PHILIP AKOTO "'Menschenverachtende Untergrundmusik?' Todesfaszination zwischen Entertainment und Rebellion am Beispiel von Gothic-, Metal- und Industrialmusik" (Buch)
(Telos Verlag)

Der Soziologe Philip Akoto beschäftigt sich in seiner nun als Buch vorliegenden Magisterarbeit mit der Frage, ob es in der gegenwärtigen Gothic-, Metal-, und Industrialszene Anhaltspunkte dafür gibt, diese Szenen als Subkulturen zu begreifen. Von einer "Subkultur" kann nach Akoto nämlich nur dann die Rede sein, wenn ein subversives Potential feststellbar ist. Dabei gesteht der Autor nur solchen Künstlern das Prädikat "subversiv" zu, deren Musik auch eine politische Botschaft vermittelt, die sich gegen herrschende weltanschauliche Standards richtet.

Bevor Akoto einzelne Bands ins Visier nimmt, liefert er einen kompakten historischen Überblick über die Ästhetisierung von Gewalt, Sterben und Tod in der Kultur des Westens während der vergangenen drei Jahrhunderte. Im Detail wird hier aufgezeigt, wie sich diese "Ästhetik des Grauens" jeweils in Literatur, Bildkunst und im Film darstellt. Selbstverständlich berücksichtigt der Autor dabei klassische Figuren des modernen Horrors wie zum Beispiel Dracula oder Frankenstein. Diese Ausführungen sind zweifellos die passende Grundlage dafür, um schließlich die Musikwelten der Gothic-, Metal- und Industrialszene in allgemeiner Form vorzustellen, wobei die Metalszene noch in Trash-, Death- und Black Metal unterteilt wird.

Daraufhin setzt sich Akoto mit den Bands Thanateros, The Grey Wolves, Sacred Reich, Misery Index, Cattle Decapitation und Dissection auseinander, um zu veranschaulichen, daß in den besagten Szenen durchaus subversive Kräfte existieren. Dabei wird der Leser mit den sehr unterschiedlichen politischen Sichtweisen dieser Bands konfrontiert. So erfährt man zum Beispiel einiges über die menschenfreundlichen schamanischen Sichtweisen der Gruppe Thanateros, über die Kapitalismuskritik von Misery Index und über die Tierschützer von Cattle Decapitation. Außerdem wird durch die Aussagen einer Band wie Dissection deutlich, daß Subversion selbstverständlich nicht zwangsläufig etwas sein muß, das in moralischer Hinsicht zu begrüßen ist. Entsprechend der notwendigen wertneutralen Verwendung des wissenschaftlichen Begriffs subversiv ist es jedoch nur konsequent, daß auch die Mitglieder dieser Band, die durch menschenfeindliche und sozialdarwinistische Äußerungen auffallen, als Subkulturalisten bezeichnet werden.

Bei seiner Untersuchung wirft der Wissenschaftler auch immer wieder die Frage auf, ob die besagten Musikszenen letztlich nur Spielbälle übergeordneter wirtschaftlicher Interessen sind und inwiefern die Künstler überhaupt die Möglichkeit haben, sich diesen Interessen zu entziehen. Gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Ökonomisierung aller menschlichen Lebensbereiche in unserer heutigen Zeit zeigt sich hier, daß Akoto die Fähigkeit besitzt, Fragen zu stellen, die letztlich das Zentrum gegenwärtiger Herrschaftsstrukturen betreffen. So sieht er zu Recht die Gefahr gegeben, daß die genannten Musikszenen nur Scheinalternativen zum Mainstream darstellen, die sich durch verstärkte Kommerzialisierungsprozesse letztlich sogar zu Stützen der bestehenden Herrschaftsverhältnisse entwickeln können. Dennoch kann das Fazit Akotos jeden Freund des musikalischen Undergrounds hoffnungsfroh stimmen. Schließlich weist der Soziologe nach, daß es durchaus viele subversive Künstler gibt, die ihre "Ästhetik des Grauens" eindeutig dazu verwenden, Kritik an herrschenden Zuständen zu üben, die auch bezüglich ihrer moralischen Ausrichtung zu begrüßen ist.

Zum Abschluß sei bemerkt, daß man nicht unbedingt 20 Semester Soziologie auf dem Buckel haben muß, um die interessanten Aussagen des Autors nachvollziehen zu können. Zwar verwendet Akoto selbstverständlich die in der Soziologie üblichen Begrifflichkeiten, jedoch versteht er es bei der Verwendung von Fachbegriffen glücklicherweise Maßzuhalten, was der Lesbarkeit des Werks eindeutig zugute kommt. So kann man zusammenfassend festhalten, daß der Autor das Themenfeld Subkultur und Subversion im Zusammenhang mit der Gothic-, Metal- und Industrialszene sehr ansprechend bearbeitet und seine Schrift insofern für jeden Musikfan eine attraktive Informationsquelle darstellt, der sich ein Bild von den weltanschaulichen und politischen Seiten der besagten Musikwelten machen möchte. Das Buch ist mit etlichen Abbildungen versehen und umfasst 117 Seiten. Der Preis von 13,80 Euro erscheint für das Gebotene durchaus angemessen. Philip Akoto ist seit 1993 als Musiker in verschiedenen Metalbands aktiv gewesen. Seit 1998 arbeitet er auch als freier Musikjournalist. Weitere Infos: www.telos-verlag.de (stefan)


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