The Mission Tour 2003
Warum ich mich mit 37 Jahren immer noch diesen Strapazen unterziehen muss, bleibt mir selbst auf Ewigkeit ein Rätsel. Aber es ist wie eine Sucht, die schlimmer als jegliche Drogen das Bewusstsein unterwandert und ein tiefdunkles "Du musst" mit zwei Ausrufezeichen in die Gehirngänge tätowiert, welche auf ewig jegliches Lustempfinden zu einer Marionette des Konsums einer musikalischen Richtung in die Seele brennen. Also machte ich mich auch diesmal auf den Weg, um das blöde Wort der Heldenverehrung in all sein Facetten regieren zu lassen. (andreas)


Berlin, K17 - 13.10.03
Das wohlige Heim verlassend, wohl wissend hier erst in vier Tagen wieder die liebgewordene Bettdecke über meinen strapazierten Körper zu streifen, machte ich mich auf den Weg zu einer langweiligen Zugfahrt, welche mir aber gleichsam endlich die Möglichkeit gab, wieder mal ein gutes Buch zu lesen. Nach einigen, durch persönliche Desorientierung bedingten Problemen erreichte ich auch schon das Hotel, kurz ein Bier auf Ex und los zur Halle, die in meiner genialen Planung nur ein paar Minuten Fußmarsch vom Hotel entfernt lag. Das war es auch schon mit genialer Planung, denn der Einlass verzögerte sich und ich fror ein paar Tage, äh Minuten vor der Halle. An der Kasse stand dann mein Name nicht auf der Gästeliste, was nicht nur für diesen Abend böse Vorahnungen auslöste. Aber Gehirn und Zunge funktionierten trotz Müdigkeit und ergaben sich einer enormen Überredungskunst hin und schwupps hatte ich meinen Stempel. Bevor es losging, war noch eine akustische Hürde namens Anne Clark zu überstehen.

Erst gegen 22.15 betraten The Mission in Originalbesetzung die Bühne. Craig Adams, Mick Brown und Simon Hinkler. Sorry, meine Tagträumereien gehen mit mir durch. Nach einem kurzem Intro betrat zunächst Wayne solo mit einer Gitarre die Bühne und brachte den neuen Song "lighting the candles" durch den gestreuten Nebel. Der Nebel wurde dichter und die restlichen Mitglieder versammelten sich um ihre Instrumente. Der "Crystal Ocean" schwamm dann in einem schlecht abgemischten Sound dahin. Die gutgefüllte obere Etage des Ladens schien das aber wenig zu stören, weil man geschickt im alten Gothic Format weitermachte und das energische "Evangeline" folgen ließ. "Grip of disease" wurde in einer neuen Version dargeboten, welche die Melodielinie stark auf die heftigen Saiten beschränkte. Wie heftig diese sein können bewies Rob, in dem er mit dem Gitarrenhals mal kurz einem pöbelnden Fan streichelte. Die Setlist war eigentlich gut gewählt, aber der Sound machte doch arge Probleme, es schien selten, das hier eine Einheit auf der Bühne zugange war. Mal waren die Gitarren zu Laut, mal der Gesang zu leise oder umgekehrt. Und der neue Schlagzeuger Steve, ein Freund von Rob aus seiner Zeit bei Curve konnte irgendwie die Geschwindigkeit der Saiten nicht halten, war mal zu schnell, mal zu langsam. Am Bass fehlte Craig an allen Ecken und der Typ hinterm Mischpult dürfte bei jeder Provinz Combo nur die Kabel tragen. Was blieb waren die genialen Songs wie "serpents kiss" oder "severina", auch wenn man diese Stücke Live schon wesentlich besser gehört hatte. Ein wenig schien es auch, dass Wayne sich vor allem durch die aktuellen Stücke quälte und erst wieder bei "Towrer of strength" aus sich heraus kam. Und mit zunehmender Begeisterung des Publikums nach "Wasteland" erstmals voller Genuss an seiner Weinflasche nippte. Das folgende "Daddy?s gone to heaven now" kennt man schon von früheren Konzerten als Schlussstück. Der Beginn ist hier eben so getragen wie damals, allerdings ergeht sich der Song fortan in einem wahren Gitarrengewitter. Für die erste Zugabe kam Wayne dann Solo auf die Bühne und bot akustisch-energische Versionen von 1969 und "Blood Brother", bevor die Band die melodisch, poppige Seite nach vorne kehrte. Den Höhepunkt an diesem Abend bot aber die letzte Zugabe mit einer gelungen Version des 86er Klassikers "Sacrilege" bevor man gemeinsam mit dem Publikum "deliverance" zum Rausschmeißer erklärte. Der kurze Fußweg zurück zum Hotel war dann besetzt von wirren Gedanken, wie "lohnt sich das alles?", "kann man das Geld nicht besser ausgeben?" und "Mission waren schon mal besser". Wahrscheinlich sehr oft!

Setlist:
intro
lighting the candles (Wayne solo)
crystal ocean
evangeline
grip of disease
(slave to) lust
serpents kiss
severina
belief
even you may shine
trophy
tower of strength
wasteland
daddy`s going to heaven now

1969 (Wayne solo)
blood brother (Wayne solo)

butterfly on a wheel
beyond the pale

sacrilege
deliverance


Hamburg, Logo - 14.10.03
Das Logo ist eher eine Kneipe als ein passender Ort, um Konzerte abzuhalten. Die Beschallungsanlage war leider auch auf ersteres abgestimmt. Wer der Schuldige an diesem miserablen Sound war sei dahingestellt, allerdings glaube ich eher, dass es an der Band/eigenen Crew gelegen haben muß, ansonsten hätte man das Konzert nach einer fünfzehn minütigen Unterbrechung (während "slave to lust" beendete man gezwungener Maßen die Ohrenfolter) wohl nicht weiter geführt. Zum schlechten Sound gesellte sich dann auch noch eine fast identische Tracklist. Eigentlich alles das, was man auf einer derartigen Tour nicht erleben will. Einziger Höhepunkt des 90 Minuten (inkl. sämtlicher Unterbrechungen) dauernden, masochistischen Konzertes war eine geniale Version von "Garden of Delight". Was ganz deutlich ins Ohr fiel, war der Eindruck, dass es sich hier nicht um eine Band handelt, sondern um einen zusammengewürfelten Haufen, in dem sich nicht mal mehr ein weintrunkener Wayne zu Hause fühlt. Der uneinheitlichen Rhythmusmaschinerie Bass und Drums gelang es dann ungewollt eine vollkommen neue Version von "Wasteland" zu spielen. Demontage Teil 2 war beendet.

intro
lighting the candles (Wayne solo)
crystal ocean
evangeline
sacrilege
(slave to) lust
serpents kiss
severina
belief
garden of delight
trophy
tower of strength
wasteland
daddy`s going to heaven now

butterfly on a wheel
beyond the pale

deliverance


Leipzig, Moritzbastei - 15.10.03
Die alten Gemäuer der Moritzbastei lieferten ein perfektes Ambiente, allerdings hören hier die positiven Eindrücke auf. Hatte man in Hamburg gedacht, schlimmer geht?s nimmer, wurde man hier eines besseren belehrt.

Die Tracklist aus Berlin importiert, der Sound aus Hamburg. Meine Güte, hab ich etwas verpasst oder ist Dilettantismus mittlerweile zur Kunstform erklärt worden? Die Gitarre von Rob war während des gesamten normalen Sets nur visuell zu erkennen. Dran glauben musste aber der Mikrofonständer samt nichtfunktionierendes Anhängsel, welcher dreimal über die Bühne flog. Selbst Wayne schien ein wenig ängstlich und fragte besorgt "are you o.K., Rob?". Rob antwortete mit wilden Griffen in die Saiten, die akustische Explosion war aber nur seinem imaginären Gehör vorbehalten. Wenigstens gelang es diesmal mit den Zugaben einen versöhnlichen Abschluß zu bilden. Vor allem die von Wayne solo gespielten "like a child again" und "like a hurricane" konnten überzeugen. Aber auch das von ungezügelter Rohheit begleitete "Sacrilege" hatte man in dieser Heftigkeit selten gehört. Wozu gibt es eigentlich Soundchecks, wenn eine Band (bzw. deren Crew) 75 Minuten braucht, um einen einigermaßen vernünftigen Sound zu produzieren?

intro
lighting the candles (Wayne solo)
crystal ocean
evangeline
grip of disease
(slave to) lust
serpents kiss
severina
belief
even you may shine
trophy
tower of strength
wasteland
daddy`s going to heaven now

like a child again (Wayne solo)
like a hurricane (Wayne solo)

butterfly on a wheel
beyond the pale

sacrilege
deliverance


Herford, Kick - 16.10.03
Von der Setlist her brachte der normale Set genauso viel Abwechslung, wie das tägliche Wecker klingeln um 6.00 Uhr - samt dazugehörigem Tritt in die Pfütze. Der Sound war allerdings erstmals richtig gut. Zum ersten mal war auch Wayne so drauf wie man ihn kennt. Er versteckte sich nicht hinter dem Mikroständer, sondern versuchte immer wieder vom Bühnenrand aus das Publikum zu animieren. Ein in den letzten Tagen seltenes Bild. Bei der Zugabe, welche er Solo begann, hatte man erstmals das Gefühl, das er "Wake" auf Zuruf spielte. Eine positive Überraschung, die getragene Version von "Amelia". Als Rob für die plugged Zugabe auf die Bühne kam, klimperte er kurz auf dem Keyboard und lachte verschmitzt ins Publikum, heute war er O.K.


intro
lighting the candles (Wayne solo)
crystal ocean
evangeline
grip of disease
(slave to) lust
serpents kiss
severina
belief
even you may shine
trophy
tower of strength
wasteland
daddy`s going to heaven now

amelia (Wayne solo)
wake (Wayne solo)

butterfly on a wheel
beyond the pale

sacrilege
deliverance


FAZIT
Ich hatte gerade bei den ersten Konzerten das Gefühl, am Sterbebett eines geliebten Menschen zu stehen, welcher mit letzter Kraft versucht, sich angemessen zu verabschieden.
Heute, einige Wochen später ist dieses Sterbebett noch im Unterbewusstsein existent, aber die wahren Erinnerungen kreisen um die Blütezeit dieses Menschen.
Ich hab' mich in meinen Berichten aus einem gewissen Grund kurz gefasst. Ich will hier keine Band, welche mir des öfteren wundervolle Stunden bereitet hat, diffamieren.
Fotos, Berichte und eine Menge an Infos über The Mission/Wayne entnehmt bitte
www.and-the-dance-goes-on.de