Unheilig + The Vision Bleak + Leichenwetter
Bielefeld, Triebwerk 22.10.2004

Es ist in Gesamtdeutschland schon selten genug, drei Bands von derartiger Qualität an einem Abend zu sehen, für Bielefeld, ach was sag ich, für Ostwestfalen ist es in diesem teils tristen Konzertjahr einzigartig. Zu verdanken hatten wir diesen Abend den Organisatoren von www.musik.terrorverlag.de, die dieses Event organisiert hatten.



Als Opener fungierten die Sauerländer LEICHENWETTER, die erst kürzlich ihren ersten Labelvertrag unterschrieben haben. Die Musiker, mit silbernen Masken verziert, drapierten sich um vier leuchtende Fackeln. Sänger Numen stand mit gebeugtem Haupt beim langgezogen Intro "Ecce Homo" am Mikro. Mit den ersten brachialen Riffs erhob er sich, um die "Feuertaufe" zu intonieren. Seine Stimme glänzte mit einem Wechselspiel aus rauen Gesängen und warmer Bariton Stimme, teilweise wurde er dabei von leichten Growls unterstützt. Die Band bearbeitet Werke verstorbener deutscher Lyriker und kleidet sie in ein zeitgemässes Gewand aus dunklem Goth Pop und Metal. Bestechend dabei die Atmsphäre, welche erzeugt wird. Die Härte umarmt die Melancholie. Neben Höhepunkten vom aktuellen Werk ("Urworte"), wie "Nur dich" oder "Verführer" gab es mit "Letzte Worte" auch einen ersten, gelungenen Ausblick auf die im Januar erscheinende zweite CD. Das mit einem getragenen Refrain und verspielter Elektronik daherkommende "Traurigkeit" liefert den Schlusspunkt unter einen gelungen Auftritt. Was ich hier mal herausheben möchte, ist die Begeisterung der Band, die Energie und der Enthusiasmus. Wer sich derart überzeugend auf der Bühne präsentiert, für den wird es immer ein leichtes sein, den Funken auf's Publikum zu übertragen. Heute ist dies zweifellos gelungen, obwohl die wenigsten Besucher vorher kaum etwas von LEICHEWETTER gehört haben. Es sei denn sie lesen unser Magazin :-)





Den Mittelteil des Abends bestritten THE VISION BLEAK, welche die Herren Ulf Theodor Schwadorf (EMPYRIUM) und Allen B. Konstanz (EWIGHEIM) ins Leben gerufen haben, um ihren Horror Goth Rock zu zelebrieren. Für die Liveperformance haben sie sich ein paar Mann dazu geholt, die den Gitarristen und den Sänger unterstützen. Das einzige Album, das die Band draussen hat, konnte sich vor guten Kritiken kaum retten, so dass man auf einen unterhaltsamen Gig gespannt sein durfte. Natürlich wurden nahezu alle Stücke des Albums in der Dreiviertelstunde dargeboten, wobei sich Sänger Allen als extrovertierter Erzähler zwischen den Stücken und später auch als Spaziergänger durch die Reihen hervortat. Egal ob "Metropolis", "Wolfsmoon", "Elizabeth Dane", alle Songs kommen auch live eigentlich sehr gut rüber, sogar etwas heaviger als auf dem Album. Großer Nachteil an diesem Abend war allerdings, dass der Gesang meistens zu leise vom Tonmeister abgemischt wurde (hier hatten wie zu erfahren war, TBV ihren eigenen Mann mit im Gegensatz zu den anderen Bands). Schade, sonst hätte das ein richtig geiler Gig werden können. So kam es nämlich, dass man sich im letzten Drittel des Konzerts zu langweilen begann, zumal THE VISION BLEAK noch immer nicht ihren Hit, "The Lone Night Rider", gespielt hatten. Das taten sie auch bis zum Schluss des regulären Sets nicht. Die Zugabe, die die anwesenden Zuhörer zwar vehement, aber nicht sehr lautstark gefordert hatten, brachte uns dann doch noch dieses Vergnügen. Und da ging nochmal so richtig die Post ab, sowohl auf als auch vor der Bühne.




Erneut war die Umbaupause fast zu kurz für den Gang zur Theke. Der Graf sah heute eher ein wenig aus wie der Bänker, welcher dir zum x-ten mal den Kredit verweigert. Mit einem geschickten Gefühl für weiche Melodien mit harten Saiten und tiefer Melancholie, lieferte UNHEILIG dann den Soundtrack für einen gefühlvollen Ausklang des Abends. Der durchdringende Gesang, geschickt eingestreute Gänsehautatmosphäre und Chorusse voller Ohrwurmcharakter zogen die Hörer schnell in ihren Bann, der Graf tat sein übrigens mit verwirrenden Bewegungen und verzweifelten Streichen über den glattpolierten Schädel. Es war ein Streifzug durch die besten Momente der drei bisherigen Alben, quasi eine Best of mit Schwerpunkt auf dem aktuellen Werk. Nach dem eher ruhig gelagerten "Dein Wort" lieferten sich im folgenden "Willst du mich" die Gitarren ein internes Duell mit den flächigen Keyboard-Sounds. Sehr gefühlvoll dargeboten wurde "Auf zum Mond". Textlicher Höhepunkt war "Freiheit", welches kürzlich von den Fans zur nächsten Single Auskopplung gewählt wurde. Das der Graf viel Wert auf den Geschmack seiner Fans legt, gab es ja bereits bei Schutzengel, logische Konsequenz, das dieser verträumte Song nun folgen musste. Nach einem Ausflug ins zweite Werk mit "Eva" und der elektronischen Variante der unheiligen Musik mit Maschine intonierte man zum Schluß des normalen Sets die Höhepunkte des Debüts, darunter natürlich "Sage Ja" mit dem Unheilig sich erstmals in den Clubs Gehör verschaffte. Nach "komm zu mir" verließ die Band für kurze Zugaberufe die Bühne, um mit "verrate mir" und dem durchdringenden "Himmelherz" die Besucher in den Disco Abend zu entlassen. Zumindest eines meiner Augen begann leicht zu schwitzen, weil ich vergebens auf das wundervolle "Schneemann" wartete.

Dein Wort
Willst du mich
Auf zum Mond
Jetzt noch nicht
Freiheit
Schutzengel
Eva
Gib mir mehr
Maschine
Sage Ja!
Komm zu mir
Verrate mir
Himmelherz




Fazit: Ein perfekt organisiertes Konzert (die Kürze der Umbaupausen dürfte einmalig sein, hing aber wohl auch damit zusammen, dass nach dem Konzert Disco war) mit perfektem Sound, der sowohl beim Opener wie beim Top Act herrschte (nur nicht wie schon erwähnt bei TVB). Drei hervorragende Bands, in ihrem musikalischen Grundstock zwar recht unterschiedlich, boten ein Konzerterlebnis der besonderen Art. Auch wenn 19 Euro Abendkasse extrem grenzwertig sind, jeder einzelne Cent hat sich gelohnt. Mehr davon.