Blind Guardian + Astral Doors
Hannover, Capitol, 12.09.2006

Ich habe ich es noch nie geschafft, zu spät zu einem Konzert zu erscheinen. Heute aber ist es soweit. Asche auf mein Haupt! Ich bin tatsächlich fünf Minuten zu spät und die Vorband hat bereits angefangen! Seit wann ist fängt eine Metal-Show pünktlich an? Wer kann denn sowas ahnen? Als wir das Capitol betreten, ist es bereits heiß wie in der Hölle und im Vorraum kann man sich nur unter Zuhilfenahme der Ellenbogen bewegen. Warum diese relativ kleine, aber hübsche Örtlichkeit für die BLIND GUARDIAN-Show gewählt wurde, kann ich zwar nicht ganz nachvollziehen, aber egal.




ASTRAL DOORS spielen bereits ihrem zweiten oder dritten Song. Die Schweden spielen hervorragenden Hard Rock/Heavy Metal der DIO oder BLACK SABBATH-Ära und haben von Beginn an die zahlreich erschienenen Gäste fest im Griff. Die Band um den charismatischen Sänger Patrik Johansson hat genug Liveerfahrung gesammelt (u.a. auf einer Tour mit GRAVE DIGGER), um ihre Songs routiniert aber packend zu performen und die Menge frisst ihnen bereitwillig aus der Hand und ist für das eine oder andere Mitsingspielchen zu haben. Ich bin zwar kein ASTRAL DOORS-Kenner, aber ich glaube Tracks wie "Evil is Forever", "Tears from a titan", "Time to rock" und "Cloudbreaker" erkannt zu haben. Der Applaus zwischen den Songs fällt mehr als großzügig aus und nach 45 Minuten ist die Hard Rock-Extravaganza auch schon vorbei.




Dann heißt es warten auf BLIND GUARDIAN! Damit die folgenden 40 Minuten Wartezeit nicht zu langweilig werden, werden von den Fans immer wieder lautstarke Sprechchöre angestimmt und "Valhalla" wird auch schon mal intoniert. Die BLIND GUARDIAN-Fans sind schon was ganz besonderes.Dann geht's aber los! Das Intro "War of Wrath" startet und nach und nach kommen Hansi Kürsch (Gesang), André Olbrich (Gitarre), Marcus Siepen (Gitarre), Frederik Ehmke (Schlagzeug), Oliver Holzwarth (Bass) und Keyboarder Michael Schüren die Bühne und starten erwartungsgemäß mit "Into the Storm" durch. Anfangs ist der Sound noch durchwachsen, was sich im Laufe der Show allerdings bessert. Die folgenden Songs "Born in a Mourning Hall", "Nightfall", "Script for my Requiem", das neue und 100%ig livetaugliche "Fly", der Klassiker "Valhalla" oder "Time stands still" werden alle euphorisch aufgenommen, bejubelt und mitgesungen. Wo wir gerade beim Mitsingen sind: das folgende "Lord of the Rings" sorgt für den ersten Gänsehautschauer, denn von der ersten bis zur letzten Reihe singen alle mit, so dass man Hansi gar nicht mehr hören kann. Ganz groß. Mit "This will never end" kommt ein weiterer neuer Song, der sich ebenfalls wunderbar in die Setlist einreiht und schon jetzt als neuer Bandklassiker bezeichnet werden darf. Mit zwei Klassikern geht die Zeitreise auch weiter: "Welcome to Dying" und "Lost in a Twillight Hall" werden in die Menge gefeuert und das anschließende Mammutepus "And then there was Silence" beendet den regulären Set auf beeindruckende Weise.




Nach einer kurzen Pause melden sich die Jungs mit "Another stranger me" und "Imaginations from the Other Side" zurück, um danach gleich wieder von der Bühne zu verduften. Aber das Hannoveraner Publikum hat sich laut Hansi "noch zwei Nummern verdient" und endlich kommt der oft geforderte "Bard's Song - In the Forest": die Bühne wird in stimmungsvolles Licht getaucht, zwei Hocker werden bereitgestellt und alle anwesenden Fans singen aus voller Kehle mit. Mich würde mal interessieren, wann Hansi den Song das letzte Mal komplett selber gesungen hat?! Ich tippe mal auf die Studioaufnahme im Jahre 1992. Den krönenden Abschluss bildet eine powervolle Version von "Mirror, Mirror". Nach ca. 110 Minuten ist nun aber wirklich Schluss und die Band verabschiedet sich und wird noch minutenlang gefeiert wie Volkshelden.



Für die Fans fällt mir nur ein Wort ein: phänomenal! Jeder Song der Krefelder wird lauthals mitgesungen, dass man teilweise wirkliche Schwierigkeiten hat, Hansi's Stimme zu hören und man merkt, dass die Fans sich mit den Inhalten der Songs beschäftigen. Das wiederum bedeutet, dass BLIND GUARDIAN mit ihren Songs ganz genau den Nerv der Fans treffen. Ich glaube, eine größere Auszeichnung kann es für eine Band nicht geben. Wenn mal irgendwann jeden Abend 3.000 oder mehr Fans meine Texte derart inbrünstig mitsingen, würde ich wohl mit einem Dauerständer durch die Gegend hopsen. Der Band selbst darf man bescheinigen, dass sie in hervorragender Verfassung ist und die Titel souverän, aber mit Spaß inne Backen in das Capitol blasen. Der "neue" Schlagzeuger Frederik gibt ein sehr gutes Bild ab und sein Drumming prägt die Dynamik der Songs ganz entscheidend und zusammen mit Oliver sorgt er für den geilen Rhythmusteppich. Viel Bewegung findet auf der Bühne zwar nicht statt, heute ist eher Stand-Metal angesagt. Aber das ist anhand der durchaus komplexen Arrangements sicherlich nachzuvollziehen und zu verzeihen. Das Gitarrendoppel Marcus und André sind technisch auf der Höhe und die Soli gehen teilweise wirklich unter die Haut. Hansi ist ebenfalls gut gelaunt und unterhält die Menge zwischen den Songs mit kurzweiligen Ansagen. Gesanglich ist er gut drauf, aber wie bereits erwähnt ist er teilweise gar nicht richtig zu hören, weil die Fans heute alles geben.

Auf vielen Konzerten freut man sich auf bestimmte Songs der Band oder man hofft, dass sie möglichst viele Lieder vom Album "XY" spielen, aber was BLIND GUARDIAN den Fans bieten sind fast zwei Stunden Highlights am laufenden Band. Keiner der Tracks ist ein Füller und von jedem Album der Bandgeschichte (mit Ausnahme des Debüts) werden die erlesensten Perlen zelebriert. Dazu kommen Spielfreude und Hansis sympathische Art mit dem Publikum zu kommunizieren. Der Lichtmann hat sich auch noch ein besonderes Lob verdient, denn die Lightshow ist absolut geil und fängt die Stimmung der einzelnen Songs fantastisch ein und die eingespielten Projektionen runden den visuellen Part hervorragend ab.

Ein Abend, der mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Bis zur nächsten Tour! (chris)



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