BUCH "Schwarze Geister, Neue Nazis. Jugendliche im Visier totalitärer Bewegungen" (Gothic)
(Olzog Verlag)

Der Journalist und promovierte Politikwissenschaftler Rainer Fromm möchte mit seinem Buch über die Negativseiten der Gothic-Szene informieren. Dabei richtet Fromm den Focus vor allem auf den Rechts- extremismus, den Satanismus und den Vampirismus. Während die Verwerflichkeit des Rechtsextremismus unmittelbar einleuchten dürfte, sind hinsichtlich des Satanismus und Vampirismus ein paar erläuternde Worte zu verlieren. Diese beiden Lebenswelten können in einer liberalen Gesellschaft selbstverständlich nur dann als problematische Phänomene eingestuft werden, wenn dort Menschen gegen ihren Willen Gewalt erfahren oder andere strafbare Handlungen stattfinden. Da Fromm in seinem Buch ausschließlich dieses aufgeklärte Negativverständnis von Satanismus und Vampirismus verwendet, ist die Absicht seines Buches uneingeschränkt zu begrüßen.

Mit der Aussage, dass die besagten drei Phänomene nur in Randbereichen der Gothic-Szene eine Rolle spielen, liefert der Politikwissenschaftler eine ausgewogene Einschätzung der Sachlage. Hingegen neigt Fromm in Einzelfällen zur Panikmache, wenn er sich darüber auslässt, in welchem Umfang gewaltbeinhaltende Medien, die in der Gothic-Szene genutzt werden, für tatsächliche Gewalttaten verantwortlich sein sollen. Seine überzogenen Sichtweisen stützt der Autor auf Untersuchungen, deren Ergebnisse zum Teil abenteuerlich anmuten. Fromm schreibt beispielsweise Folgendes: "Der Zusammenhang zwischen Gewaltmedien und realen Gewalttaten kann als erwiesen angesehen werden. So ergab eine repräsentative Studie an hessischen Schulen, dass Gewaltmedien vor Peergroup, Schule und Familie zur einflussmächtigsten Bedingung für die Häufigkeit der Ausübung physischer Gewalt wurden."

Dass der besagte Zusammenhang in einigen wenigen Fällen eine Rolle spielen kann, möchte ich gar nicht bestreiten. Jedoch ist mir die Behauptung, dass der Konsum von Gewaltmedien die vorrangige Ursache für physische Gewalttaten sein soll, angesichts der komplexen sozialen Wirklichkeit moderner Gesellschaften zu eindimensional gestrickt. Zudem scheint die Studie den positiven Katharsis-Effekt von Gewaltmedien zu ignorieren. Schließlich gehen manche Wirkungsforscher davon aus, dass sich durch die Nutzung von Gewaltmedien bisweilen auch eine Neutralisierung realer Gewalterduldungen (personell, institutionell, strukturell) erzielen lässt. Letztlich erscheint es fraglich, ob eine Kosten-Nutzen-Rechnung bezüglich dieser Medien in der Bilanz wirklich negativ ausfallen würde. So gewinnt man bei den zitierten Untersuchungs- ergebnissen unweigerlich den Eindruck, dass die besagten Medien die Funktion eines Sündenbock übernehmen sollen, um die wirklich relevanten Ursachen für die Gewaltverbrechen in unserer Gesellschaft besser verschleiern zu können.

Dass sich Fromm in Ausnahmefällen solch zweifelhafter Ergebnisse bedient, sollte nicht vergessen machen, dass der Autor in der Regel sehr differenziert und einfühlsam agiert, wenn er den biographischen Werdegang von Straftätern schildert, die Bezüge zur Gothic-Szene aufweisen. Beim Lesen dieser Biographien stellt man dann erwartungsgemäß immer wieder fest, dass der Gebrauch von Gewaltmedien wahrscheinlich ein äußerst kleiner Faktor im Ursachengeflecht der betreffenden Gewalttaten gewesen sein dürfte. Dafür wird zum Teil auf tragische Weise deutlich, dass viele der späteren Straftäter zunächst selbst Gewaltopfer waren - sei es im familiären oder schulischen Zusammenhang - bevor sie in die Täterrolle schlüpften.

So schildert Fromm zum Beispiel die Hintergründe, die zum Amoklauf der beiden Schüler Eric Davis Harris und Dylan Benett Klebold an der Columbine High School von Littleton (USA) führten. In diesem Kontext wird ersichtlich, dass sich der Amoklauf wohl in erheblichem Umfang durch eine unter den Schülern herrschende Hackordnung erklären lässt, deren Opfer auch die beiden Schüler wurden. Der Gedanke, dass solche Hackordnungen nicht zuletzt ein Spiegelbild gesamtgesellschaftlicher Missstände sind, drängt sich geradezu auf. Schließlich ist es auch den Menschen in den westlichen Gesellschaften bis zum heutigen Tag nicht geglückt, sich vom sozialdarwinistischen Ellenbogendenken und von den hierarchischen Wettbewerbsvorstellungen des Kapitalismus hinreichend zu befreien. Da diese destruktiven Ideen unter anderem das Schulwesen westlicher Staaten entscheidend prägen, mutet es sogar fast verwunderlich an, dass es nicht noch häufiger zu Gewaltausbrüchen frustrierter Jugendlicher kommt.

Besonders wenn sich Fromm mit dem sogenannten "Satanistenmord" von Witten auseinandersetzt, zeigt sich eindrucksvoll, dass Gewaltstraftäter auch über eine entsprechende psychische Disposition verfügen müssen, um ihre Taten überhaupt begehen zu können. Es wird deutlich, dass sowohl Daniel als auch Manuela Ruda, die von der Presse als "Satanistenpaar" bezeichnet wurden, schon bevor sie mit der Gothic-Szene in Kontakt kamen, seelische Störungen aufwiesen, die eine maßgebliche Voraussetzung ihrer Straftat waren. Außerdem veranschaulicht Fromm, dass es schlichtweg auch eine ungünstige Laune des Schicksals sein kann, die Menschen zu Gewalttätern werden lässt. So wäre Manuela Ruda wahrscheinlich nicht in diesem besonderen Maß straffällig geworden, wenn sie nicht ausgerechnet der besonders destruktiven Gestalt eines Daniel Ruda begegnet wäre. Manuela Ruda darf im vorliegenden Buch übrigens in einem Gastkapitel ihre nunmehr geläuterten Ansichten zu den Themen Satanismus und Vampirismus äußern.

Am Ende des Buchs finden sich unter anderem Kontaktadressen für hilfesuchende Menschen, die aus der Okkultismus- und Satanismus-Szene aussteigen wollen. Da auch viele Adressen christlicher Einrichtungen aufgelistet sind, bleibt zu hoffen, dass es sich dabei ausschließlich um seriöse Hilfsangebote handelt. Schließlich besteht das Christentum nicht nur aus respektablen Menschenfreunden wie Eugen Drewermann, Heiner Geißler oder Hans Küng, sondern eben auch aus gefährlichen konservativen Geistern. Da Rainer Fromm offensichtlich weit davon entfernt ist, ein konservativ-christlicher Hardliner zu sein und im Wesentlichen ein gelungenes Werk vorgelegt hat, ist es ihm aber durchaus zuzutrauen, dass er die Adressen bezüglich ihrer Seriosität überprüft hat. Das Buch kostet 24,90 Euro und hat 352 Seiten. (stefan)

Grundsätzliche Informationen zum Buch (ISBN 978-3-7892-8207-2) bietet natürlich auch der Olzog Verlag (unter anderem gibt es das Inhaltsverzeichnis zu sehen): www.olzog.de/

Wer an einer längeren Textprobe des Buches Interesse hat, sollte die Homepage der Bundeszentrale für politische Bildung anklicken. Man kann dort gratis einen Teil der Publikation lesen:
www.bpb.de/themen/EZCWJW,0,0,Schwarzbraune_MusikNetzwerke.html


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