SNAKE SKIN "music for the lost" (Orchestral Elektro)
(Hall of Sermon)

Hierbei handelt es sich um das Solo Projekt von Tilo Wolff (Lacrimosa). Die Texte samt Stimme, welche ja bei Lacrimosa zum akustischen Zaunpfahl geworden sind, dienen hier als zusätzliches Instrument. Bis zum extremen verzerrt und nicht verständlich, dienen die Vokalpassagen allein dazu, der elektronischen Musik eine Spur Verzweiflung in den Arm zu werfen. Auch wenn die Gesamtheit der musikalisch verwirrenden Facetten derart weit von seiner Hauptband entfernt sind, gibt es doch immer wieder Wiedererkennungspotential, wie im orchestral intonierten "Melissa". Vertrackte Elektronik bebildert ein unaufgeräumtes Zimmer in "waking a Lie". Fragmentiert ist die Sprache erkennbar, der Versuch dem Text zu folgen wird aber in der Folge ad absurdum geführt. Am besten lässt man es gleich, denn Tilo selbst wird in ein paar Jahren nicht wissen, was er hier eingesungen hat, und es ist auch nicht wichtig, denn im Vordergrund steht die bedrückende Atmosphäre. Die ist vom Mark bis zur abgelegten Haut düster. Betörend inszenierte Ruhepole, wie im Intro von "Longgonelost" verlieren sich in den Weiten einer Prärie des Realismus. Es ist typisch Tilo, dass es ihm gelingt, die Schönheit mit dem Verwegenen zu paaren und rein musikalisch die Hoffnung als Licht darstellt, welches später von übergroßen Pflastersteinen ausgeschmissen wird. Er begibt sich auf fremdes Gebiet, das Eis ist dünn, doch es droht nie zu brechen. Ich will hier nicht gerade vom göttlichen Schlittschuhläufer erzählen, nein ganz einfach davon, dass es nur einem großen Künstler gelingt ein fremdes Genre zu betreten und dabei zu klingen als wäre es seine Heimat. Wenn die Verzweiflung zum Phönix wird ("Stolzes Herz"/Lacrimosa), der Kontakt mit der Sonne dann schmerzt, man abstürzt, hat man hier die Geborgenheit der Kälte. Warum gerade Tilo eines der besten Electro Alben des Jahres herausbringen muß, weiß ich nicht. Es könnte ein Arschtritt zur rechten Zeit für eine eingeschlafenes Genre sein. (andreas)