Rosenfels
Herford, Elfenbein 10.12.2004

Selten hab ich mich bei einem Konzert derart unwohl gefühlt und das lag nicht an meiner Erkältung, welche mich zuvor drei Tage ans Bett fesselte. Dass ein Rosenfels Konzert bestuhlt ist, ist ja noch ertragbar. Aber was sich da so auf den Stühlen lümmelte, war mir einfach viel zu spießig. Hatte etwa der MARTa Förderverein eingeladen? Gut, jede Band bekommt das Publikum, was es verdient.... hier bin ich.

Rosenfels waren am heutigen Abend zu viert. Neben "Barhocker-Birdy" Sven Brandes (Gesang), Piano-Keyboarder Sven Röhl und Programming Keyboarder Tom Lachemund betrat des öfteren Violinistin May-Britt Altendorf die Bühne, immer wieder erneut von Sven angekündigt. Visuell unterstützt wurde man von meist gedämpftem Licht und einer Leinwand im Hintergrund, welche zwischen Grossstadt-Skyline, Schäfchenwolken-Himmel und Kerzen-Romantik pendelte.

Die tiefmelancholischen Pop Songs leben neben eindringlichen Gänsehautparts vom warmen Gesang Svens. Er ist es auch, der Alltagsgeschichten nicht nur wundervoll mit Stimme beseelt, er versteht es auch, kleine Begebenheiten mit viel Ironie zwischen den Stücken zu erzählen. Dabei entstehen wundervolle, getragene Pop Songs wie "believe me" oder "My Darling". Sven macht es sich auf einem Barhocker "bequem", ohne je die Beine baumeln zu lassen. Absolut prägend für die Braunschweiger waren die zwei Jahre "leben auf dem Land" in Schandelah. Nicht nur, dass sie ihr 99er Debüt nach dem Dorf benannten, die Geschichte mit der Metzgerfrau und die Erlebnisse als "Kamellocken" mit den restlichen Bewohnern sind fester Bestandteil eines jeden Rosenfels Konzertes. In diesem Jahr sind sie gleich 4 Mal dort aufgetreten und wie Gott will brachten diese Tage auch die passende Einleitung (Sven hatte einen Scheiß-Tag, brach sich an einer Glastür die Nase usw.) zu "Elephant Waltz". Ein witziger Song im Gewand von traditionellen, französischen Chanson. Rosenfels müssen begeisterte Fußballer sein, denn nach diesem Song und 45 Minuten Spielzeit machte man erst mal eine Pause. Auch im zweiten Teil pendelte man geschickt zwischen Stücken des aktuellen Werkes "Victor" und Stücken aus den vergangenen Werken. Man hörte mit "It's raining again" das Lieblingsstück Svens und mit "Nur ein Wort" erlebte man auch eine Premiere, der erste Rosenfels Song in Deutsch. Eine wunderschön erzählte Ballade, die zwischen sanfter Traurigkeit und betörender Sentimentalität nie in Richtung Kitsch abglitt. Mit dem schwelgerischen Seemannslied "The last goodbye" versuchte man das doch etwas destruktive Publikum zum Mitmachen aufzufordern. Na, und der Yuppie Mittelstand aus Herford kam so richtig aus sich heraus. Naja, ehrlich gesagt, diese Animation hatte etwas von Altersheim bei Kaffee und Kuchen.

Ein wundervoller Abend, bei dem der ein oder andere Gänsehaut-Hauch meinen Körper bevölkerte. Die Tränen vergießende Violine, die weichen Piano Klänge und nicht zuletzt dieser betörende Gesang, das ist schon ganz große Kunst und ganz großes Gefühl. Songs wie das theatralische "Picture" konnte man auch in nächtlichen Träumen nicht mehr aus dem Ohr bekommen. Ich hab mich heute zwar gefühlt, wie der Clown auf einer Beerdigung, aber ich hab es genossen. Und wer zwischen den Zeilen lesen kann, weiß, dass Rosenfels tief im Mark Rebellen gegen das Spießertum sind. (andreas)