REBENTISCH "Unter der Stadt" (Elektro Wave / Experimental-Wave)
(Danse Macabre/afmusic/ALIVE)

Der gute Sven führt uns mit seinem neuen Album erneut in die Abgründe der menschlichen Seelen. Aber er ändert sich, er wird experimenteller. Waren früher seine Texte noch von wohltuenden Synthieklängen begleitet, existiert heuer nur ein absolut bedrohlicher, kalter Moloch. Konnte man früher, selbst bei diesen Texten, noch einen musikalischen Hoffnungsschimmer entdecken, ist heute nur noch eine brach liegende unterkühlte Schwere des Industrials vernehmbar. Wohl niemals war eine derartige Depressivität erkennbar. Wie Sven singt, wie unterkühlt die Elektronik als Begleiter funktioniert, würde ich hier ganz klar von der musikalischen Rasierklinge für Suizidale sprechen. Wo früher noch irgendwo eine Hoffnung, ein Licht existierte, ist heuer nur eine extrem bedrückende Stimmungslage. Selbst die homoerotischen Liebeslieder besitzen im Mark die Träne der Traurigkeit.

Sven agiert konträr zur aktuellen Musik, Gott sei Dank schert er sich einen Scheiß um irgendwelche Meriten. Er macht das was sein Herz, sein Geist und seine Seele musikalisch und textlich verarbeiten (muß) kann. Heraus kommt eine Musik, deren Kälte einen isländischen Vulkan löschen könnte, mit der Wärme, die dezent zwischen den Zeilen aktiv wird, die gleiche Erderuptur aber auch wieder auslösen kann. Machen wir uns nichts vor, Sven wird seine Musik weder gewinnbringend, noch charakterverändernd in das Volk schmeißen. Dafür wären Texte und Musik aber auch viel zu schade.

Es ist ein wahnsinnig persönliches Album. Titel und Cover sind hier nicht wahllos gewählt. Wer mal ein wenig in die Seele von Sven blicken durfte, versteht einiges. Die geschminkte Ratte auf dem Cover ist auf der einen Seite Sven selbst, auf der anderen Seite das einzige Lebewesen, zu dem er vertrauen fand.
Wenn man dieses Album mit diesem Hintergrund betrachtet, ist es mehr als Musik, es ist auch eine Entblößung, eine Nacktzeichnung eines denkenden Menschens. Musikalisch herrscht nicht immer eine Konformität mit meinen Ohren. Evtl. ist es auch eine bewußte Abweichung von adeliger Grafschaft.

Wie kann der Hörer heutzutage einem Künstler gerecht werden? Es geht nicht über Konsum, es geht über Beschäftigung mit Texten, mit Musik, warum ist dieser kühle Ton Begleiter dieses Textes. Sven verlangt viel von seinen Hörern, egal, welche Musik wir bevorzugen, er hat Zuhörer verdient.

Ich weiß selbst nicht, wo ich dieses Werk einordnen würde, aber ich weiß, dieses Album ist durch Ehrlichkeit, eine gewisse Aufopferung und ein gehöriges Maß an Selbstreflexion entstanden. Neben dem normalen Zuhören empfehle ich das Lesen der Texte, evtl. ein Blick in den Spiegel.

Fazit: Nichts für Normalhörer, auch nichts für Unheilige. Eher für Leute mit punkigem, gesellschaftlich kritischem Hintergrund, deren Gehör nicht auf Parolen dressiert ist, sondern es auch zulässt die Persönlichkeit des Zweiflers existent werden zu lassen.

Hören sollten dieses Album alle!!!!! www.myspace.com/rebentisch (andreas)


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