TORFROCK + WOHNRAUMHELDEN :: Außer uns spielt niemand Rock mehr...
Meier Music Hall in Braunschweig am 02.12.2010
(Fotos by Chris)

Heute macht sich unser Tourbus in Richtung Braunschweig auf, um die WOHNRAUMHELDEN zusammen mit TORFROCK zu erleben. Im Gepäck haben Kathi und ich dieses Mal unsere Eltern und meinen Bruder samt Braut, was dem Ganzen den Flair eines Familienausfluges verpasst. Leider sind wir heute allerdings nicht komplett, denn mein Vater findet sich leider (oder zum Glück, das kommt ganz auf die jeweilige Perspektive an) plötzlich und unerwartet im Krankenhaus wieder. Aber zwei Sachen hat er uns auf den Weg: "Viel Spaß" und "Bringt mir eine CD der WOHNRAUMHELDEN mit". Ob wir das mit dem Spaß ohne Weiteres hinbekommen, kann man bei Beginn der Fahrt noch gar nicht sagen, das mit der CD sollte aber generell kein Problem sein. Der Grund, warum die Fahrt nicht nur eine Freude ist, liegt in dem wunderbaren Winterwetter begründet, welches der Fahrerin einiges an Ruhe und Besonnenheit abverlangt. Aber Kathis Traumberuf ist LKW-Fahrerin und ihr Spitzname "Rubber Duck", und so kommen wir, nachdem wir alle eingesammelt haben, nach etwas längerer Fahrt im verschneiten Braunschweig an.




Da auch die WOHNRAUMHELDEN jetzt erst ankommen, verzögert sich der Einlass aufgrund des Soundchecks etwas, aber wir warten bei gekühlten Getränken und Füßen im Auto, bis die Meier Music Hall die Tore öffnet.
Drinnen angekommen, sehen wir, dass die WOHNRAUMHELDEN ihr bekanntes Wohnzimmer wieder im Gepäck haben und ziemlich bald fangen C-Punkt "Die Stimme der Vernunft" Stein Schneider (der Lange mit den roten Haaren und dem grünen Anzug) und B-Man "Der Vulkan der Romantik" Mayor (der weniger lange mit den nicht-roten Haaren) an, die Anwesenden mit der geballten Weisheit des Universums zu bombardieren. Diese Anwesenden, außer ein bis zwei Pressefuzzis, wagen sich nicht näher als drei Armlängen an die Bühne heran und schaffen es so anfangs noch, dem Weisheitsbombardement auszuweichen. Diese Zurückhaltung ist laut Prof. Grzimek mit der natürlichen Scheu der Braunschweiger einer Band aus Hannover-Slash-Linden gegenüber zu erklären. Aber die WOHNRAUMHELDEN wären nicht von der Göttin der Musik berufen, wenn sie es nicht schaffen würden, dem Publikum die Leviten zu lesen. Und was soll man sagen? Schlummbadibummbumm, hat man sich eine "Rock am Ring"-Menschenmenge organisiert, die es irgendwie bewerkstelligen muss, gleichzeitig zu hüpfen und zu klatschen, was ja schon generell eine Sache mehr ist, als der Durchschnittsmann gleichzeitig erledigen kann. Scheint aber zu klappen und während das klappt, bricht auch noch was. Nämlich der Damm im Publikum. Da wird der "Hubschrauber" gemacht, dem "Sonnenlicht" abgeschworen und bei "Woolworth" eingekauft. Der Versuch, die Vulgärsprache bei "Beine, Arsch und Titten" im Hinblick auf die persönliche Schamgrenze abzuwandeln ist ein schier unlösbares Unterfangen, wobei ich gar nicht weiß, was an "Beine" so schlimm sein soll.

Der Huldigung des Fleischkonsums namens "Fleischsalat" kann man sich auch als Vegetarier nicht entziehen. Jedenfalls besagen Gerüchte, dass am nächsten Tag die Fleischtheke im Braunschweiger ReweAldiReal mit "Roulade - oh-ho-ho-hoooo"-Schlachtrufen gestürmt und bei dieser Gelegenheit auch geplündert wurde. Bei "Wir sind der Rauch" werden die Grenzen des politischen Protestes wieder in Richtung 1968 verschoben und ein glücklicher darf auf der Bühne als Teil der Inszenierung genüsslich eine durchquarzen.

Wie gut die Band ist, merkt man daran, dass immer wieder, völlig ungeplant und spontan Szenenapplaus und manchmal sogar euphorischer Jubel einsetzt. Wahnsinn! Die positiven Resonanzen werden allerdings auch ein bisschen erkauft mit einem Versprechen, dass man ein Bier gewinnen kann, welches man sich sofort an der Theke abholen und bezahlen darf. Naja, diese Hannover-Slash-Lindener wissen, wie man die Menge auf ihre Seite zieht.

B-Man, der heute nicht nur die Saiten schrubbt, sondern auch die Trommel schlägt und mit seinem Mund urige Töne fabriziert, stellt seine Ein-Euro-Kraft "Conrad" vor, der in Wirklichkeit ein kleiner Trommelcomputer ist! Unfassbar, aber möglich. Knüller des Tages wird allerdings die Aktion, als bei "Helden" ein kleiner Pöks, nennen wir ihn einfach "Zukünftiger Schwarm aller Frauen" im Publikum ausgemacht wird, weil er ein WIR SIND HELDEN trägt und wahrscheinlich ganze 10 Lenze zählt.
Anschließend stürmt "Zukünftiger Schwarm aller Frauen" die Bühne und B-Man verzichtet generös auf sein Crowdsurfing-Showelement und bietet dem kleinen Bühnenstürmer ein einmaliges Erlebnis an. Der freut sich, nimmt dankend an und Anlauf und springt wie ein Profi von der Bühne auf die Arme der eilig herbeigerufenen Massen. Dann wird er durch die Halle getragen, nimmt an der Theke zwei Mineralwasser in Empfang und zurück geht die Reise durch die Meier Music Hall.

Nach der Landung wird zünftig weitergefeiert und in mir reift die Erkenntnis, dass die WOHNRAUMHELDEN der Inbegriff einer Livekapelle sind. Im Brockhaus (kennt das Ding noch einer? Ist die antike Offline-Variante von Wikipedia!) wird neben dem Begriff "Liveband" sicherlich das ein oder andere Foto unserer WOHNRAUMHELDEN zu sehen sein. Witz und die Fähigkeit, das Publikum für alles Mögliche zu begeistern, verbunden mit einer positiven Aura und sogar einem unwiderstehlichem Charme machen sie zu einem Garant an hervorragender Liveunterhaltung mit Niveau. Manchmal allerdings auch ohne. Ich hoffe, denke und wünsche, dass es nicht das letzte Mal war, dass wir die Götterboten auf den Brettern, auf denen Legenden geboren werden, gesehen haben. Aber schaut mal auf www.myspace.com/wohnraumhelden, da gibt's lecker Weisheiten, geschnitten oder am Stück.




Au Backe, was kann man über TORFROCK schlechtes schreiben? Hm, fällt mir im Vorfeld nichts ein. Nach dem Konzert auch nicht, also dürft ihr euch auf eine kleine Jubelarie auf den guten, alten Rock'n'Roll in Gestalt der Torfmoorholmer Band gefasst machen. Vorher gibt es allerdings noch eine moralische Frage zu klären, die ich gerne aufwerfen möchte. Inwieweit ist es höflich oder schlimmstenfalls vielleicht gar dem Erbe abträglich, wenn man öffentlich den Abend abfeiert, während ein potentieller Teilnehmer und Mitfahrer im Krankenhaus an die Decke guckt und sich von renitenten Zimmerkollegen auf der Intensiven um den Schlaf krakeelen lassen muss? Hm. Erinnert mich irgendwie an den Werner-Film. Naja, nu isses passiert. Ich halte euch auf dem Laufenden.

Also TORFROCK... Live, ganz ohne Zweifel, eine der schärfsten Rock'n'Roll-Combos, die jemals von Odin in Haithabu abgesetzt wurden. Es fällt wirklich schwer etwas ganz besonderes hervorzuheben, denn wenn Klaus Büchner, Raymond Voß, Volker Schmidt und Stefan Lehmann die Bühne betreten, gibt es heiße Ohren für Jeden.
Ganz klar steht heute der Neu-Trommler Stefan Lehmann im Fokus der schlagzeugbegeisterten Konzertbesucher, hat er doch den kürzlich ausgestiegenen Olli Steinwede ersetzt. Aber manchen Menschen sieht man einfach an, dass es ihnen bei der Arbeit gut geht und diesen Eindruck bekommt man ohne Frage, wenn man ihn während der Show beobachtet. Vor allem das herumalbern, während er mit dem Schellenkranz mal Freigang bekommt und vorne an der Bühne herumtigern darf, zeugt von einem sympathischen und ohne Zweifel auch noch gutangezogenem Herren, der sich hervorragend in das Arbeitsumfeld eingegliedert hat. Ein herzliches Willkommen jedenfalls von unserer Seite!

TORFROCK glänzt durch eine großartig und vor allem authentisch dargebotene Mischung aus Rock'n'Roll, Boogie und natürlich auch den geliebten Gedichten, steht den großen internationalen Bands in nichts nach, sondern die sympathische (und sympathisch ist gleichzusetzen mit "norddeutsche") Art macht sie zu etwas ganz Besonderem. Aber erst die Mischung aus Rockmusik und den beinharten Texten, die man in die Kategorien "ernsthaft", "Klamauk" und "Party" einordnen kann, machen den ganzen Charme der Band aus.
Was heute ganz besonders auffällt, ist, dass nicht nur die Zielgruppe da ist, die bereits zu "Volle Granate, Renate" oder dem "Presslufthammer B-B-B-Bernhard" die wilden Feten gefeiert hat, sondern auch die Zielgruppe, die bei solchen Parties entstanden ist, als "Beinhart" in den Charts war. Absolut stark, denn auch die Jungen feiern was das Zeug hält und zack, ist die Stimmung beim Gig am Überkochen.

Die Songs stechen aber heute auch wieder und "Rollo" ist ein Einstieg, den müssten sich so manche Band als Highlight in den hinteren Teil des Sets legen, aber hier fällt direkt danach "Die Bagalutenband" und der "Schimmelreiter" ein, bevor man die Bahn mit Marzipan freimacht. Weitere persönliche Highlights des Abends sind für mich "Rut mit'n Torf", "Karola Petersen", "Der Boxer", "Die Sonntagsjäger", "Volle Granate, Renate" und selbstverständlich der "Preßlufthammer B-B-B-Bernhard"! Ganz besonders zu erwähnen sind die beiden langen Stücke "Der Trunkenbold" und "Willi die Ratte", bei denen Raymond uns zeigt, dass er der verschollene Zwillingsbruder der ZZ TOP-Typen ist und eine so großartige Rock'n'Roll-Perfomance an den Tag legt, dass es nur einen Fingerzeig von ihm braucht, um die Meute zu kontrollieren. Wirklich ganz großes Tennis, wie ich finde. Bei "Butterfahrt" stand ich ganz hinten in der Halle, um schöne Fotos zu machen (vielen Dank an dieser Stelle an Lars Peters von www.music-pics.de für den dezenten Tipp!) und es war einfach herrlich zu sehen, wie alle Bagaluten und Bagalutinnen fröhlich miteinander schunkeln, ein Bild für Odin!



Zu meiner unsäglich Freude komme ich endlich in den Genuss des Gassenhauers "Leise pieselt das Reh", aber schließlich sind wir ja hier auch auf der beinharten Bagaluten-Wiehnacht! Superb! Ein Ohrwurm, wie er im Buche steht.
Ebenfalls toll ist der Instrumentenwechsel zwischen Volker und Raymond, die dann perfekt eingenorddeutscht "Hey Jo" bringen. Wirklich stark. Wusstet ihr eigentlich, dass die eingedeutschen Rockklassiker das erste Erkennungszeichen der Band war? Zu Beginn der abwechslungsreichen Karriere hatte man sich an die Klassiker "Let's wörk togesser", "Oh Karola", "Hey Jo" gewagt und somit sicherlich erst mal für Aufmerksamkeit gesorgt.

Wenn eine Show richtig gut ist, schaut man ja nicht auf die Uhr und umso erstaunter muss ich dann feststellen, dass die Band bereits gute zwei Stunden lang auf der Bühne steht, aber ein Ende immer noch nicht in Sicht ist. Im Gegenteil, sie holen noch zwei Mikrofone und die beiden Gitarren auf die Bühne, die man vorhin doch schon bestaunen durfte und wozu? Richtig! Zusammen mit den WOHNRAUMHELDEN spielen TORFROCK noch einen Song und zwar den absoluten Rockklassiker "Rock", der aus der Feder der WOHNRAUMHELDEN stammt. Das ist ein klares Indiz, dass TORFROCK der eigene Status zwar bewusst ist, aber die Egos völlig geerdet sind, denn welche Band akzeptiert, dass eine andere Band das Konzerthighlight liefert?! Das schaffen nur echte Größen! Meinen fetten Respekt für diese (absolut richtige) Entscheidung.
Kurz darauf ist Feierabend und den haben sich die Torfmoorholmer Bagaluten und die Hannover-Slash-Lindener aber auch redlich verdient!

Für Mutti, Vati und den Metaller, bleiben TORFROCK der größte Knaller. Versprochen! Guckt mal, ob die Bagalutenband nicht auch bei euch anlegt, das solltet ihr euch nämlich nicht entgehen lassen: www.torfrock.de!

Dank der wirklich großzügigen Spielzeit von guten 2 Stunden und 15 Minuten haben wir sogar noch die Gelegenheit, auf dem Parkplatz auf Ellis Geburtstag anzustoßen! Lecker Sekt und kalte Füße inklusive! Wenn ein neues Lebensjahr so beginnt, kann es ja nur wunderbar werden!

Und eine persönliche Sache wollen wir unserem Vater noch mit auf den Weg geben:



Mein "vielen, dollen Danke" geht an Frank vom Eurasia Stageservice (www.egal-braunschweig.de), die Bands, Lars Peters und ein besonderer Gruß an B-Man Mayor: Vielen Dank für die Signatur, mein Pa hat sich sehr gefreut...! (chris)



Startseite