DIARY OF DREAMS "Nekrolog 43" (Dark Wave Elektro)
(Accession Records)

Kann man das musikalisch grandiose "Freak perfume" und das in textliche Eleganz versunkene "Nigredo" toppen? Wohl nicht. Allerdings fasziniert das neue Album auch dadurch, dass man galant die Melange aus Anspruch, Tanzbarkeit und verträumter Melancholie in ein sich stimmiges Werk paaren lässt. Dabei gelingt es Adrian famos, die Hässlichkeit der Elektronik in treibende Beats zu verpacken und die Lieblichkeit in betörenden Melodien zu integrieren. Seine Stimme, sein Gesang ein Sinnbild der Melancholie, teilweise entrückt der Realität legt er seine Stimmbänder doch immer in den Schoß des schwarzen Herzens. Das Klangbild ist diesmal wesentlich klarer, klassische Strukturen bestimmen das Geschehen, so erklingt "Matching live" verträumt, während "Remedy Child" von treibenden Rhythmen begleitet wird.

Allein der Opener ist ein Klassiker für sich. Cold Industrial wird zur Melodie und die Betrübnis wird zur betörenden Eleganz. Die Hoffnung kann warten, sie wird es nach Interpretationen dieses Songs eh nicht mehr geben. Fast effektlos trägt man den Hörer dahin, begleitet ihn mit schräger Harmonie und lässt die Worte doch im Gehirn martern. Dazwischen immer wieder eingestreute Backings, welche aus dem Nichts oder aus der Tiefe hervorzukommen wagen. "The Plague" glänzt wieder mit der schrägen Variante der elektronischen Harmonie. Ein gelungener Burner, der ganz dezent von bedrückender Verruchtheit und verspielt eingestreuten rauen Gesang lanciert wird. Hier kostet der Bär am Honig, um im folgenden "Son of the Thief" mit den Auswirkungen der wütenden Bienen zu kämpfen. Trotz erleuchteter Melodie ist die Szenerie hier doch eher kühl gehalten. Ja, ja, der Refrain lässt einem kalte Schauer über den Rücken laufen, doch insgesamt zeigen sich DOD hier von ihrer latent unerotisch kühlen Seite. Soundtrackartige Klangvibrationen unterstützen hier Adrian, der sich ab und an sehr poppig in die Gehörgänge fügt. Mag natürlich auch an den Klaviersonaten liegen.

"Tears of Joy" hat erneut diese dezent orchestrale Unterstützung, was Adrian diesem Song gibt, ist Leben. Nein, nicht nur Leben, er gibt ein Gefühl, er verwandelt sich zum tragischen Erzähler, dessen galante Stimmbänder mal zynisch, mal real auf der unterdrückten Elektronik wandern. Dezent mit Hall versehen klingt sein Gesang bedrückend und doch unheimlich erhaben mit dem Klang der Traurigkeit.

"UnWanted" glänzt treibend, im Mark ein wahrer Club-Hit, im Mark aber auch eine verträumte Illusion zwischen Dali, EBM und makelloser Eleganz.

Die Stücke sind erneut voluminös ausstaffiert, doch trotz opulenter Soundvariationen (heuer wesentlich komplexer und tiefergehend) behält man eine klare Struktur, arbeitet nur sehr selten mit Samples und lässt musikalisch einen großen Platz für die Manege des Sängers.

Diese Manege scheint ein verzweifelter Ort zu sein, denn die Stimme Adrians begleitet die Rhythmik zwar elegant, aber doch immer mit einer trauerbehangenen Bitternis. Bei jedem Wort trauert der Hörer mit. Diese geschmeidige Morbidität wird mit einem fatal durchdringenden sphärischen Klang transportiert, dass ein Entziehen unmöglich macht.

Selbst die minimalistische Verwegenheit in "Congratulations" hat ihre weiche Pforte, dessen Zugang versteckt hinter einem Seidenvorhang steckt. Ein sehr schleichendes Stück voller leiser Seitenhiebe.

Ob das folgende "hypocryptickal" ein wenig negierend wirken soll, weiß ich nicht. Hier ordnet man die Melodie der Rhythmik unter, während die Klassik eine zusätzliche Barriere gegen die Eingängigkeit heraufbeschwört.

"allone" ist eher untypisch für die letzten VÖ's. Kaum Melodie, der Gesang verzerrt im Refrain.

Hernach folgt eine wohltuende Ruhe in Form des balladesken "The Valley". Naja, ehrlich gesagt, wirkt dieser Song eher bedrückend. Die liebliche Eleganz der verspielten (Spieluhr) Melodie hellt die Wolken nicht auf.

Egal welcher Song hier aus den Boxen dringt, es ist immer 100% DOD, soll auch heißen, der Wiedererkennungswert ist enorm hoch, was natürlich nicht zuletzt am genialen Gesangsstil liegt. Die Band (nennen wir sie mal so) beweist zudem erneut, dass hier nicht ein Juwel ungeschliffen den Tonträgermarkt bevölkert, sondern der Diamant in seiner vollen Karatreife dem Fan ein Hörvergnügen ohne gleichen beschert.

Fazit: DIARY OF DREAMS ist wahrscheinlich die letzte verbliebende Band, die elektronische Klänge mit dem melancholischen Hauch des Dark Wave verbinden kann. Ein in sich stimmiges, vollkommenes Werk. www.myspace.com/diaryofdreams (andreas)


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