DEMENTI "Für heute reicht's" (Deutsch Metal/NDH)
(SX Distribution)

Wie wir alle wissen, liegt das Detail im Kleingedruckten und so gibt es zum Titel diese kleine Erweiterung: "Nimm dir das Leben".
Bevor wir uns nun aber mit Türen von Gasöfen, Hanfstricken, Inhalten von konservativen Rasierapparaten und dem Nachtfahrplan der DB beschäftigen, heißt es erst mal sich mit kranken Texten, staubtrocknen Riffs, lieblichen Melodien und betörend, unaufgesetzten männlichen Vocals beschäftigen. Dementi gelingt es, auf dem Schlachtfeld harter deutscher Musik ganz eigene (teils abgedrehte) Akzente zu setzen. Eine textliche Sezierung eines gedanklichen Alptraums, Sarkasmus als Waffe, infizierte Finger bohren in offenen Wunden. Eine verwegene Reise in menschliche Abgründe, effektvoll untermalt mit musikalischer Eleganz deren brachiale Ausrichtung die Melancholie als unterschwelliger Partner akzeptiert und in eindringlichen Hooklines auch respektiert. Die Band platziert sich explosionsartig in der Manege und wird von Bands wie Oomph, Das Ich oder Janus flankiert. Die textliche Spielerei mit Tabuthemen und das Riffing erinnert zu Weilen an eine andere deutsche Band. Nach Rammstein und SITD beschäftigt sich im harmlos klingenden "ein Stück Papier" auch Dementi mit Kannibalismus. Die Moral wird, wie in einigen Texten, hier zur belanglosen Propaganda Lüge des Vatikans. Bei aller Härte gelingt dem Vierer ein eingängiges Ornament in des Hörers Auffanggerät zu transferieren. Eine vertrackte Pop Attitüde schlängelt sich durch das Album und lässt sogar Soundstrukturen des 80er Wave Pops erkennen ("Menschenkind"). "Ewiges Land" ist von einer kühlen Energie behaftet, deren Offenbarung in der Verbindung zwischen elektronischer Kanten, straightem Riffing, fingerfertigen Drums und nicht zuletzt von einem Gesang, der sich der aggressiven Stimmbänder mit einer fast gleichgültigen Effektivität nähert, gegeben ist. Abgehackte Saiten und verwirrende Breaks führt man im folgenden "schmerzverzerrt" zu einer einheitlichen, leicht hymnenhaften Melodie, deren Geist die Eingängigkeit auf einem verkratzten Silbertablett serviert. Leicht tanzbare Strukturen werden im Stroboskoplicht erkennbar. "Das letzte Pferd" begeistert durch eine leichte elektronische Elegie, und wenn wir schon Kannibalismus hatten, könnten hier die Gedanken in Richtung Sodomie wandern. Ein Album, welches im wahrsten Sinne durch Mark und Bein geht. Müsste Quincy seine Arbeit musikalisch beschreiben, er hätte mit dem aktuellen Werk ein passendes Beispiel. Der kompakte Mensch, tot und kalt. Die Gitarren als Skalpell, die Stimme als lächelndes Mahnmal der Realität, der Bass als Auffanggefäß der Eingeweide, das Programming als Verharmlosung des subjektiven Denkens. Das Gesamtbildnis als Beschreibung einer sterilen Schmutzigkeit.
Ihr müsst das Album mehrmals mit unterschiedlicher Ausrichtung hören. Erstens: Als alptraumfördernde Einschlafhilfe verbunden mit angestautem Aggressionsabbau. Zweitens: Textorientiert, um eure kranke Gedankenwelt in die Normalität zu verfrachten. Drittens: weil es ein wirklich fesselndes Album ist.
Bleibt zum Schluß die Frage: Essen Dementi Kinder mit Senf, wenn ja hätte ich das passende Mahl, Unterkünfte in Japans Hauptstadt führen dieses im Sortiment. Guten Appetit. www.dementi-band.de (andreas)


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