EMILIE AUTUMN :: Zu besuch bei Alice im Wunderland
Batschkapp in Frankfurt am 22.02.2010
(Fotos by Kira)



Schon beim betreten wird klar: ich sprenge die Altersgrenze und treibe sie mit 29 Jahren in ungeahnte Höhen. Da auf der Homepage ausdrücklich auf ein Erscheinen mit Eltern hingewiesen wird, wenn man unter 16 Jahren ist, finden sich nur ganz hinten an der Bierbar ein paar hartgesottene Ü40er, harrend der Dinge die da kommen mögen.

Die Stage wirkt wie eine Kulisse zu einer Szene aus Alice im Wunderland: Teeservice mit kreischend bunten Lollies und Muffins garniert mit Lebensechten Totenköpfen, Puppen und Teddys (namens Suffer) zwischen Schildern mit der Aufschrift:" Unholy Whores", riesige Plastikratten, Uhrgehäuse...
EMILIE AUTUMN ist ein Gesamtkunstwerk, sie schneidert ihre Klamotten selbst, sie spielt Violine, Klavier und singt, komponiert ihre Stücke selbst und schreibt Bücher. Sie selber bezeichnet ihren Musikstil als "Violindustrial" (als Adaption an die industrielle Revolution im Viktorianischem Zeitalter). Klar, dass auch ihre Bühnenshow nicht einfach "nur" ein Konzert wird. Das ganze ist eher ein Varieté untermalt von Emilie´s Musik und gelegentlichen Gesangseinlagen.



Als das Intro ertönt bricht ein Gekreische und Gekicher los, das man eigentlich nur bei Tokio Hotel vermuten würde. Emilies´s Gefolge, die Bloody Crumpets, besteht heute aus einer promiskuitiven Burlesque Tänzerin, einer kanibalischen Tuchtänzerin, einem Alkoholkrankem Pirat und einer blonden Männermörderin. Sie selbst führt das Ratt-Pack an und nimmt das Publikum mit in ihre verschrobene Welt. Die findet in einer Anstalt für Viktorianische, aus der Art geschlagenen Mädchen ihren Mittelpunkt. Passend zur Rahmenhandlung ist der erste Song "4 O'Clock", die Zeit zu der das Asylum for waynard victorian girls zum Leben erwacht. Man bemerkt gleich, dass sie stimmlich nicht auf dem Höhepunkt ist, einige vorangegangenen Konzerttermine mussten auf Grund von Krankheiten verlegt werden. Die Fans stört das aber nicht im geringsten. Die ausgewählten wenigen Stücke, die Emilie zum besten gibt, sind der rote Faden durch die morbide Show. "The Art of Suicide", "God Help Me", "Dominant" und "Misery Loves Company" lassen die ausverkaufte Batschkapp zum Tollhaus für psychisch Kranke werden.

Der äußerst erotische Federtanz der Burleske lockt die männlichen Volljährigen hinter ihrem Bierglas hervor, sind die Corsagen doch wahnsinnig knapp geschnitten, das Dekolleté tiefer gelegt und die Beine ach so lang. Als Krönung wird dann eine ungeküsste 18 jährige ausgewählt, die hemmungslos mit der rolligen Retro Dame knutschen darf. Passend dazu singt Emilie mit ihrer schrill, kreischenden, vom Wahnsinn triefenden Stimme "I want my Innocence back".

Es gibt immer was auf der Bühne zu sehen, aufwändig geschneiderte Kostüme mit endlosen Details, irre Frisuren und tolles Make-up, waghalsige Klettereinlagen auf den Bühnenaufbauten. Äußerst skurill wird es, wenn die Anstaltsteeparty auf dem Programm steht. Hat man sich in die erste Reihe gepresst und die Platz verteidigenden Kratz und Tritteinlage hinter sich, wird man mit Muffins bespuckt, oder man gehört zu den glücklicheren, die nur den Tee um die Ohren geblasen kriegen. Immer wieder polarisierend ist Frau Autumn, die mit dem Publikum interagiert, Keyboard spielt, sich von ihren Roadies im Rollstuhl auf der Bühne rumschieben lässt und den anderen Showgirls auch mal den Hintern versohlt.
Ein letzter, absoluter Höhepunkt der 2stündigen Teeparty ist das Violinensolo "Face the Wall". Als Kind sollte Emilie zur klassischen Violinistin ausgebildet werden, aber Pustekuchen, zu "normal". Also stöpselt sie ihre Violine an einen Gitarrenverstärker und gibt das selbstkomponierte Stück zum allerbesten. Hier wird eigentlich erst klar, welch musikalisches Talent in der kranken Psyche der Emile Autumn schlummert. Schade nur, dass es nur eines dieser Soli gab.

Der Abgang der Crumpets von der Bühne wird vom ironischen "Always look on the bright side of life" begleitet. Als die Lichter angehen wird sichtbar ,wieviele Mädchen sich aufwändig ganz im Emilie Style gekleidet haben und selig lächelnd an Mama´s oder Papa´s Hand nach Hause in die Normalität gehen. (kira)


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