CHRISTIAN DRÖGE "Lycia Redux (DCD)" (Electro / Experimental / Psychedelic)
(Black October Records)

Es gibt kaum einen Künstler, welcher derart extrem den Rezensenten herausfordert. Es ist nicht die minimalistisch in prosaischen Glanz glänzende Musik, es ist erneut die geballte VÖ Wut. Denn Christian oder Lycia hauen uns erneut nicht eine CD um die Ohren, es ist ein ganzer Park, und textlich gesehen ein ganzer Themenpark. Christian gelingt es wie keinem Zweiten eine moderne Kunst mit dem Trübsal der Neubauten zu verbinden. Seine Songkreaturen sind Fragmente, durchdachte antimelodische Geschichten, in deren kleinen Wörtern ganz galant Kraft injeziert wird. Hier geht es nicht um Melodie, hier geht es um die Begleitung eines Alptraums. Christian ist kein Sänger, er erzählt und in seiner Erzählung bekommt die fast tonlos dahin vegetierende Musik ihre Macht. Es sind keine Melodien, eher sind es surreale Gemälde, welche hier mit schwarzer Tinte gemalt werden. Eine Reduzierung auf das Wesentliche, teilweise bedrückend, teilweise abnorm.

Ganz schwer einzuordnen, ein musikalischer Film Noir mit einer ganz herben morbiden Note. Hier existiert schwer verdauliche Kost, hier wird Musik auch mal gerne in seiner Kunstform negiert. Wenn man sich die Texte zu Gemüte führt, kommt der Gymnasiast eher zu Nietzsche, als zu Rilke. Und immer wieder ist der frühe Blixa existent. Subvoluminöse Klangstrukturen begleiten einen Sprachgesang, der sich fast erhebend beklagt. In seiner konstruierten Mitte longiert eine tiefe Dunkelheit, welche sich schwer auf des Hörers Neigung setzt. Die krachig, durchdringenden Exponate zeugen von Kraft und doch beherbergen sie eine bedrohliche Zerbrechlichkeit. Christian arbeitet mit reichlich Computer, er nutzt die Möglichkeiten. Gleichwohl ist diese krachige Konzeption eine betörende Negation der Melodie. Christian und sein Projekt will gar nicht als musikalische Offenbarung in die Geschichte eingehen. Eher (so scheint es) will er Leute ganz dezent auf Missstände aufmerksam machen. Er fransiert seine Musik auch mal unkompensiert in den Moloch der Dunkelheit. Faszinierend ist die gewaltige Darstellung, wobei der Hörer Messer, Vorhang oder Dusche sein kann. Das Gemälde an der verlorenen Wand wird zum akustischen Hauch der Extravaganz. www.virb.com/christiandoerge (andreas)


CHRISTIAN DRÖGE "Antiphon" (Electro / Experimental / Psychedelic)
((Black October Records)

Unglaublich, auch diese einzelne CD beherbergt fast zwei Stunden Musik. Die Grundstruktur dürfte der Filmmusik angelehnt sein. Christian opfert hier keine Energie, er lässt die Songs fliessen. Teilweise ist erneut die Negation der Melodie zu Gunsten einer abnormen Musikwelt tragend. Es ist eine wahnwitzige Erzählung untermalt mit minimalistischer Elektronik. Christian schert sich einen Scheiß um komfortable Melodielinien, seine Kunst ist eher dem Free Jazz beheimatet. Kontrovers und komplett die Moderne negierend sondiert er düstere Fragmente. www.virb.com/christiandoerge (andreas)


CHRISTIAN DRÖGE "Moldavia" (Electro / Experimental / Psychedelic)
((Black October Records)

Regierte sogleich die abtrünnige Opferkeit, glänzt hier zunächst die klassische Theatralik. Die Stimme bekommt einen warmen Hauch, die Musik verstrikt sich nicht in ungehemmte Euphorie und die klar dargebrachte Gedichtode betört den Hörer unverzerrt. Es folgt ein Spielen mit der Klassik und ein Spielen mit der Anfang der neunziger existierenden Neuen deutschen Todeskunst, welches etwas despektierlich beschrieb, was sonst nicht erklärbar erschien. Christian ist in erster Linie ein Dichter, ein Dichter der Moderne, dessen Auswüchse sich nicht an Goethe manifestieren, sondern ganz klar an eine moderne Literatur, dessen Effekt eine kristallklare Beschreibung einer in sich selbst zutiefst verwobenen Gesellschaft generieren. Fast Hörspielartig sondiert Dröge seine Songs, verwebt sich im Dickicht einer losen Folge und kommt dann doch auf den Punkt. Es könnte auch immer wieder ein Komma, ein Ausrufezeichen oder ein Fragezeichen sein.

Fazit: Es ist alles, nur nicht einfach sich der Musik/dem Text zu nähern. Auf der anderen Seite ist es faszinierend sich einem sprachgewandten Menschen zu nähern, der für sich ein fast globales Intermezzo inszeniert hat. www.virb.com/christiandoerge (andreas)


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