Goethes Erben + Zeraphine
Herford, Kick 01.03.03

An einem Samstag ist es immer sehr sinnvoll, pünktlich die Innereien des Herforder Kicks zu erreichen, denn um Punkt 20 Uhr betraten die Mannen um Sänger Sven Friedrich die Bühne. Eine Mischung aus Dark Wave, romantischen Strukturen und straighten Gitarren begleiteten die pathetischen Texte. Sänger Sven, der auch verantwortlich für die melancholischen Texte ist, stand fortan im Mittelpunkt. Das Konzert bestand bis auf das Depeche Mode Cover zum Schluß, aus Songs des aktuellen Debüt Werks "Kalte Sonne", dessen Titel auch als Eröffnung des Konzertabends war. Melancholie und Härte paarten sich im weiteren Konzertverlauf zu einer Einheit. Aufgrund der kurzen Zeitspanne hastete man ein wenig durch das Set. Aber spätestens bei romantischen Songs wie "Sterne sehen" oder "in der Tiefe" nahm man sich die Ruhe und bot eine solide, sehr gefühlvolle Darbietung. Das warme, dunkle Timbre Svens erging sich sogar in "ohne dich" in aggressive Stimmbandvariationen. Das ruhige "in your room", einziger englischer Titel und gleichzeitig einziges Cover, ließ vor allem die Aufhorchen, welche diese Band vorher nicht kannten.
Nach einer recht kurzen Umbaupause, schließlich ist hier Samstags bei Konzerten um 22.30 Uhr Schluß (Übrigens eine Zeit, bei der am Dienstag gerade mal die Vorband ihren Set beendete/ Rücksicht auf die arbeitende Bevölkerung wird im Kick nur am Wochenende genommen/ Ein Schelm der....), betrat dann das sechsköpfige Ensemble um Sänger und Entertainer Oswald Henke die Bühne. Und Oswald hatte erneut seine Kiste dabei, aus der er während des Konzertes alle möglichen Utensilien entnahm. Der Beginn des Abends war das theatralisch, tiefdunkle "Der Weg", ein Song, der sich deutlich gegen die Todesstrafe richtet und aus der Sicht eines Gefangenen erzählt wird. Das Ganze war ein Wunschkonzert und die Titel wurden per Internetvoting bestimmt. Oswald gelang es trotz allem, einen geschickten Songaufbau zu gestalten, wobei zu Beginn vor allem die etwas älteren Songs interpretiert wurden. Beim folgenden "Zinnsoldat" holte Oswald eine alte Uniform aus der Kiste. Das von morbider Schönheit begleitete "schwarzes Wesen" wurde vom aggressiven "die Brut" abgelöst. Die Gitarristen schlugen die Saiten ein wenig härter und auch Oswald lieferte eine Darbietung, deren Wut alles andere als gespielt war. Danach wurde es mehrere Nuancen ruhiger und man gab einige neuere Stücke zum Besten. "Vermisster Traum" umhüllt von tiefer Melancholie, welche durch das Verwenden einer roten Puppe noch exzessiver wurde. Das ruhige "Glasgarten" sowie "Himmelgrau" und das düster verspielte "Abseits des Lichts". Direkt danach im weißen Kittel gab Oswald bei "5 Jahre" den perfekten Psychopathen ab. Wie ein Irrwisch rannte er über die Bühne und erklomm kurzzeitig die Boxen. Das böse "Iphegenie" wurde perfekt inszeniert, bevor es mit der deutschen Übersetzung ("Sitz der Gnade") eines Nick Cave Klassikers in die erste Pause ging. Bei der ersten Zugabe gab es erstmals einen Ausblick in die Zukunft mit einem Song aus dem neuen Musiktheaterstück, welches im Frühjahr 2004 auf die Reise geht. Entlassen wurde man mit dem ruhigen, nachdenklichen "Mensch sein". Wie immer ein perfekter Auftritt zwischen Schauspiel, interessanten Texten, gefühlvollem Gesang. Erneut gelang es Oswald in Zwischenspielen Aufmerksamkeit zu wecken und gleichsam für witzige Kommunikation zu sorgen. (andreas)