(Hot Action Records)
Meine erste CD als Pizza verpackt. Mal wieder ein genialer Gedanke der ÄRZTE, die aktuelle CD originell zu verpacken. Aber wie schmeckt, was in der Verpackung steckt, und was erwartet den Hörer bei "Jazz ist anders"? Gespannt durfte man nach vier Jahren sein und alle freudigen Erwartungen werden erfüllt. DIE ÄRZTE sind und bleiben DIE ÄRZTE. Mit einfachen Mitteln wird eine gängige Musik gemacht, die über Jahre hinweg perfektioniert wurde und inzwischen als erwachsen bezeichnet werden kann. Insbesondere hebt sich die neue Scheibe von den Vorgängern erheblich ab. Nicht nur wegen der Verpackung und dem Design der Scheibe - eine Pizza - bzw. der Mini-CD - eine Tomatenscheibe - eine absolut lohnenswerte Investition.
Im Einzelnen: Mit "Himmelblau" eröffnet die Kapelle den musikalischen Ritt durch die Scheibe. Welch ein Einstand. Ein klassischer Einstieg, der an die gute, alte Anfangszeit erinnert, musikalisch aber absolut rund ist.
Am "Lied vom Scheitern" werden sich die Meinungen teilen. Es ist auf jeden Fall eines, welches öfter gehört werden muss. Der Text erzählt entsprechend des Titels, aber musikalisch ist noch Luft nach oben.
Immer wieder fragt man sich, wie sozialkritisch sind die drei Musikanten? Kann man eine Kritik ernst nehmen oder wollen DIE ÄRZTE letztlich doch nur veräppeln? Diese Frage muss sich wohl jeder selbst beantworten.
Aber "Breit" ist musikalisch gelungen und behandelt übermäßigen Drogenkonsum und die Folgen.
Keine Frage: "Lasse redn" ist einer der Höhepunkte. Ein Lied, die Nachbarn ruhig lästern zu lassen und selbst aber letztlich mit dem Werbeslogan eines Baumarktes durchs Leben zu gehen: Mach dein Ding. Absoluter Popsong, absolut fröhlich.
Wer will schon "Die ewige Maitresse" sein? Wer weiß. Aber hier wird es hart und rockig und das lässt sich an dieser Stelle richtig gut an. "
Junge", die Single, muss wohl nicht beschrieben werden. Ein weiteres Highlight.
Anschließend möchte Farin "Nur einen Kuss". Ach Farin, beglückst du deine Fans doch tatsächlich mit einer Liebesschnulze. Danke. Die fehlte im Sortiment und ist einfach nur brutal gut.
"Perfekt" macht seinem Namen nicht unbedingt alle Ehre. Das Stück muss öfter gehört werden. Absolut wird er mich aber nicht mehr überzeugen.
Mit "Heulerei" wird es dann wieder rockiger, ja punkiger.
Anschließend schaltet Bela das "Licht am Ende des Sarges" aus. Eine CD ohne ein Lied über Vampire wäre beinahe undenkbar.
Wer sich nun richtig schlapp lachen will, drehe die Anlage auf. Ein "Niedliches Liebeslied" gibt´s zum besten, im Stil der 60er Jahre. Zeilen wie ´Sing shalala und shalalu, alles, was ich denken kann, bist du´ zeugen vielleicht nicht von übermäßigem textlichen Einfallsreichtum, aber das Lied wird ein ÄRZTE-Klassiker.
"Deine Freundin (wäre mir zu anstrengend)" ist auch recht flott, aber musikalisch aufgrund der Experimentierfreudigkeit gewöhnungsbedürftig; wohl schon eher als funky zu bezeichnen. Aber nicht schlecht.
"Allein" erinnert an Hells Bells. Ist natürlich nicht so klassisch, aber doch sehr gelungen. Insbesondere besteht die Möglichkeit, bei Feten die Hintergrundstimme mitzugröhlen. Textlich sehr gelungen, fordert er doch auf, sich selbst treu zu sein.
Oh Schreck. Es soll Raubkopierer geben. "Tu das nicht" fordern die ÄRZTE sarkastisch auf. Noch einmal ein musikalischer Höhepunkt der nach zartem Beginn härter wird und wieder einmal eine der zahlreichen musikalischen Facetten zeigt.
Über "Living Hell" und den Problemen eines Reichen, der in seinem eigenen Überfluss erstickt, ist es dann bald vorbei.
Und "Vorbei ist vorbei", aber zuvor wird erst einmal das Leben genossen. Das machen wir, mit den Dreien gemeinsam und dieser Scheibe. Immer wieder gerne.
Damit der Schmerz nicht zu groß wird, ob des plötzlichen Endes der Pizza, kann man sich nun noch die gewürzte Tomate zu Gemüte führen.
Ein Hauch von Selbstironie schwelgt mit, wenn DIE ÄRZTE eingestehen: "Wir sind die Besten."
Anschließend erinnert man sich alt und grau zurück, um festzustellen: "Wir waren die Besten."
Und noch eine Erkenntnis: "Wir sind die Lustigsten". Wahrhaftig, das sind sie. Ein grande finale.
Fazit: Ein Muss für jeden Pizzaesser und ÄRZTE-Fan. Wesentlich gelungener ist dieses Album als die letzten. Insbesondere ist es musikalisch und gesanglich perfekt. Eine Pizzaschachtel, die einen sehr leckeren Inhalt hat. Richtig belegt, richtig gewürzt. Feinschmecker like. Und dass zwei, drei Lieder über den Status eines ganz normalen ÄRZTE-Liedes nicht hinauskommen, ist zu verzeihen. Schließlich ist die Pizza in 19 Stücke geschnitten, da darf bei zwei, drei auch mal der Belag verrutschen. Absolute Empfehlung. (ludger)