DIARY OF DREAMS "Giftraum" (Elektro/Goth Wave)
(Accession Records)

Es gibt Bands, für die ist es eine lästige Qual eine Vorab-Single zu veröffentlichen, und derart lieblos sind die Dinger dann auch meistens konzipiert - und dann gibt es so etwas wie Diary of Dreams, die wochenlang tüfteln, um den Fans etwas wirklich besonderes und auch lohnenswertes zu bieten. Angefangen beim Cover-Artwork (schön gestaltetes Digipack incl. aller Texte), bis hin zu zwei exklusiven Stücken und zwei Versionen des Titeltracks, die so nicht auf dem Album vorhanden sind.

Fast genussvoll streichelt Adrian die menschlichen Wunden, indem er darin pult. Sein über Jahre geschriebenes Traumtagebuch dient ihm dabei als Lektüre, aus der er auch mal sehr persönliche Passagen in eindringlichen Songs verarbeitet. Seine Gedanken sind Endzeit-Romantik frei von jeglicher Form des Kitsches. Klar gesetzte Worte, welche den Menschen, manchmal auch den Menschen Adrian bis aufs letzte Hemd entkleiden. Die Seele als Mittelpunkt, mal kränkelnd, mal frustriert, nie euphorisiert. Ein dunkler Fleck, bedrückend aber doch mit einem Willen behaftet und tief drin mit einer kämpferischen Ader versehen, deren Blut pulsieret. Musikalisch ist der Titelsong "Giftraum" etwas vertrakter instrumentiert. Der Weg in die Gehörgänge funktioniert nicht so leicht wie auf "Freak Parfume". Er schleicht sich heran, wartet auf die Reaktion, ergibt sich....aber nur zum Schein. Stampfend beginnend, elegiert er in harmonisch gesungen Strophen, die von einer Elektronik umhaucht sind, welche erst mal die Melodiösität einer verwegenen Komplexität unterordnen. Konträr dazu ist der Refrain wieder im typischen DOD Eingängigkeitsstil gehalten. Dieser Aufbau ist natürlich perfekt, zwingt er den Hörer doch quasi zum genauen Hinhören. Derartige Soundkreationen sollten natürlich nur die benutzen, welche es verstehen, eine perfekte Mischung aus der Härte der deutschen Sprache zu vokalisieren und gleichzeitig ihre versteckte romantische Artikulation beherrschen. "Fallacy" ist ein melancholischer Akt, der sich einer geschickten Dramaturgie unterwirft. Auch hier agiert man sehr tanzbar, besitzt aber die Fähigkeit bei aller durchdringenden Vehemenz dem Song Tempiwechsel zu unterbreiten, die auch mal in verstörenden Breaks enden können. Wunderschön das balladeske "UnKind" welches mit einer melancholischen Dichte glänzt und Adrian von einer leidenden Seite zeigt. Der Gesang als Harmonie, betörend die Inszenierung. Man hat ja immer so seinen persönlichen Favorit (bei einer Maxi eher unüblich) und hier ist meiner. Von der Art her könnte man auch von der englischen Version von "Traumtänzer" sprechen. Die deutschen Zeilen "Irren ist menschlich" fast untergehend, bleiben fest markiert im Unterbewusstsein hängen. Zum Schluß gibt es dann noch eine Classical Version des Titeltracks, welcher die Theatralik noch perfekter ummantelt als der Opener. Mehr als eine MCD, eher eine 19 minütige elegische Elektro Wave Oper. (andreas)