ASP "Aus der Tiefe" (Dark Wave Musical)
(Trisol)

Mit jedem Album wird deutlicher, dass hier nicht einfach jemand seiner Musik frönt, sondern sich Stein für Stein ein Denkmal setzen will. Und mit dem dritten Teil der Geschichte vom schwarzen Schmetterling ist er ganz nah an der Vollendung. Es ist nicht einfach eine Musik CD, es ist ein akustisches Schauspiel, ein Hörbuch, dessen Romantik an alte Gothic Schriftsteller oder Filmemacher erinnert. Kurzgeschichten in bester Poe Manier, samt seinem versteckten Humor, treffen auf energisch dargeboten (clubtauglichen) Goth Wave. Sehr verspielt sorgt das Keyboard für harmonische Melodiebögen. Mastermind Alexander mimt nicht einfach den Sänger, er ist viel mehr der Geschichtenerzähler und dieses Umgehen mit Worten, dieses verschmitzte Spiel mit der Düsternis scheint ihm auf dem Leib geschnitten. Er ist Nosferatu und Regisseur zugleich. Eingebetet in einem Mahnmal voll gelungener Kunst befinden sich gleich 2 CD's in wunderschöner Aufmachung (bereits die normale Version ist Value for Money / die limitierte Version soll bereits vor VÖ ausverkauft sein/ Hallo eBay).

Gleich der Opener wartet mit einem Intro auf, welches die schwarzen Ohren sogleich auf Empfang schaltet. Insgesamt sehr ruhig erklingt das komplex instrumentierte "Beschwörung". Die Saiten begleiten das Geschehen mit unterschwelliger Aggression und der Gesang wirkt besonders in seiner chorälen Darbietung sehr betörend. Dezent gesetzte Ruhepole, durchdringender Refrain und harsche Saitenexzesse paaren sich mit sakralen Intonationen. Nicht nur hier bricht ASP aus dem typischen Strophe/Refrain Mechanismus raus und schleicht sich durch dunkle Gassen und lässt wuppernd das erzählende "Willkommen zurück" ertönen. Ich hoffe es klingt nicht despektierlich, wenn mich das an ganz frühe "neue deutsche Todeskunst" erinnert. "Schwarzes Blut" ist dann einer von diesen Songs, welche heuer in jeder schwarzen Disco die Tanzflächen füllen. Elektronisch und mit einer Vehemenz gespielt zeigt man sich hier von seiner druckvollen Seite. Dem Kitsch wird mal ganz dezent über den Kopf gestreichelt und dann liefert man eine orgastische Dark Wave Oper, die sich tief in die Gehörgänge frisst. Bedrückend mit flüsternder Stimme geht es in den "dunklen Turm". Die gesamte Faszination von vier King Bändern geballt auf 1.41 Minuten (trotz Parallelwelten tanzt man hier in seinem eigenen Kosmos). "Me" ist schwarze Romantik pur und hält zur Lockerung eine vertrackte Elektronik in Petto. Nach einem erneuten Zwischenspiel folgt das geniale "Hunger". Sänger ASP scheint sich zunächst einer monotonen Rhythmik zu unterwerfen. Aber der Song entwickelt sich, beinhaltet krachige Strukturen, dessen Stahlklang an frühe deutsche Bands erinnern. Ein unterkühltes Intermezzo, welches durch warmherzige Saiten (teils sehr rockig dargeboten) einen perfekten "roten Teppich" für Gesang und Erzählung ausbreiten. Ein songwriterisches Kleinod ist der Band allerdings mit dem über 8minütigen "Ballade von der Erweckung" gelungen. Balladesk und puristisch instrumentiert entführt dich dieser Song in Traumwelt. Man fühlt sich wie ein kleines Kind, welches gebannt vor dem Schlafengehen der Geschichte des Vaters lauscht. Schwärzlichst versunken schunkelt man sich Weintrunken dann in den "Tiefenrausch". Die Wohlfühl-Katatonie wird von verträumtem Pop weggeblasen. Der alpträumerische Unterton behält sich vor das Unterbewusstsein tanzen zu lassen. Das Über-Ich hat hier endgültig seine Distanz verloren. Um es im abschließenden fünfpartigen "Spiegelauge" wieder schwarz glänzen zu lassen.

Tja und da ist dann noch CD 2. "Schwarzes Blut" wird noch ausgiebiger dargeboten. "Me" klingt in der kürzeren noch mehr auf den Punkt gebracht. "Tiefenrausch" zeigt nur dezente Abweichungen, wirkt aber auf dem zweiten Ohr verspielter. "Hunger" balanciert sich auf das Wesentliche und hat einen stärkeren curesken Charme der 80er in den Intros oder Zwischenspielen. "Buch des Vergessens" ist derart komisch von der Elektronik besetzt, dass man denkt, man hört den Song unterschwellig Rückwärts. "Kokon" gibt es in einem Remix von Umbra et Imago. Sado Maso trifft auf Blümchensex und orgastiert sich über brachiale Saitenakrobatik. Der Gesang rau bis böse belegt die konträr laufende Schiene der Harmonie. Der Zug scheint mitten durch zu rasen. Kompromisslos... aber rückblickend seufzt die E-Lok dampfend.

Während man musikalisch der Zeit weit vorauseilt, hat man sich Bootleg-technisch an die Hochzeit der kunstvoll aufgemachten DLP's rangemacht. Ein Spiel zwischen Akustik und visueller Neugierde wird entsteht. Es ist noch nicht das Ende der Geschichte vom "schwarzen Schmetterling", aber man darf mal ganz dezent fragen, wie man nach diesem grandiosen Werk den Gipfel mit einer akustischen Steigerung besteigen will. Zum Schluß sei darauf hingewiesen, dass hier lachen durchaus erlaubt ist, wer es hämisch tut, hat den künstlerischen Hintergrund nicht verstanden, wer es aus dem schwarzen heraus Herzen tut, hat zumindest bei "starfucker" oder zwischen den Zeilen zugehört. Der "zwischen den Zeilen"-Lesende hat dann auch die stark persönliche Note in den Texten erkannt. Insgesamt ein Werk, welches auf sehr harmonische Weise inspiriert, ein Werk, welches mehr als die Ohren befriedigen kann, dieses aber nicht explizit voraussetzt. Info: www.thetalesofasp.com (andreas)


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