. Doch auch mit dieser recht lässig rockenden Nummer kann die Band punkten. Gleichwohl wird selbst hier deutlich: ANATHEMA ist im Jahr 2010 nicht gewillt, auch nur ein einziges Mal richtig hart oder wirklich temporeich in die Saiten zu greifen. Das liegt bestimmt auch daran, dass die ehemalige Gothic-Metal-Gruppe mittlerweile in ihren Texten Inhalte thematisiert, die sich nicht gerade dazu eignen, durch musikalische Brutalo-Orgien der rasanteren Sorte transportiert zu werden. Tatsächlich kreisen die meisten Lieder in überaus hoffnungsfroher Manier um die folgenden Themen: Unsterblichkeit der Seele, Friedenssehnsucht des Menschen und die angeblich alles überstrahlende Kraft der Liebe. Bei dieser thematischen Ausrichtung verwundert es nicht sonderlich, dass die Musik mitunter etwas kitschig daherkommt. Stimmungsmäßig bleibt zwar noch Platz für eine ordentliche Portion feierlicher Nachdenklichkeit, doch die düsteren und melancholischen Zeiten scheinen bei ANATHEMA endgültig vorbei zu sein. Dementsprechend jubiliert und trällert Sänger Vincent Cavanagh zumeist auf eine Weise, dass man glaubt, er saß bei den Aufnahmen auf der sprichwörtlichen Wolke Sieben. Dass in diesem Musikkosmos auch immer wieder helle und warme Klavierklänge zum Einsatz kommen, versteht sich fast von selbst.

Man sollte diese Scheibe nicht gerade hören, wenn man einen schlechten Tag hatte. Denn dann könnte es sein, dass man mit dieser Lobeshymne auf das Leben rein gar nichts anzufangen weiß. Doch wer sich zumindest in einer halbwegs neutralen Stimmung befindet, für den dürfte es sich lohnen, dieser CD eine Chance zu geben. Womöglich trägt sie den Hörer dann sogar in einen Seelenzustand puren Glücks. ANATHEMA scheint diesen Glückszustand erreicht zu haben. Dafür spricht zumindest die äußerst optimistische Musik dieser CD. Es ist Musik, die zum Träumen von einer Welt einlädt, in der die Liebe den Hass besiegt hat. Speziell bei den betörenden Songs "Everything", "Presence" und "Hindsight" wird diese besondere Form der Beseeltheit von ANATHEMA greifbar. So ist die Scheibe letztlich vor allem ein heißer Tipp für überzeugte Hippies und solche, die es vielleicht noch werden wollen. Sollte es wirklich einen Latzhosenhimmel geben, wird dort bestimmt auch diese CD zu hören sein. www.anathema.ws (stefan)


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