Lacrimosa + Gothminister
Osnabrück, Hyde Park 02.06.2005

Der Hyde Park war nicht gerade voll, vor allem, wenn man bedenkt, dass die letzte Lacrimosa Tour knapp 4 Jahre zurücklag. Zunächst war man gespannt, welch kindlich-naive Spielereien der Gothminister aus Norwegen mitgebracht hat. Außer einem Totenkopfschädel als Utensil gab sich die Band aber erfreulich unpathetisch. Mag natürlich auch an der fehlenden Muse gelegen haben. Die Tracklist bestand hauptsächlich aus Stücken der aktuellen CD, welche sehr Metallastig ins Publikum geschmettert wurden, während die elektronisch inspirierten Melodien aus einem Beutezug während der 80er stammten. Dass ich kein Freund dieser Band bin, dürfte bekannt sein, allerdings kann ich diesmal keine großen Negationen beschreiben. Ein solide gespieltes Programm, instrumental und gesanglich nahezu perfekt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Die Umbaupause dauerte zu lang, vor allem wenn man bedenkt, dass quasi die Aufbauten schon bei Gothminister standen, der daraufhin nur einen kleinen Steg vor einem Vorhang zur Verfügung hatte. Vielleicht wollte man aber auch auf die Dunkelheit warten, denn der Hyde Park ist mit seinen vielen Dachluken nicht gerade ausgerüstet für Konzerte an länger hellen Tagen. Nachdem die Band, drei Saitenzupfer, Schlagzeuger und Anne am Keyboard, die Bühne betraten und ein kurzes Intro in "Kelch der Liebe" fließen liessen, betrat dann auch die Lichtgestalt die ausladende Empore, in dessen Mittelpunkt das Symbol von Lacrimosa mit vielen leuchteten Lichtern platziert war. Mit bis zur einer Exzentrik reichenden Arroganz gab sich Tilo während des Konzertes unheimlich wortkarg und mimte in den instrumentalen Passagen den Dirigenten. Wenn ich diesen in feinen Zwirn gekleideten Menschen nicht während zweier Interviews kennengelernt hätte, würde ich hier von einem eingebildeten Fatzken sprechen, der jegliche Realität verloren hat. Auf der anderen Seite bin ich hier, um gute Musik zu hören, und nicht um mit Tilo vergnügt eine Party zu feiern. Und nach dem wenig erbaulichen Auftritt beim M'era Luna im letzten Jahr (Probleme mit Gesang, Technik usw./ nicht die Schuld von Lacrimosa) war es diesmal wieder ein Genuß, den romantischen, teils harten, mal melancholischen Klängen zu lauschen. Etwas schade war nur das Fehlen von Live-Streichern, welche heuer allesamt über Band kamen. Nachdem der Opener gleich das Motto des aktuellen Albums perfekt beschrieb, war hernach erstmal Zeit für eine kurze Single Hits Session mit "Schakal" und "Alles Lüge". Besonders bei der druckvollen Darbietung des letzteren war jedem klar, dass Tilo's Gesang heute nichts zu Wünschen übrig lies. Bei "The turning Point" wechselten Tilo und Anne ihre Positionen, und wie Herr Wolff zum Tasteninstrument schritt glich einem Abschnitt aus dem Buch: Die Überheblichkeit der Bewegung. Nach "Malina" war es Zeit für einen alten Klassiker. "Tränen der Sehnsucht" wurde mit reichlich Schwermut dargeboten. Schön, dass man die Urform des Songs behielt und die Gitarren auch mal ihre sensible Saite zeigten. Überhaupt zeigte sich die Band weniger brachial und in bestimmten Momenten auch weniger bombastisch als 2001. Viel Getragenheit wurde heute geboten, deren Höhepunkt sicherlich der Song "The Party is over" war. Ein trauriges Stück aus dem aktuellen Album, welches Gänsehaut verbreitend seinen finalen Gipfel darin fand, dass Tilo zum Ausklang den Trompeter gab. "Seele in Not" vom ersten Album wurde quasi zweigeteilt und enthielt neben der bedrückenden Atmosphäre von vor 14 Jahren auch moderne Stilelemente. Das meiner Meinung nach genialste Stück Lacrimosas beendete den ersten Block. "Stolzes Herz" wurde nicht gespielt, es wurde inszeniert. Das Keyboard wurde zum Piano und es schien so, als ob Tilo bei der ersten Strophe ein wenig entrückt und nachdenklich wirkte. Das Schlagzeug implodierte und bildete so die Pforte zum eruptiven Refrain. Die Saiten wirbelten sich im Zwischenspiel in einem Rausch aus trockener Härte, während das Key nun eine verspielte Harlekin Melodie formte. Nach diesem Klasse Outro liessen die Zugabe-Rufe nicht lange auf sich warten. Die Band liess uns dann auch keine Nacht warten, um mit "der Morgen danach" die erste Zugabe zu beginnen, gefolgt wurde dieser eher ruhige Track vom poppigen "Ich bin der brennende Komet". Ein letztes Aufbäumen gegen die Nacht gab es mit "alleine zu zweit" und dem brachialen und härtesten Stück des Abends, "Copycat".

Fazit: Ein grandioses Konzert mit Gänsehautfeeling, tiefgreifenden Texten, welche sanftmütig den Kitsch streichelten, einem Tilo in Hochform (gesanglich / Entertainer wird er nie) und einer perfekt aufeinander abgestimmten Band.



Startseite