Einstürzende Neubauten
Bremen, Schlachthof 26.03.2004

Proppevoll war der Schlachthof am heutigen Tag, dicht gedrängt und erwartungsfroh wurde das Publikum erst mal stilgemäß gequält, mit der Vorband, äh.... Laptop-Bediener BOE. Der hockte ca. 30 Minuten vor seinem Teil und erzeugte Töne und das war's auch schon. Totlangweilig. Wo war der Opa mit seinem Blech-Massaker der letzten Tour?

Nun gut, die Umbaupause (äh.. das Wegräumen des Laptops) dauerte dann nur 12 Minuten und die Neubauten betraten in feinem Zwirn (na ja, bis auf Hacke) die Szenerie.

Glich die Bühne der Neubauten früher einem chaotischen Schrottplatz, so befindet man sich heute in einem gutsortierten Baumarkt. Eines Bediensteten des Selbigen gleich führte uns Blixa dann auch in die Welt der Kompressoren und erzählte von der Hochtechnologie, der es gelungen war, die Komprosseren von 98 Dezibel auf 97 Dezibel zu "verleisern". Was folgte, war ein durchgestyltes Konzert, deren Songs zu 90 Prozent aus den letzten beiden Werken stammten. Ich kann mich an dieser Stelle gerne wiederholen, FM Einheit fehlt. Einzige alte Stücke waren das selten gespielte "Neun Arme" in krachiger Schrägheit, das verträumt inszenierte "Armenia" und eine sehr druckvolle Version von "Haus der Lüge". Bei "Perpetuum Mobile" kamen dann auch die Kompressoren zum Einsatz und die sich drehende Mülltüte (bekannt vom aktuellen Album-Cover) auf dem Verstärker (wirkte auch seltsam sortiert) wurde mit reichlich Luft bearbeitet. Der Song bietet mit seinen fast 14 Minuten reichlich Platz für alle möglichen Instrumentarien, besonders die Schlagwerke wurden stark beansprucht. Wie bei den meisten neuen Songs wurde aber auch hier deutlich, dass die Band zunehmend auf echte Instrumente wie Gitarre oder Keyboard baut. Bei den ruhigeren Stücken wie "ein seltener Vogel" schien Blixa dann vom Gerede im Publikum gestört zu sein und ließ seinen Unmut Luft, in dem er Bremen als Provinz bezeichnete. Das Zwiegespräch mit dem Publikum bzw. mit einzelnen Personen suchte er des öfteren. Er fühlte sich mal von einem Fan verfolgt oder erklärte, warum die Leute heute einen Song wie "Seele brennt" nicht verdient hätten. Von der Gegenseite gab es dann leise Zweifel, ob EN heute für einen derartigen Klassiker überhaupt noch in der Lage sind.

Für einen Opener klingt der Titel "ich geh jetzt" etwas seltsam. Blixa blieb und überzeugte mit seinen seltsam anmutenden Stimmbandakrobatiken, besonders die im Halse stecken zu bleibenden Schreie haben nichts an Faszination verloren. Ansonsten beschrieb er das Alltägliche (sei es das Unterwegs sein, den Morgen nach einer gehörigen Ladung Alk oder ganz einfach "die Befindlichkeit des Landes"). Seine Worte sind gewählt und voller intellektueller Sprachwissenschaft, besitzen aber immer auch eine charmante Schrägheit. Hacke konzentrierte sich auf seine Saiten, Luftspielereien sowie dezent gesetzte Backings und durfte sich, bewaffnet mit sechs großen Blechdosen am Band, auch mal so richtig austoben. Bei der Behandlung des Schlagwerkes hat sich in den letzten Jahren wenig getan. Ein vertrommeltes Blech, Kanister oder eine stark gespannte dicke Feder dienen als Gegenstück für die metallenen Sticks. Unterschiedliche Plastikrohre wurden mal in der gleichen Art behandelt, mal dienten ihre Öffnungen als "Mundstück" für die Gebläseanlage.

Sehr positiv in Erinnerung blieben das druckvolle "Redukt" und "Haus der Lüge", welches dann auch einen perfekten Übergang in "Armenia" hatte. Ja, hier waren die Vulkane noch tätig. Andere Songs sind durch ihre ausstrahlende Ruhe für alte Neubauten Fans etwas gewöhnungsbedürftigt. Trotzdem wirkte das Ganze ein wenig druckvoller und krachiger als noch auf der "Silence is Sexy" Tour.

EN sind wohl erwachsen geworden und sie leben vom Kult. Einen Kult, den sich die Band mit weitaus besseren Auftritten als heute hart erarbeitet hat. Ich werde nun nicht das Denkmal zum Einsturz bringen, aber ein wenig kratzen darf erlaubt sein. Warum kann man für alte Fans nicht jeweils einen Song von "Kollaps" oder "fünf auf der ....."spielen, von etwas wie "Kalte Sterne" will ich gar nicht reden? "Neun Arme" oder das, in den Neunzigern immer wieder auftauchende "Armenia" sind kein gleichwertiger Ersatz. (andreas)


Main set:
1. Ich gehe jetzt
2 .Good Morning Everybody (Rampe)
3 .Selbsportrait mit Kater
4 .Dead Friends (Around the Corner)
5 .Redukt 6.Perpetuum Mobile
7 .Youme & Meyou
8 .Neun Arme
9 .Die Befindlichkeit des Landes
10. Haus der Lüge/Armenia
11 .Seltener Vogel
12 .Ozean/Paradiesseits
13 .Grundstück

Encore 1:
1. Ein leichtes leises Säuseln
2. Totale/14 Minuten (Rampe)
3 .Sabrina

Encore 2:
s1.Ende Neu