NEW MODEL ARMY "Carnival" (Independent Rock)
(Attack Attack / Rough Trade)

Seit New Model Army das Album "Eight" veröffentlicht haben, sind rund fünf Jahre ins Land gegangen. Nun liegt mit "Carnival" endlich wieder ein neues Werk dieser Institution des Independent Rock vor. Wie man es von New Model Army seit den frühen 80er Jahren gewohnt ist, bietet auch die aktuelle Veröffentlichung Rockmusik höchster Qualität. Unabhängig davon verrichtet die Band ihr Handwerk inzwischen deutlich bedächtiger als in früheren Zeiten. Musikalische Wutanfälle im Stil von "Get me out" oder "Here Comes the War", die von der ersten bis zur letzten Sekunde geballte Energie zum Ausdruck bringen, wird man auf der neuen Scheibe vergeblich suchen. Trotzdem wird auf "Carnival" gelegentlich wuchtig hingelangt. Allerdings fällt man dabei eben nicht wie früher gleich mit der Tür ins Haus. Vielmehr bauen sich auf der aktuellen Scheibe die besonders überzeugenden musikalischen Kraftfelder schrittweise auf. Speziell bei den Stücken "Red Earth" und "Too Close to the Sun" gelingt dies ganz vorzüglich. Hier zeigen New Model Army in Reinkultur die Qualitäten, für die sie von ihren Fans seit jeher besonders geschätzt werden, nämlich Pathos, ekstatische Hingabe und eine äußerst intensive atmosphärische Ausrichtung.

Bei allen Liedern der CD präsentiert sich der Gesang von Justin Sullivan überaus engagiert und zugleich ausdrucksstark. Kein Wunder: Zeigt sich doch beim Blick auf die Texte, dass Herr Sullivan nach wie vor einiges von Bedeutung zu sagen hat. Bestes Beispiel dafür ist meines Erachtens das Stück "Another Imperial Day". Hier thematisiert Sullivan das Schicksal von Flüchtlingen vor dem Hintergrund der gegenwärtig stattfindenden hemmungslosen wirtschaftlichen Globalisierung auf sehr eindringliche Weise. Die bittere Thematik des Songs wird musikalisch überaus passend in Szene gesetzt: Relativ ruhige Passagen, die eine konzentrierte Ladung Melancholie zum Ausdruck bringen, verlieren sich regelmäßig in einem Strudel aufjaulender Gitarrenläufe, was beim Hörer ein Gefühl von zugespitzter Tragik und Dramatik erzeugt.

Zum Abschluß sei darauf hingewiesen, dass Justin Sullivan die vorliegende CD seinem im letzten Jahr verstorbenen langjährigen Bandkollegen Robert Heaton gewidmet hat. Heaton war unter anderem an der Komposition von New Model Army-Klassikern wie "Green and Grey" und "The Hunt" beteiligt. Insofern: Dank seiner Musik wird zumindest ein Teil von Robert Heaton nicht zuletzt im Bewußtsein der Fans weiterleben. www.newmodelarmy.org (Stefan)


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