IN EXTREMO "Sängerkrieg" (Rock/MA)
(Universal)

Nein, leicht machen es einem IN EXTREMO mit ihrem neuen Album "Sängerkrieg" nicht. Allein aufgrund der Reibeisenstimme von Sänger ´Das letzte Einhorn´ wird bei den ersten Tönen der Charakter der Band deutlich, die in einigen Onlinelexika auch noch als reine Mittelalterband geführt wird. Jedoch schlagen die Musikleute einige neue Türen auf, was nicht unbedingt nach dem Geschmack der Fangemeinde sein muss.

Zunächst muss jedoch ganz deutlich gesagt werden, dass es noch zahlreiche Bezüge zur mittelalterlichen Musik gibt. Beispielsweise wird den Tönen des Dudelsacks eine große Bedeutung beigemessen, sodass dieser in fast keinem Lied fehlt. Im Laufe der dreizehn Jahre - so lange besteht die Band inzwischen - wurden aber viele Ideen verwirklicht und wieder verworfen, sodass sich mittlerweile eine Fangemeinde aus einer breiten Schicht von Musikanhängern wie Bikern, Rockern, Gothics und selbstredend Mittelalteranhängern gebildet hat. So ist denn auch der hier beschriebene und wohl in der Band selbst durchgeführte "Sängerkrieg" das bisher wohl vielschichtigste Album des Berliner Septetts.

Eine Portion voll sympathischem Humor und Halunkerei gibt es direkt im Eröffnungsstück "Sieben Köche" mit "Heute back´ ich, morgen brau´ ich, wer heimlich nascht, den verhau´ ich". Auch musikalisch wird hier die Reise durch eine knappe Stunde schwerer Musik hart eröffnet. Wäre man böse, könnte man meinen, die Band habe sich mit "Sängerkrieg" ihre eigene Hymne auf den Leib geschrieben, denn "ein In Extremo, der wird niemals knien" und ein sich wiederholendes "ho, ho", welches sich perfekt zum Mitsingen eignet, zeigen schon Qualitäten für ein Livestück. Das ist aber zu einfach, denn bei diesem Stück handelt es sich mit Abstand um das beste der Scheibe. "Neues Glück" beschreibt die Reise der Band bzw. der Spielleute früher mit einer unendlichen Sehnsucht fern von zu Hause zu sein. Musikalisch ebenfalls sehr gut umgesetzt. Auch "En nesta noche" ist geeignet richtig mitzureißen, ebenso wie "Mein Sehnen". Danach wird es aber etwas anders, nicht unbedingt ruhiger. Mit "Flaschenpost" folgt ein Stück, welches für mich maximal durchschnittlich ist. Man ist geneigt zu sagen: Die können doch mehr, warum ein solches Lied auf der CD? Insbesondere kommt mir der Text auch etwas hölzern daher. Das "Requiem" wird an sich dann etwas stiller, um den Hörer auf die Single "Frei zu sein" vorzubereiten. Der Charteinstieg zeigt, dass dieses Stück dann wieder gelungen ist. Ein uralter estnischer "Zauberspruch" gegen Krankheiten schließt sich an, der musikalisch zumindest gewagt ist. "In diesem Licht" (Achtung: Headbang-Gefahr) und "Tanz mit mir" beschreiben Beziehungen zwischen den Menschen bevor "An End has a Start" gespielt wird und "Mein liebster Feind" die Bühne betritt, um zum guten Schluss "Auf´s Leben" anzustoßen, das ruhigste Stück der CD.

Die CD verliert in ihrer Gänze im Grunde nie an ihrer Gangart, gleichwohl unterscheidet sie sich vom bisherigen Sound von IN EXTREMO. Andererseits bleibt mit jedem Hören etwas mehr im Gehörgang hängen und bildet sich dort zu einem Gesamtbild aus. Letztlich eine abschließende Bewertung für diesen Silberling abzugeben, fällt mir als beinahe glühender Anhänger sehr schwer. Ich bin nicht davon überzeugt, dass jeder Fan mit diesem guten Stück glücklich wird und ob sich die stets wachsende Fangemeinde weiterhin vergrößert. Gleichwohl kann ich mir gut vorstellen, dass dies auch der Reiz ist, den ein Musikliebhaber wünscht, der erstmals mit den Berlinern in Kontakt kommt. Ich sag es mal so: Die Messlatte zum vierten von fünf Sternen wurde letztlich auch im dritten Versuch gerissen. Gut (drei Sterne) ist die CD allerdings allemal, vielleicht gerade weil anders. www.inextremo.de (ludger)


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