Subway To Sally + Waltari
Hameln, Sumpfblume 07.04.2004

Nachdem ich vor ganz langer Zeit die Stadt zunächst von Ratten und später dann von ihren Kindern befreite, führte mich der moderne Konzertweg erneut in diese allseits bekannte Dorf-Stadt. Tradition hin oder her, die Anfahrt war problemlos, Staus waren eh nicht zu erwarten, schließlich hatte ich ja für reichlich Platz gesorgt.

Eine doppelte Premiere hatte dann der Laden zu bieten. Erstmals betrat ich die Sumpfblume und erstmals lief die Frage nach dem Gästelistenplatz in diesem Jahr problemlos. Reibungslos läuft so ein Abend aber trotz allem Wohlvollen des Himmels niemals. Das Parkhaus hatte einige Wirren für mich bereit gehalten. Da wäre ich doch fast, anstatt in den Fahrstuhl zu spazieren, glatt in mein gläsernes Ebenbild gelaufen. Der Innenarchitekt, der diesen Spiegel platzierte, muß ein seltsames Verhältnis zum Sadismus haben. Wahrscheinlich waren es seine Kinder, die ich damals entführte.

Ach ja, wir waren pünktlich da (dezente Reimversuche haben an einem Samstagabend schon ihren Reiz). Die Halle war gut gefüllt. Pünktlich, um uns die Finnen von WALTARI anzuschauen. Ihre Soundstrukturen sind sehr kompliziert, ihre Melodien vertrackte Erzeugnisse zwischen Pop, Goth, Punk und Alternativ. Der Sänger erinnerte vom Outfit her an Ratten - eh diese Stadt hat Spuren hinterlassen - ich mein' natürlich an Rotten. Verquere Elektronik meets durchdringende Melodien, aber der teilweise Rap Gesang, muß das denn sein? Ich hasse das. Perfekt in die Nu Metal Schiene gefahren, dabei kann der Sänger viel mehr. "Do you believe" ein Knaller, mit Ecken und Kanten versehen, aber mit einer eindringlichen Melodie behaftet. Harte, brachiale Gitarren werden in ein wohlfühl-mitsing-Refrain geführt, gleichsam aber mit abgedrehter Elektronik aus dem Universum geschossen. Sicherlich eine großartige Band, aber viel zu schwierig ,um Hameln einen neuen Fänger zu bieten.

Die Umbaupause diente dann dazu, erste Räuber-Gesänge anzustimmen. Das Intro der U-Bahn Fraktion kam aus dem Nichts, hatte aber eine Wachwirkung ohne Ende. Dass Subway diese Eröffnungsarie mit einem Knalleffekt inklusive Flammen beendeten, diente als perfekter Einstieg in ein Konzert, in dem die Band um Fish den schmalen Grad zwischen altertümlichem MA-Rock und modernem Metal praktizierten. Ein Spagat, den die Band beherrscht. Den Auftakt machte "Geist des Kriegers", welches nicht ganz so hart instrumentiert wurde wie auf der CD. Im Mittelteil durfte dann Frau Schmitt ihre Geige erstmals zu Tränen rühren. Direkt danach begab man sich auf das "Knochenschiff". Durchdringende Metal-Gitarren führten das Hamelner Volk auf's Riff. Etwas melancholischer wurde man bei "die Rose im Wasser". Die entzündeten Metallgefäße am linken und rechten Rand der Bühne erzeugten einen süßlichen Schwefelgeruch. Das elegische, leicht balladeske "Traum vom Tod" hätte auch auf Eric verzichten können, denn das Publikum sang diesen Song mit inbrünstiger Energie. Das Gleiche gilt für "Meister", nur einmal war das Auditorium ein wenig besorgt, als die Band Rammstein-like bewaffnet mit zwei Flammenwerfern das Publikum erhitzte und dabei eine kleine Flamme im oberen Bereich der Halle hinterliessen. Ein Feuerlöscher nach "Meister" bereinigte die Situation (was wär bloss losgewesen, wenn man mit Wasser gelöscht hätte).
Eric war unbeeindruckt und liess dreimal den Schrei los, wies aber darauf hin, dass wahrscheinlich nie wieder einer einen Streichholz auf der Bühne anzünden dürfte. Nachdem alle Widrigkeiten beseitigt waren, intonierte man das bedrohliche "kleine Schwester". Angesichts des Textes verging dem Publikum kurzzeitig die Feierlaune. Ein ausbrechendes Feuer hätte wohl für die gleiche Bedrückung im Auditorium gesorgt.

STS hat sich mit ihrem aktuellen Album etwas distanziert von der MA-Feierkultur, die Texte sind ernst, prägnant auf den Punkt gebracht. Eric versucht zwar immer wieder das alte Fan-Volk zu beglücken. Wie immer begrüßt er sein Publikum mit "hallo Freunde", bietet ihnen ein Spektakel, holt auch den Dudelsack heraus und spuckt Feuer, macht Späße auf der Bühne. Aber ein STS Konzert ist nicht mehr als purer Spaß zu verstehen, dafür sind die neuen, realitätsbezogenen Texte viel zu wichtig für die Band. Deshalb verzichtet Eric auch darauf, den Flummi für die Menge zu machen, er intoniert die Songs teilweise fast andächtig, während die Saiten eine doomige Melange aus Brachialität und durchdringender Melodie geben.

Die neuen Songs scheinen aber von dem erneut unterschiedlichen Publikum angenommen zu werden, so sang fast die komplette Gemeinschaft die aktuelle und erste Single der Band, "falscher Heiland", mit. Nachdem die Band ein zweites Mal die Bühne für eine Erfrischung verlassen hatte, gab es dann auch noch "Julia und die Räuber", wobei Eric seine Stimmbänder aus bekanntem Grund schonen konnte.

Wie immer ein explosiver Auftritt, aber im Vergleich zu früher ist der nach-Hause-Weg etwas anders, manche Lieder drängen sich ins Hirn und man denkt nach. (andreas)