REPTYLE "a high and lonely place" (Goth Rock)
(Sonorium/ SX Distribution)

Vorhang auf, hier kommt der Goth'n'Roll der 80er, 90er und der Ewigkeit. Hier wird nicht lieblos an irgendeinem Plagiat gebastelt, hier wird den Vorreitern der Goth Rock Szene mal kräftig in den Allerwertesten getreten. Ein tränenreicher Carl McCoy erklärt mit Wehmut, wie gerne er solche Musik schreiben würde. Ein wütender Andrew verkriecht sich in einen kleinen Raum, um seine Memoiren zu schreiben und beginnt mit den Worten: "Als ich Reptyle zum ersten Mal hörte, war mir klar, meine Zeit ist zu Ende". Die Bielefelder haben es endlich geschafft, ein komplettes Album einzuspielen. Ein Werk so riesig wie das WTC, allerdings im Gegensatz dazu unzerstörbar. Die Rohheit einer Undergroundband, Songwriting in Perfektion und ein Gefühl, selbst die härteren Goth Rock Passagen in ein melancholisches Gewandnis der Dunkelheit zu kleiden, lassen mein alterndes Herz in tiefer Nostalgie dahin schwelgen. Ein theatralisches Intro dient als Eingangspforte in eine Welt voller schrebbelnder Gitarren, straighten Melodien, charismatisch, dunklen Vocals, verspielten Keys und energischen Drums. Das sich traurig schleichend entwickelnde "Redemption Street" entfacht diese unbeschreibliche Atmosphäre, die sich bedrohlich in die Gehörgänge schleicht und ihre Vehemenz durch eindringliche Vocals offen legt. Ein Refrain, der einen dezent auf den Boden schmeißt und gleichzeitig mit den Händen wild trommeln lässt. Eingerahmt in ruhige, sehr gefühlvolle Momente, dürfte dieser Song zum Klassiker werden. In "the light" gelingt es Sänger Zulu geschickt, zwischen Erzählstil und klassischem Goth Rock Gesang zu pendeln. Fast ist man geneigt zu sagen, er ist das melodisch rockende Pedant zu Tom Waits. Mit unglaublicher dunkler Leidenschaft fließt "in hell" in einen Chorus der Energie. Morbide Eleganz entwickelt das lässig wirkende "the Source", erneut begeistert das Songwriting inklusive den eingebauten Momenten der Ruhe. "Green Land" verbindet Punk und straighten Goth Rock geschickt und lässt auch mal Platz für einen hitchcocksen Spannungsbogen. Wild und kompromisslos spielt man mit Extremen, um sich in der Unbekümmertheit der Dunkelheit ein Nest zu bauen. Aus einem tiefen Grab empor steigt das doomige "(and the devil said) because". Musikalisch sicher das depressivste Output, dessen Schönheit als Mantel der Elegie über ein eindringliches Riffing gestülpt wird und mit vertrakten Keys versehen, sich zum Schluß einer wilden Orgie gleich dem Licht präsentiert. Der Titelsong hat sich nach und nach zu meinem heimlichen Lieblingssong entwickelt. Dunkler Rock mit Gespür für balladeske Momente, hingebungsvolle Eruptionen oder ganz einfach gesagt, die Macht der dunklen Musik als komplexes Kunstwerk inszeniert. Mit "calix Babilon", welches sich fast Hörspiel-mäßig entwickelt, löst man dann "(and the devil) because" als düstersten Track ab und zudem dürfte dieser Track als perfekter Einstieg in nächtliche Alpträume dienen. Reptyle gelingt es, durch die Tür der Vergangenheit in die Zukunft zu gelangen, gehen wir einfach mit. Ein Werk, dessen Klasse fernab aller schwarzen Strömungen wie ein Mahnmal für perfekten, traditionellen Goth-Rock steht. (andreas)