SCREAM SILENCE "Saviourine" (Melancholic Goth Rock)
(Plainsong Records)

In schöner Regelmäßigkeit kredenzen uns die Berliner in tiefer Harmonie getränkte Alben. Tragische Melodielinien treffen auf heftige Gitarren und darüber thront eine Stimme, deren Stimmbänder mit derart viel Gefühl gesegnet sind, das man seine Gehörgänge davon nur all zu gerne streicheln lässt. Erneut gelingt es, den Hörer über die gesamte Albumlänge zu fesseln. Es ist nicht der einzelne Song, sondern die Komplexität des Werkes, welche begeistert. Aufgrund der Eingängigkeit könnte man auch von wundervollen, düsteren Pop Songs sprechen, was musikalisch noch einigermaßen passt wird aber bei den tiefgreifenden Texten eine sehr despektierliche Meinung. Sezierung von Seelenzuständen, ehrliche Gefühlwelten der negativen Seite wie Wut, Verzweiflung, Ohnmacht werden dezent bedrohlich intoniert. Der sanftmütige Trauerflor als Damoklesschwert eingebettet in tragisches Songwriting.

Wütend, bittersüss, dann wieder balladesk, aber auch wie in "nonentity" mit dem Kitsch kokettierend verteilen die Songs kleine Nadelstiche in der Herzgegend. Die getragene Seite der dunklen Musik war immer schon das Metier, auf dem sich Scream Silence perfekt auskannten. Wenn man überhaupt von Steigerungen zu den beiden genialen Vorgängeralben ausmachen kann, ist es im rockigen Bereich. Es ist nicht unbedingt der Effekt, dass die Saiten besser mit dem Keyboard harmoniert, eher die Tatsache, dass man im Songwriting zugelegt hat und das nicht - wie leider in vielen Fällen - mit reichlich Bombast, sondern mit der Liebe zum Detail. So überzeugt die aktuelle Single "Creed" mit melancholischer Strophe und von Saiten getragenen Refrain. Das verspielte Key erinnert zuweilen an Sounds der 80er. Der Chorus legt sich sanftmütig und betörend um die Gehörknöchelchen. Der Opener "narrowness" lehnt sich an den Goth Rock moderner finnischer Prägung an. Hinter'm Mikro läuft Hardy zur Höchstform auf. Er variiert zwischen sonorer Dunkelheit und erhabener Helligkeit. Man könnte im Songverlauf, der von klassischer Musik nicht unbeeinflusst ist, auch die Stimme als zusätzliches Instrument bezeichnen. Perfekt der Übergang zu "finite State", welches mich musikalisch ein wenig an The Mission erinnert. "Homecomming" hat diese Schwere, deren elegische Ausrichtung der Tagträumerei frönt. Der Text füllt diese Tagträumerei mit realem Leben. Wie man die einzelnen Diamanten mit dem Schlusssong "Yon" in eine Karatunbestimmbarkeit führt hat klasse. Soundtrackartige Eleganz paart sich mit spannungsgeladenen Songwriting. Im Gesamtkontext des Werkes ist dieser letzte Titel sicher als mutig zu bezeichnen. Die Band experimentiert mit teils fremden elektronischen Elementen. Das Stück chillt sich praktisch in die Auffanggeräte. Momentaufnahmen des Songs könnten im Pink Floyd Laboratorium entstanden sein.

Und ich hab wieder eine Kritik über Scream Silence geschrieben, ohne auch jemals eine andere Band aus Berlin in Erwähnung zu ziehen. Was jetzt etwas humorvoll daherkommt, soll auch darauf hinweisen, dass Scream Silence viel zu eigenständig ist, um auf Vergleiche angewiesen zu sein. Wem es gelingt, 5 Alben in dieser Qualität zu veröffentlichen, ohne sich jemals dem Diktat der Massenkompatiblität (immer im Bezug zur Fehlsozialisierung der Ohren durch bestimmte Medien) zu unterwerfen, gehört zu den ganz großen Bands. (andreas)


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