KNORKATOR :: Hardcore Kabarett
Musikzentrum in Hannover am 23.10.2008
(Fotos by Chris)

Als wir am 23.10.2008 am Musikzentrum ankommen, ist es kurz nach Einlass und es steht eine mächtige Schlange vor der Tür und begehrt Eintritt in die heiligen Hallen. Die vielen Leute, die einem auf dem Weg dahin entgegenkommen, fragen immer wieder, ob man noch Karten über hätte, aber keiner will sich von seinen geliebten Tickets verabschieden und so bleibt der Eindruck, dass man vielleicht auch eine größere Halle hätte füllen können. Das Musikzentrum ist also ausverkauft und wir frieren uns den Arsch ab, während sich die Schlange langsam vorwärts schiebt. Drinnen angekommen, begutachtet man erst mal den Merchandise-Stand und gönnt sich ein kühles Blondes. Während der Umbaupause ertönen schöne Schlagersongs, die dann im weiteren Verlauf von bekannten Film- und Fernsehthemes abgelöst werden. Bei "Miss Marple" bewegt sich auch schon ein Großteil des Publikums rhythmisch im Takt mit.

So unkonventionell KNORKATOR sind, so buntgemischt ist auch ihr Publikum von typischen Studenten (das wird Stumpen gar nicht gerne hören) über Normalos und Bankangestellten, Metalheads, Punks bis zu freundlichen Skins ist heute alles vertreten und man wird im Laufe des Abends eine Menge Spaß haben.



Um 21.20h ist es soweit, die Intro-Musik verstummt und die KNORKATOREN betreten die Bühne und was danach in den nächsten 140 Minuten passiert, kann man am besten mit Hardcore-Kabarett bezeichnen, denn die Songs (u.a. die Männer-Trilogie "Der Alte Man", "Ich bin ein ganz besondrer Mann" und "Der ultimative Mann", "Böse", "Kurz und Klein", "Ich hasse Musik", "Eigentum", "Geschlechtsverkehr", "Franz Hose", "Mich verfolgt meine eigene Scheiße", "Ich lass mich klonen", "Es kotzt mich an", "Konflikt", "Hardcore", "Ma Baker", "Schüchtern" oder der Abgesang "Wir werden alle Sterben" und "Weg nach unten" knallen und werden durch einen Akustik-Part unterbrochen, der Stumpen zwar nicht so schmeckt, aber "man muss es halt machen". Das größte Pech für mich ist, dass gerade mein Lieblingslied, "Ding inne Schnauze", als Akustik-Variante gespielt wird, aber man kann bekanntlich nicht alles haben.

Einen extrem hohen Unterhaltungswert hat aber auch der Schabernack, den Stumpen, Alf Ator, Buzz Dee, Nick und Tim zwischen dem Liedgut veranstalten. Neben den "normalen" Verrenkungen, dem Orgel-zerkloppen und Grimassen schneiden crowdsurft schon mal eine Jacke, ein T-Shirt wird gerne mal durch den Schritt gezogen und weiterverschenkt oder man baut mit zwei Crowdsurfern ein "Floß" und ein Dritter stellt sich auf deren Bäuche und soll von dort aus kräftig ins Publikum abspringen. Stumpen ist von dem Sprung aber nicht sonderlich angetan und klettert daraufhin die Lichttraverse hoch und hüpft aus luftiger Höhe in die Menge, lässt sich zum Floß tragen und setzt auch dort zum Sprung an. Auch das Huckepack-Pogo ist eine großartige Erfindung und sorgt für Spaß und Bewegung, genau wie die "Wall of Loch" oder das Singen des Wortes "Fotze" in einem gregorianischem Möchskontext... Köstlich.



Mein persönliches Highlight ist aber die Tussi, die meint, vom Balkon blödes Zeug zu rufen ist witzig, aber da hat sie die Rechnung ohne Stumpen gemacht. Als sie ihn aus sicherer Entfernung als "Arschloch" betitelt, bittet er sie auf die Bühne und nach einiger Diskussion kommt sie der Aufforderung nach. Als Stumpen sie bittet, zu erklären, warum er ein Arschloch sei, kommt eigentlich nichts außer Dummsinn aus dem Mund der Dame. Womit der Erziehungsauftrag einer KNORKATOR-Show eindeutig belegt wäre: du kannst deine Meinung haben, aber wenn du sie nicht begründen kannst, hältst du lieber die Fresse. Ich glaube, dass Stumpen eine gute Begründung, warum er ein Arschloch sei, akzeptiert hätte, aber "Du spielst dich immer in den Vordergrund" kann man bei einem Entertainer und Frontmann wohl kaum als halbwegs intelligent durchgehen lassen.

Was kann man noch zu der Band sagen? Stumpen wirkt mit Haaren um Jahre gealtert und irgendwie hatte ich den Eindruck, dass er nur mit 100%-Power agiert, anstatt mit den gewohnten 150%, aber vielleicht liegt das auch nur an der Frisur, die er sich am 05.12.2008 abrasieren lässt, um sie bei ebay zu versteigern. Alf Ator prügelte wie ein Derwisch mit seinen Klobürsten auf seinen "Instrumenten" herum und wirkt bei einigen Monologen vom Frontmann etwas gelangweilt. Apropos "gelangweilt". Buzz Dee, der manchmal nicht viel zu tun hat, wirkt zwar nie gelangweilt, aber wenn er cool wie Otze mit verschränkten Armen das Publikum beobachtet, hat das schon Charakter. Bassist Tim Beam und Schlagzeuger Nick Daniels sind vom Charakter her die Ruhepole und sorgen eher unauffällig im Hintergrund für einen fetten Groove.



Ein großes Lob noch an die Band, die angeblich die Auflage bekommen hat, nach 90 Minuten Schluss zu machen, darauf aber pfeift und uns 140 Minuten lang glänzend unterhält und bereit ist, jede Strafe dafür in Kauf zu nehmen. Umso schwieriger wird der Abschied, denn nach dem "Weg nach unten" realisiert man, dass nun für uns Schicht im Schacht ist.

Ich kann mich bei KNORKATOR für ihre Schaffensperiode bedanken und die deutsche Musiklandschaft bedauern, da wir jetzt um eine wirkliche Attraktion ärmer sind. Wenn jemand die Möglichkeit hat, noch Karten für die ausstehenden Konzerte zu ergattern, sollte zuschlagen!

Mein spezieller Dank geht an Janet G.! (chris)



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