ALICE COOPER + TARJA + EISBRECHER :: Alles eine Frage der Technik...
Volkswagenhalle in Braunschweig am 13.11.2010
(Fotos by Chris)


2008 war ALICE COOPER mit WHITESNAKE auf Tour und ich hatte die Wahl, ob ich dorthin gehe (mit Fotopass und so) oder ob ich mit meiner lieben Oma den 80. Geburtstag feiere... ALICE COOPER sieht zwar älter als meine Oma aus, aber der Geburtstag meiner Oma ging selbstverständlich vor. Nun, zwei Jahre später, bekomme ich die zweite Chance auf das Erlebnis und diesmal ist es noch eine ganze Woche bis zu Omas Geburtstag hin, ansonsten hätte ich Oma diesmal wohl mitnehmen müssen.

Im Vorfeld wundere ich mich über die Zusammensetzung des Supports, denn mit EISBRECHER und TARJA sind ja zwei Bands dabei, die stilistisch nicht unbedingt in das Beuteschema eines ALICE COOPER-Fans passen wollen. Aber immerhin hat man auch kein Playback wie bei WHITESNAKE zu erwarten und mindestens eine der Vorbands hat einen brauchbaren Sänger. Andererseits beneide ich die Österreicher, denn in Wien durften mal die dort ansässigen BLOODSUCKING ZOMBIES FROM OUTER SPACE eröffnen, die mit ihrer megageilen Live-Version von "Poison" sogar das Original klar in den Schatten stellen.

Was uns beim Betreten der Volkswagenhalle in Braunschweig auffällt, ist zum Einen, dass die Musik leise im Hintergrund läuft und sogar Unterhaltungen möglich macht und zum Anderen, dass die beiden Kurven der Halle abgehängt wurden. Aber das ist platztechnisch genau die richtige Entscheidung, denn so ist die Halle wirklich gut gefüllt, auch wenn man noch genug Platz hat, um sich bei ALICE COOPER zu bewegen. Die Mischung des Publikums ist wie erwartet: Leute, die sich mal einen besonderen Konzertabend gönnen, sitzen auf den Rängen, Metaller in Kutten, Emos, Elektros, gruselig Geschminkte und alles jenseits von Gut und Böse finden sich ein zum Stelldichein. Die Merchandisepreise liegen mit 30 Euro pro T-Shirt recht hoch und auch die Supportbands müssen bei diesen Preisen mitziehen, aber es wird ja niemand gezwungen, gelle?!




Früh am Abend, nämlich um 19 Uhr, startet dann auch der EISBRECHER seine Fahrt. EISBRECHER sind nicht wirklich nicht meine Baustelle und wenn jemand zur Beschreibung den Begriff RAMMSTEIN in den Mund nimmt, hat er nicht gänzlich unrecht, auch wenn EISBRECHER deutlich eingängiger zu Werke gehen. Die Band betritt die hell erleuchtete Bühne "Eiszeit"-mäßig im dicken Parka und ich mag mir gar nicht vorstellen, wie heiß es darin sein muss, aber nach dem ersten Song entledigen sich die Herren auch sofort der Winterbekleidung und zeigen, dass sie durchaus modebewusst und stilsicher, wenn auch laut eigener Aussage streng riechend, sind. Musikalisch gibt es ca. 30 Minuten warme Ohren und Alexx hat klar erkannt, dass sie heute hier sind, um das Publikum anzuheizen und bedankt sich nach dem Gig für die Chance. Überhaupt ist der "Checker" ein überaus sympathischer Zeitgenosse, der die Anwesenden gut unterhält. Unterhaltsame Ansagen, verunglückte Kalauer ("Gertie, die Gerte" geht ja mal gar nicht, lieber Alexx), harsche Riffs und eine Menge Rhythmus bringen die Anwesenden gut in Fahrt und ich bin erstaunt, wie viele Leute die Band bereits abfeiern! Damit hätte ich bei dem bunt gemischten Publikum wirklich nicht gerechnet, hat der Sound doch nicht viel mit ALICE COOPER zu tun. Ich würd's mir zwar nicht in den CD-Player legen, aber live war das sehr unterhaltsam. (www.eis-brecher.com)




Die Umbaupause scheint länger als geplant zu dauern und man wird schon dezent ungeduldig, aber irgendwann schwebt die Elfe TARJA auf die Bühne. Ich mochte NIGHTWHISH nie wirklich, und TARJA als Band sowieso nicht. Aber im Live-Setting ist Musik immer etwas anderes, wie EISBRECHER soeben bewiesen haben. Was jetzt kommt, ist auch anders als erwartet, nämlich viel schlechter, als befürchtet. Technisch mag die Band topp sein, aber das Geschrei von TARJA halte ich nicht aus. Zum ersten Mal in meiner "Fotografen-Karriere" überlege ich ernsthaft, nach einer Handvoll verwackelter Bilder den Graben zu verlassen. Naja, ich halte durch, aber TARJA leider auch. Wenn sie "normal" singt ist es nicht mal so schlimm, aber wenn sie auf Oper macht, stellen sich uns die Nackenhaare hoch. OK, Geschmackssache, aber selten habe ich auf Konzerten schlimmere Musik hören müssen. Jede weitere Minute im Konzertsaal wäre Folter und so gehen wir gleich zum Getränkestand und stopfen uns während der nächsten gefühlten acht Stunden mit vielen anderen Lärmgeplagten die Ohrenstöpsel noch tiefer in die Gehörgänge, denn auch dort hört man das Geplärre. Für den Fall, dass Gorleben noch einen Platz frei hat, hätte ich da einen Vorschlag, wen wir einlagern könnten. (www.tarjaturunen.com)




Was nach der Umbaupause folgt, ist ein audio-visueller Hochgenuss, soviel möchte ich schon einmal verraten. Von 16 bis 66 Jahren reicht die Alterspanne im Publikum sicherlich und alle freuen sich auf den Fürsten der Finsternis, den Schock-Rocker, den Golfer und den Elektronikfachmarkt-Spezialisten: ALICE COOPER. Der Vorhang fällt, das Riff von "School's out" ertönt und in der Halle gibt es kein Halten mehr. Wer seinen Liveset mit drei der größten Klassiker eröffnen kann ("School's Out", "No more Mr. Nice Guy" und "I'm Eighteen") und im Laufe des Gigs nicht nachlässt, hat offensichtlich genug geile Songs in der Hinterhand.
Musikalisch muss ich unbedingt loswerden, dass die Band einfach saustark ist! Die Gitarristen Keri Kelly und Damon Johnson spielen sich bei den langen Soloparts, bei denen sich ALICE COOPER erholt oder umzieht oder was weiß ich, die Bälle zu und man merkt, dass jeder seinen eigenen Stil hat. Sie posen und auch wenn es absolute Vollblutprofis sind, merkt man, dass sie Freude an ihrem Job haben und die Fans danken es ihnen mit viel Applaus! Bassist und optischer Hafenarbeiter Chuck Garric spielt hervorragende Basslinien, die im Siebziger-Jahre-Hardrock gerne gezockt wurden und Trommelsöldner Jimmy DeGrasso belegt eindrucksvoll, warum er schon mit den größten Bands trommeln durfte. ALICE COOPER selbst ist sehr gut bei Stimme und agil wie ein 35jähriger, wenn er über die Bretter marschiert und so manches Mal denke ich mir, wie leicht sich ältere Herrschaften den Oberschenkel brechen, wenn sie so durch die Gegend geschleudert werden, wie Mr. COOPER.



Aber bei ALICE COOPER haben wir ja auch nicht nur die musikalische Ebene, nein, auch das Theater kommt nicht zu kurz. Und so tauchen immer wieder Gestalten auf, die z.B. die Show sabotieren wollen und dafür vom Meister bei "Wicked Young Man" erstochen werden, er selbst wird nach "Ballad of Dwight Fry" von der Guillotine geköpft, findet sein erneutes Ende nach "Cold Ethyl", an den Galgen kommt er nach dem wunderschönen Doppelpack "Only Women bleed" und "I never cry" und in die Eiserne Jungfrau wird er schlussendlich auch noch gesperrt. Es sind immer gute Theater-Effekte, die entsprechend in Szene gesetzt werden.



Während der Show werden natürlich auch Kostüme gewechselt und neben der obligatorischen Zwangsjacke, dem Voodoopriester-Outfit oder auch der "Spider"-Jacke ("Vengeance is mine") werden Requisiten gebracht und auch das Auftauchen der verrückten Krankenschwester sorgt für eine unterhaltsame Untermalung der Songs, auch wenn sie bei "Be my Lover" ihr Ende findet. Weitere musikalische Highlights sind dann noch natürlich "Poison", "Nurse Rozetta", "Dirty Diamonds" (bei dem Perlenketten ins Publikum geworfen werden), "Billion Dollar Babies" (natürlich mit der Babypuppe), "Feed my Frankenstein" und dem genialen "Under my Wheels", bevor es erst mal in die kurze Pause geht.

Zurück kommt ALICE COOPER in seiner Wahlkampfkleidung und mit "Elected" und dem Abschluss-Reprise "School's Out" mit riesigen, konfettibeladenen Luftballons, um die absolut würdige Partystimmung endgültig zum Überkochen zu bringen.

Spontaneität gibt es natürlich bei diesem Hard Rock-Event der Sonderklasse nicht, das wäre ja viel zu gefährlich, aber wenn man sich gute 90 Minuten unterhalten lassen möchte, ist ALICE COOPER zur Zeit (immer noch) das Maß der Dinge, glaubt mir! Leider gibt es auch kaum Interaktion mit dem Publikum, was dem Spektakel noch mehr das Flair einer Theatervorführung verleiht. Ob der Meister zum Schluss noch unbedingt seinen Werbeslogan ins Publikum sprechen musste, lasse ich mal höflich dahingestellt sein. Egal, es war eine absolut geile Show, die wirklich brillant unterhalten hat! (www.alicecooper.com)

Mein besonderer Dank geht an Jens und Liesa von Undercover (Webseite: www.undercover-net.de)! (chris)
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