SEPULTURA + DENY THE URGE :: No Photos, please.
Meier Music Hall in Braunschweig am 05.08.2010
(Fotos by Chris)



SEPULTURA suchen die Meier Music Hall heim und da war klar, dass wir dabei sein wollen! Also machen wir uns direkt nach Dienstschluss auf, die Reise zu beginnen. Der Regen und die konjunkturfördernde Autobahn Richtung Braunschweig sorgen dafür, dass wir pünktlich um kurz vor Acht an der Halle ankommen.

Das Erste, was uns beim Betreten der Meier Music Hall auffällt ist (neben der bekannten Freundlichkeit sämtlichen Personals), dass vor der Bühne Wellenbrecher aufgebaut sind, es also einen Fotograben gibt, was mich einerseits sehr freut, andererseits der Veranstaltung etwas Intimität raubt. Aber SEPULTURA sind auch nicht irgendeine Band, denn sie machen das seit 25 Jahren und sind schlichtweg Legenden und ich glaube, dass sie aus gutem Grund eine Barrikade vor der Bühne wünschen.
Für Konzertfotografen gilt in der Regel, dass man nur während der ersten drei Songs ohne Blitz fotografieren darf, aber warum die Crew diese Regelung bei allen Gästen durchsetzen muss, ist mir in Zeiten von Fotohandys, iPhones, youtube und Konsorten schlichtweg schleierhaft, aber auch da wird der Status der Band und deren Anspruch diese Maßnahme wohl erklären, wenn ich diese Entscheidung auch für vollkommen übertrieben halte und bisher nur bei BOB DYLAN erlebt habe.
Die nächste Auffälligkeit ist, dass das "Ausverkauft"-Schild nicht aufgehängt werden kann. An der Qualität der beiden Bands wird es sicher nicht liegen, aber das Wacken Open Air ist ja bereits im Gange und ich glaube, dass man diesem Umstand sicherlich Tribut zollen muss.




Als Anheizer fungieren heute DENY THE URGE aus dem Einzugsgebiet Braunschweig-Goslar-Harz, die mit ihrem Silberling "Blackbox on Human Sorrow" ein formidables Lebenszeichen veröffentlicht haben, auch wenn die Veröffentlichung bereits einige Monde her ist.
Frontmann und Gitarrist Henning Osterloh, der mit seinen flapsigen Art teilweise für (lustige) Irritationen sorgt, aber dann schnell einlenkt und als Bedienungsanleitung ausgibt, dass man ihn nicht so ernst nehmen sollte. Sympathisch ist er ja. Und gut spielen und singen kann er auch. Vor allem im Zusammenspiel mit seinem Gitarrenpartner Olaf Danneberg, der manchmal einen unzufriedenen Eindruck zu machen scheint, ergänzt er sich hervorragend, was vor allem bei den abwechselnden Soli richtig ins Ohr sticht. Die Rhythmusgruppe, die aus dem neuen Bassisten Max Hunger und Kai Ludwig sorgen in meinen Ohren fehlerfrei für einen anspruchsvollen Rhythmusteppich und vor allem das Drumming von Kai verdient eine besondere Erwähnung, denn anstatt wie viele seiner Kollegen einfach nur einen Takt zu klöppeln, leistet er Schwerstarbeit, wenn der über die Kessel fliegt und richtig geile Drumfiguren abliefert, die weit entfernt sind von langweiligem Standardgetrommle. Respekt!
Überhaupt wird der technische Death Metal sehr tight rübergebracht und im Laufe des Gigs finden immer mehr Raucher und Berufstätige den Weg vor die Bühne, um die Band mit gebührendem Applaus zu entlohnen. Andererseits sind die Reaktionen der Zuschauer dennoch etwas zu verhalten, wenn man bedenkt, dass eine Band auf der Bühne steht, die zumindest teilweise ein Heimspiel hat. Vielleicht ist der musikalische Unterschied zum Hauptact aber auch zu groß, man weiß es nicht. Mir jedenfalls gefällt die Musik sehr gut und auch die Darbietung geht grundsätzlich völlig in Ordnung. Allerdings bremsen die ständigen Tuning-Pausen den Fluss deutlich und kosten der Band auch etwas Zeit.
Diese Zeit fordert auch der kleine Generalfeldmarschall ein, der wahrscheinlich SEPULTURAs Tourmanager ist, als er der Band nach "Ruler of the East" signalisiert, dass sie ihren letzten Song nicht mehr spielen dürfen. Um keinen Ärger zu machen, beugt sich die Band dem Diktat und verlässt nach einer guten Stunde die Bühne.
Weitere Infos zur Band und ordentlich viel zu Hören bekommt ihr auf www.myspace.com/denytheurge!

Der kleine Generalfeldmarschall versüßt uns auch ein wenig die Umbaupause, während er z.B. wie fachmännisch gegen den Wellenbrecher trit,t um die Stabilität zu überprüfen und hochwichtig auf und ab marschiert... drolliges Kerlchen.




Nach einer knappen halben Stunde ertönt dann endlich das Intro und man kann hinter der Bühne Paulo Jr. (b) und Andreas Kisser (g) herumalbern sehen und das ist ja schon mal ein gutes Zeichen und lässt die Hoffnung auf ein geiles Konzert wachsen. Nach dem Intro kommt dann Neu-Drummer Jean Dolabella auf die Bühne, der herzlich empfangen wird, genau wie der Rest der Truppe. Blickfang ist und bleibt natürlich der rastagelockte Hüne Derrick Green. Musste ich ihm auf den Festivalbühnen im letzten Jahr eine gewisse Deplaziertheit bescheinigen, trifft diese Einschätzung bei diesem Gig in keiner Weise zu! Er füllt (im wahrsten Sinne) die Bühne mit seiner Präsenz und unterhält sich in einem hervorragenden deutsch mit den Fans, was dem freundlichen Riesen noch mehr Sympathien einbringt. Stimmlich ist er ebenfalls in einer guten Verfassung und so kann er sich einen Smiley ins Tagebuch malen.

Sympathien erntet man auch mit dem Beginn der Show, welche mit "Moloko Mesto", dem genialen "Arise" (was wieder viel zu schnell gespielt wird) und "Refuse / Resist" und einem meiner absoluten SEPULTURA-Lieblingssongs "Dead Embryonic Cells" (welches eines der geilsten Metal-Stücke aller Zeiten für mich ist) besser gar nicht starten könnte! Danach kommen die stärksten Songs der jüngeren Vergangenheit zum Tragen (u.a. "Filthy Rot", "Convicted in Life", "What I do", "Spit" (ok, das ist das älteste Stück dieses Blockes) und "The Treatment") bevor man die ultimative Oldschool-Keule auspackt und die Fans mit "Troops of Doom" und "Escape to the Void" beglückt. Im Vorfeld zu letzterem Song spielt uns Herr Kisser mal zwei alte Stücke an und Derrick testet unser Oldschool-Wissen, aber irgendwie mogeln wir uns durch die Prüfung und wir sind weiterhin Mitglieder der "Sepulnation" und leben in unserer "Slave New World", in der wir unser "Territory" verteidigen werden. Nach dem Klassiker "Inner Self" kommen die Zugaben sehr perkussiv mit "Ratamahatta" und den Abschluss bildet das legendäre "Roots Bloody Roots", bei dem die Hütte endlich komplett durchdreht und in der ersten Reihe liefert man sich heiße und harte Kämpfe um die Pole Position.
Bitte bedenkt, dass die Aufzählung der Tracks leider nicht vollzählig ist, ein und drei Songs mir irgendwie durch die Lappen gegangen sein könnten. Dafür bitte ich um Verzeihung!



Ich bin als Oldschool-Fan mit der Anzahl der neueren Stücke nicht hundertprozentig zufrieden und hätte mir das eine oder andere Schmankerl aus der Ära bis zum "Chaos A.D."-Album gewünscht, aber hey, das Spiel kann jeder von uns nach jedem Konzert von jeder Band spielen und soll lediglich ein subjektives Empfinden wiedergeben, zumal die gespielten Songs und die Qualität der Show ja nun wirklich alles andere als dröge waren und ich auch die neuen Scheiben zu schätzen weiß.

Bei Gelegenheit muss aber mal jemand dem Herrn Kisser sagen, dass der Look mit wadenlangen Shorts und Thrombosestrümpfen ein absolutes "No go" ist. OK, ich bin Kleidungstechnisch ja auch nicht gerade ein Paradebeispiel an modischer Eleganz, aber dat? Nee, nee! Naja, die Gitarre hat er jedenfalls ordentlich singen lassen und nicht nur mit den tödlichen Riffs gepunktet, sondern auch seiner eigenen Art die Soli zu zocken. Und genau diese Art des Spielens macht den SEPULTURA-Sound so unverwechselbar.
Paulo Jr. und Jean Dolabella sind eher unauffällig im Erscheinungsbild (von der voluminösen Haarpracht des Trommlers abgesehen), tragen aber entscheidend dazu bei, dass der Tribal-Thrash der Brasilianer überhaupt noch existiert und auch wenn ich durch den Ausstieg von Igor Cavalera die ganze Band eigentlich am Ende gesehen haben, muss ich sagen, dass man mit Dolabella einen erstklassigen Nachfolger in Kanu geholt hat! Meinen Respekt.

Nach ca. 100 Minuten ist dann Zapfenstreich im Regenwald und strahlend verschwindet die Band hinter die Bühne.

Ich muss ganz klar feststellen, dass man SEPULTURA in einer kleinen Halle viel authentischer miterleben kann, als auf einer großen Festivalbühne, wo die Intensität doch deutlich abnimmt. Also, wenn man die Chance hat, die Jungs in einer schönen Halle zu erleben, sollte man keine Sekunde zögern, denn sie ist ihr Geld definitiv wert. Checkt mal die Tourdaten auf http://sepultura.uol.com.br/v6/ und versucht, sie nicht zu verpassen!

Mein Dank geht wie immer an die Band, dafür, dass sie rauskommen und uns unterhalten und natürlich an Mario von www.undercover-net.de, der neben der Bühne gestrahlt hat, dass man keinen Spot mehr brauchte. (chris)



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