NEBELHEXE "Dead Waters" (Atmospheric Dark Wave)
(Amber Autumn / Candlelight Records)

Wie die Zeit vergeht: Mit "Dead Waters" hat die "Nebelhexe" Andrea Haugen bereits ihren dritten Longplayer am Start. Vergleicht man den aktuellen Output mit den beiden Vorgängeralben stellt man fest, dass sich in der musikalischen Hexenküche Haugens kaum etwas verändert hat. In diesem Fall ist das sehr erfreulich, denn so kommen erneut bewährte Klangrezepte voller Magie und Zauber zum Einsatz. Haugen präsentiert abermals einen fulminanten Stilmix, der trotz seiner Vielgestaltigkeit eine überzeugende Einheit bildet.

Bei den dargebotenen Kompositionen wird regelmäßig mit folkloristischen bzw. weltmusikalischen Stilelementen gearbeitet. Dazu passt, dass die Percussion zumeist mit einer markanten Rhythmik agiert. Trotz dieser Rhythmuslastigkeit sind die meisten Lieder von einer betörenden Melodik erfüllt. Häufig kommen dezente Gitarrenriffs zum Einsatz, die bei aller Behutsamkeit eindeutig den Geist des klassischen 80er-Jahre-Wave-Rock atmen. Der NEBELHEXE-Sound hat durchaus eine deutliche elektronische Schlagseite. Beispielsweise wird immer wieder mit prägnanten und zugleich hypnotischen Keyboard-Schleifen operiert. Erfreulicherweise führt der Einsatz technischer Hilfsmittel nicht dazu, dass der organische Grundcharakter der Musik Schaden nimmt.

Die Magie der präsentierten Klänge lebt nicht zuletzt von der charakteristischen und eindringlichen Stimme Haugens. Wie eine Schamanin führt Haugen den Hörer mit ihrem beschwörenden Gesang durch ihre dunklen und atmosphärischen Musiklandschaften. Oftmals nutzt sie ihre eher tief klingende Singstimme nicht nur zum textlichen Vortrag, sondern auch zum lautmalerischen Gesang, was den Songs noch eine weitere phantastische Ebene verleiht. Dass die meisten Tracks mit einem gemächlichen Tempo gesegnet sind, versteht sich fast von selbst: Wie sollte sonst das kontemplative Grundkonzept dieses einzigartigen Musikprojekts realisierbar sein!?

Obwohl alle zehn Lieder der CD hörenswert sind, scheinen mir die Stücke "Digital Sleep", "Dead Waters" und "Beyond The Ninth Wave" besonders gelungen zu sein. Außerordentliche Anmut verströmt auch der Song "In My Dreams I Am Free". Bei dieser Komposition trägt Haugen vor der meditativen Kulisse sich ständig wiederholender sphärischer Soundcollagen ein Gedicht aus ihrem Buch "Dark Side of Dreaming" vor. Der allgemeine Ambient-Charakter dieses Tracks wird durch pulsierende Regengeräusche zusätzlich verstärkt. Wenn wir gerade bei Regen sind: In gewisser Weise spiegelt der NEBELHEXE-Sound zweifellos das Wetter und die einmalige Natur Norwegens, der Wahlheimat Haugens, wider. Denn genau wie die oftmals wolkenverhangene Urlandschaft Norwegens offenbart die Musik Haugens in ihrer Düsternis eine ergreifende Faszination.

Angesichts der wunderbaren musikalischen Zauberkünste ist zu vermuten, dass wir es bei der "Nebelhexe" nicht mit einer bösen, sondern mit einer guten Hexe zu tun haben. Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn man einen Blick auf die Rückseite des CD-Covers wirft. Dort wirbt Haugen gemeinsam mit der Plattenfirma Candlelight Records für die Tierschutzorganisation PETA. Wenngleich diese grundsätzlich zwingend notwendige Organisation in meinen Augen mitunter etwas zu radikale Positionen vertritt, ist es schön, zu sehen, dass es Künstler gibt, die sich für ein besseres Leben ihrer Mitgeschöpfe einsetzen. Zum Glück sind nicht alle "Gothic"-Künstler dem dümmlichen Lebensmotto "ich bin unpolitisch" verfallen. Weitere Infos: www.nebelhexe.com (stefan)


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