SIMPLE EXISTENZ "Das Leben vor dem Tod" (Black Rock / Metal)
(Van Records)

Tja, da habe ich fast einen Fehler gemacht. Nach dem ersten halbherzigen Hördurchgang fiel mir auf, dass die SIMPLE EXISTENZ keinen reinen, rasenden, wütenden, harschen Black Metal liefert, sondern musikalisch deutlich gemäßigter, ja beinahe mainstreamiger rüberkommt, als man es von Zorn (u.a. ex-NAGELFAR) erwarten würde. Auch sprechen die Texte eine teilweise klare Sprache und erzählen Geschichten und Gedanken und der Gesang erinnert mich in manchen Momenten an eine Mischung aus LACRIMOSA und IN EXTREMO. Wenn jemand auf Deutsch singt und diese Art von Geschichten erzählt, läuft er Gefahr in eine Banalität abzurutschen, die peinlich werden kann. Sehr viele Eindrücke prasseln also während der ersten Minuten auf mich ein und ich musste mich erst einmal sammeln, lege das Werk beiseite, um es zu gegebener Zeit zur Hand zu nehmen.

Was nach dem erwähnten ersten Durchgang befremdlich auf mich wirkte, entfaltet Tage später bei näherer Betrachtung eine Macht, wie ich sie lange nicht erlebt habe! Die wichtigsten Aufgaben, mit denen sich ein Großteil unserer Gesellschaft heutzutage beschäftigt ist, was heute Nachmittag in der Glotze läuft, über Dinge zu motzen, die man ändern könnte, aber "die anderen machen ja auch nichts" und man poliert den Schein einer maroden Fassade, ohne den Kern eines Problems zu packen und den Knoten der persönlichen Probleme für sich selbst zu lösen.

Wenn man es aber zulässt, sich mit persönlichen Themen auseinander zu setzen, findet man auf "Das Leben vor dem Tod" ein Quell an ehrlichen Texten, Denk-Anstößen und Aussagen, die tief in die Seele des Künstlers blicken lassen, wenn er besondere Aspekte der menschlichen Existenz herauspickt und textlich verarbeitet und gleichzeitig reflektiert man die eigenen Probleme und Ängste, was heutzutage nicht die Regel und vor allem nicht immer angenehm ist. Aber entgegen anderer deutschsprachiger Künstler, versteht Zorn es, mich völlig kitschfrei zu berühren.

Drei Beispiele, anhand man den Wert dieses Album nicht hoch genug einstufen kann:
"Helden dieser Welt" ist ein wunderbarer Weckruf an alle, ihre Kraft zu nutzen und selbst zu Helden zu werden und für mich persönlich ist es der beste Text des Album, strotzt dem Grunde nach vor positiven Anstößen und einer gleichzeitigen Verbitterung, die entsteht, weil solch ein Text nötig ist. Hervorragend!
"Schaben" ist der Abschluss-Hammer, bei dem Zorn seinen alten Weggefährten Jander aus NAGELFAR-Zeit aktivieren konnte, damit er sich textlich und gesanglich einbringt. Und was draus geworden ist, ist ein brachiales Stück, welches vor Ausdruck, Emotionen und Energie beinahe zu bersten droht. Ich weiß zwar nicht, was Jander so treibt, aber es wäre schon tragisch, diese Ausdruckskraft musikalisch ungenutzt zu lassen.
"Der sterbende Mann" behandelt die Sicht Zorns auf Selbstmord und macht den Blick in das hervorragend gestaltete Booklet zu einem Muss, denn dem illegalen mp3-Blutsauger werden viele persönliche Anmerkungen entgehen, die aber absolut lesenswert sind (wie z.B. auch zu den Tracks "Schaben" oder auch "Harren und Hoffen"). Gleichzeitig empfehle ich die Webseite www.simple-existenz.de, auf der man noch weitere Hintergründe zu den Texten und Gedanken bekommt.

Die Mischung aus Rock und Metal, natürlich einer Portion Black Metal (wenn auch wohl dosiert) mit den Texten ergibt ein Werk, welches unter die Haut geht und nicht mehr den Kopf verlässt. Ihr müsst es nur zulassen. (chris)


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