FIELDS OF THE NEPHILIM "Mourning Sun" (Goth Rock)
(Oblivion/SPV)

Gibt es etwas schöneres, als wenn den ewig "Goth Rock ist tot"-Laberern bestimmter selbsternannter Szene Magazine musikalisch mal so richtig in den Arsch getreten wird? Wohl nur zwei Sachen, der Meistertitel einer bestimmten Mannschaft und das Zurückbringen goldener Spätachtziger Zeiten (Mission, Sisters, Lorries usw.). Zwei Dinge erledigt das neue Album der britischen Band um den charismatischen Sänger Carl McCoy.

Hätte ich mir ein neues Album der Fields backen können, hätte ich als Zutaten die Düsternis von "Dawnrazor" genommen, die elegisch ausufernden Klanglandschaften von "The Nephilim/Elizium" und die druckvolle Vehemenz der ersten Singles (Power, Preacher man) und zum Abschmecken noch eine Prise apokalyptischer Endzeit-Romantik. Jetzt ratet mal, wer diese Rezeptur nun verwirklicht hat? Richtig!!

Fields (über die aktuelle Besetzung neben McCoy schweigt man sich aus) suhlen sich mal wieder so richtig schön in atmosphärisch komplexen Tracks, welche meist jenseits der 7 Minuten liegen, und zelebrieren einen Spannungsbogen, der selbst die alten Italo Western samt Morricone-Soundtrack in den Schatten stellt.

Mit dem Opener "Shroud(Exordium)" liefern sie eine sakral geschmückte Eingangspforte ins neue Werk.

Für Songs wie "Straight to light" wurde das Genre Gothic Rock erfunden. Bestechend die Energie, bestechend die druckvolle Ausrichtung, bestechend die flirrenden Saiten, bestechen die Dunkelheit, welche sich hart, aber immer mit einer bestechenden Melodie umgibt und das alternde Ohr derart erregt, dass es sich steif erregt erhebt.

"New gold dawn". Vor Gänsehaut fällt mir das Schreiben schwer, Wahnsinn. Mein Gehörnerv auf erotisierender Reise, Carl singt sich in betörender Weise die letzte Zigarette aus den Tiefen der Stimmbänder. Mein Hörnerv tanzt in kindlicher Tagträumerei. Für solche Songs wurde das Genre Gothic Rock geprägt.

Ein Donnergrollen als romantisierende Einleitung zu "Requim 3-33", ein verspieltes Saitenritual als durchdringende Eleganz. Eine eruptive Orgie aus bedrückenden Klangstrukturen, der Altar schwärzlichst und hingebungsvoll dekoriert. Der Traurigkeit frönend wird der Gesang zur Beschwörungsformel, dessen elegante Darbietung sich in die Gehirngänge frisst und dort ein Ritual feiert, welches von einer geheimnisvollen Langatmigkeit beherrscht wird. Ein Song, der sich entwickelt und von Beginn an auf ein furioses Finale hinsteuert. Wundervolle Dunkelheit, weitab von Brachialität und mit einer hingebungsvollen Leichtigkeit dargeboten. Für derartige Songs gibt es die Schublade Goth Rock.

"Xiberia" wartet erneut mit einer Spielzeit von über 7 Minuten auf. Carl lässt sich Zeit, die brachial Slow Motion Elegie herrschen zu lassen. Ganz langsam dringen die Saiten aus der Nebelwand. In epischer Weise gleitet der Song mit verwegener Lyrik voran. Der Reibeisengesang scheint die ganze Zeit von einem markerschütternden Schrei begleitet zu werden. Dezent gesetzte Ruhepole werden auch mal elektronisch ummalt. Das Ganze entwickelt sich zu einer absolut bedrückenden Atmosphäre, welche mit dem Samthauch des Dark Rocks implodiert. Für solche Songs... ihr wisst schon.

"She" lässt dann erst mal die theatralische Ruhe regieren. Westernlike wird die Gitarre zum Unterstützer eines Gesangs, der sich tief in die Hörnerven bohrt. Elegisch schleicht die Morbidität über menschenleere Naturlandschaften der britischen Insel. Das Ganze mit einer gefühlvollen Energie vermengt, welche die morbide Einsamkeit zum einzig erhabenen Exil werden lässt.

Der über 10-minütige Schlusssong sprengt dann jegliche Euphorismen bekannter Düster Musik in seine Einzelteile. Eine Dark Rock Oper entsteht aus dem Nichts. Man verkriecht sich angstvoll unterm Bett und zwischen den Fingern der vorgehaltenen Hand lukt man hindurch und genießt. Ein vertonter Alptraum, für den wir alle zu jeder Zeit in Schlaf versinken würden.

Die Fields (egal wer sich neben McCoy dahinter versteckt) kredenzen uns ein Werk voller Düsternis, voller Hingabe, voller musikalischer Eleganz. Sollte es gelingen, die alten Fans noch mal zu motivieren, dürfte Mehl zum rarsten Lebensmittel in deutschen Supermärkten werden. Mein Hut ist schon bestäubt und den werde ich einschließlich einer tiefen Verneigung nun erheben. www.fieldsofthenephilim.co.uk (andreas)


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