Schandmaul
Bielefeld, Triebwerk 01.05.2004

Na, wo spielen sie denn nun? In vielen Magazinen war das Herforder Kick als Veranstaltungsort angekündigt, dann sollte im alten Güterbahnhof die Bühne errichtet werden. Allerdings nicht mit den Herfordern, denn sämtliche Auflagen (Lärmschutz, Brandschutz, Toiletten usw.) konnten nicht erfüllt werden. Wer die Herforder kennt, wird wissen, dass auch in Zukunft hier keine Konzerte stattfinden, da sämtliche Gelder in das Größenwahn-Projekt MartA gesteckt werden. Mit dem Bielefelder Triebwerk fand man vier Tage vor dem Tag der Arbeit noch eine Ausweichmöglichkeit.

Nachdem der Fußballnachmittag die üblichen "falschen" Ergebnisse auswarf, machte man sich auf dem Weg, um vor dem Triebwerk gleich in einen Kulturschock zu verfallen. Eine Open Air Bühne samt nerviger Hip Hop Vibes machte die Wartezeit in der Schlange zur Qual. Nach endlos erscheinenden Minuten betrat man dann die Innereien des Bielefelder Clubs. War dieser beim Konzert von After Forever/ Flowing Tears zwei Tage zuvor noch recht spärlich gefüllt, drängte sich heuer eine bunt gemischte Meute in dem ein wenig zu kleinen Laden.

Kurzes Intro, massig Nebel und verspielte Lichteffekte begleiteten das Betreten der Bühne der sechs Bayern, diese legten sogleich mit dem "Geisterschiff" los und begeisterten von Beginn an die Fanschar. Diejenigen, welche zum ersten Mal einem Auftritt der Band beiwohnten, erkannten sofort, warum ihre aktuelle DVD Hexenkessel heißt.

Der Band gelang es geschick, zwischen neuestem Wek ("wie Pech und Zwefel") und alten Klassikern wie "Teufelsweib", "Seemannsgrab" oder "gebt Acht!" hin und her zuwandeln. Im Gegensatz zur letzten Tour haben die rockigeren Töne eindeutig zugenommen. Zudem griff Sänger Thomas, der im übrigen so aussah wie ein Handwerker auf Wanderschaft, nur sehr selten zum Akkordeon. Besonders beeindruckend waren erneut die romantischen Balladen inkl. der schönsten Liebeserklärung seit langem "Dein Anblick" (für welche der beiden hübschen Mädels ist bloß der Song?). Die Mythen und Sagen wurden mit betörender Stimme intoniert und Thomas liess es sich nicht nehmen, zu den ein oder anderen Stücken seine persönliche Sichtweise in kurzen Ansprachen zu offenbaren. So ging es z.B. bei "das Tuch" um wandernde Frauen. Die Saitenriffs wechselten zwischen heavyness (in Solo Passagen hatten sie durchaus ein wenig Prog Metal Feeling) und warmer Akustik, während die Flöten vor allem in den ruhigen Passagen zu Tränen rührten. Zwischendurch liess man auch rein instrumentale Songs einfliessen, bei dem es so aussah, als feierten die Folk Rocker sich selbst.

Das Publikum bewies vor allem bei den alten Stücken eine enorme Textsicherheit, welche bei "Seemansgrab" sogar sicherer als von Thomas selbst war. "Walpurgisnacht" durfte natürlich nicht fehlen, schliesslich war heute der Day after. In der Mitte führte die Band den perfekten Tanz zum Song auf. Nach 90 Minuten verlies man erstmals die Bühne, um nach einer kurzen Pause mit Schlagzeugsolo und Dudelsäcken die Einleitung für die erste Zugabe "Sturmnacht" (von "Narrenkönig") zu zelebrieren. Das dezente Intro ging in eine orkanartige Instrumentierung über. "Gebt Acht" hätte dann der perfekte Rausschmeißer sein können. Aber die Schandmäuler fanden noch ein weiteres Mal den Weg zurück aus den Katakomben, welche sich in dem kleinen Laden hinter der großen Box befanden.

Die Bühne in samtenes Rot getaucht beendete man den Auftritt mit zwei balladesken Stücken, die im betörenden "willst du" den romantischen Höhepunkt fanden. Diesmal übrigens ohne Verlobungsversprechen.

Schandmaul macht einfach Spaß und verbreitet eine positive Message, deren Gipfel sicherlich der Opener des aktuellen Albums "Leb!" darstellt. Ansonsten befindet man sich in einer perfekten Märchenstunde, dessen Geschichten ich meinen imaginären Kindern wesentlich lieber vorlesen würde als die der Gebrüder Grimm.

Geisterschiff
Teufelsweib
Drachentöter
Sichelmond
Leb!
Das Seemannsgrab
Dein Anblick
Das Duell
Powerdudler
Der Sumpf
Vogelfrei
"Folkgeflüster"
Stein der Weisen
Das Tuch
Tyrann
Walpurgisnacht
Herren der Winde
Der letzte Tanz
------------------------------
Sturmnacht
Gebt acht!
------------------------------
Kalte Spuren
Willst Du?