ÁRSTíðIR LíFSINS :: Die Jahreszeiten des Lebens
Stil: Black Metal - Review zu "Jötunheima dolgferð" lesen
Bandmitglieder: Stefán (g, b, piano, vibraphone, vocals & choirs), Árni (d, violin & choirs), Georg (vocals & choirs), Marsél (vocals & choirs), Sveinn (keyboards & effects), Lóretta (female vocals), Kristófr (bodhrán), Kristján (choirs), Colin (choirs), Þórarinn (choirs)


Eine große Überraschung dieses Herbstes ist sicherlich das erste Werk der Band Árstíðir lífsins, die auf "Jötunheima dolgferð" Black Metal, folkloristische Elemente und eine spannende Geschichte zu vereinen wissen, wie es mir vorher noch nie untergekommen ist! Weitab von kindischer Wikinger-Romantik vermittelt die Musik in Verbindung mit den Texten vielmehr den tagtäglichen Überlebenskampf in einer Zeit, in der wir nicht mal mehr von Zwölf bis Mittag über die Runden kommen würden. Viel Spaß beim Interview und vielen Dank an Stefán! (chris)
www.myspace.com/arstidirlfisins



Leider gibt es wenige Infos über euch im Netz, stell die Band unseren Lesern bitte vor!
"Árstíðir lífsins" ist eine Band, die im Sommer 2008 von mir gegründet wurde und an der sowohl isländische als auch deutsche Musiker beteiligt sind. Diese spielen beispielsweise ansonsten bei KERBENOK, ELDBORG, HELRUNAR, DRAUTRAN, DYSTHYMIA, CARPE NOCTEM und in dem Chor der Háskóli Íslands. Musikalisch kann man den Stil vielleicht vereinfacht als eine Mischung aus Black Metal mit Anteilen von skandinavischem Folk und Ambient bezeichnen. Textlich beschäftigt sich die Band vor allem mit der hochmittelalterlichen Literatur und Frühgeschichte Islands.




Läuft ARSTIDIR LIFSINS als Band oder ist es eher als Projekt gedacht?
Es kann in dem Fall als eine Band bezeichnet werden, da geplant ist, fortlaufend Werke zu veröffentlichen. Im klassischen Sinne einer Band proben wir jedoch nicht und geben bis auf weiteres auch keine Live-Konzerte. Daher kann es wohl eine Mischung aus Band und Projekt bezeichnet werden.




War es schwierig, die richtigen Leute dafür zu finden?
Nein, eigentlich nicht. Da ich Georg und Marsél bereits seit dem Herbst 2004 kenne, hatte ich beide noch im Sommer 2008 gefragt, ob sie Interesse hätten bei der Band mitzumachen. Árni war ebenfalls noch im selben Sommer eingestiegen. Die weiteren Musiker waren Kommilitonen von mir an der Háskóli Íslands bzw. bereits gute Bekannte hier aus Schleswig-Holstein, die ich schließlich einfach fragte, ob sie Lust hätten, einzelne Parts einzuspielen.




Wir müssen uns also keine Hoffnungen auf baldige Liveauftritte machen?
Live-Auftritte sind soweit nicht in Aussicht, nein. Eventuell werden wir nach der zweiten Aufnahme so etwas in Angriff nehmen, wirklich Gedanken haben wir uns aber noch nicht darüber gemacht. Sowohl die zeitliche Koordination der weit verstreut lebenden Mitglieder, als auch die Finanzierung der Flüge sollte sich ohnehin sehr schwer realisieren lassen.




Euer Album erzählt eine Geschichte aus der Besiedlungszeit Islands, würdest du uns eine Kurzfassung geben?
Die Geschichte auf "Jötunheima dolgferð" erzählt von einer Person, die ungefähr im Jahr 910 AD am Berufjörður in den Westfjorden Islands im Frühling geboren wird. In der Geschichte der nordatlantischen Insel meint dies ungefähr das letzte Drittel der 60-jährigen Besiedlung. Nachdem ein Bruder der Person aufgrund einer Blutfehde getötet wird, lebt diese bis ins Erwachsenenalter am Berufjörður und übernimmt den Hof des Vaters. Nach der Umbestimmung territorialer Rechte durch die Einführung des Alþing bzw. des Þingsystems im Jahr 930 verliert die Person Haus und Hof, muss umziehen und findet eine neue Heimat in den Westfjorden, am Önundarfjörður. Da jedoch keinerlei Unterstützung von den direkten Nachbarn aus den umliegenden Fjorden kommt, leidet die Familie mehr und mehr an den Folgen des einsetzenden Winters. Letzten Endes stirbt sie im Winter, als sie von einem Sturm gepackt wird und in den Fluten des Fjordes ertrinkt. Die Geschichte ist so konzipiert, dass sie das Leben jener Person vom Frühjahr (Geburt) bis zum Winter (Tod) beschreibt, ganz dem Namen der Band folgend (Árstíðir lífsins bedeutet "die Jahreszeiten des Lebens"). Dabei wurde auf eine große Auswahl an "kenningar" zurückgegriffen, um Naturerscheinungen und einzelne Schicksalsschläge im mythologischem Kontext besser darstellen zu können.




Benutzt du die Geschichte rein aus geschichtlichem Interesse oder benutzt du sie als Fabel für die heutigen Probleme/Kriege/Krisen?
Nein, es ist in keiner Weise das Interesse, mit den Texten den Hörer aufzufordern, sich besser / schlechter zu verhalten oder eine Lehre aus der erzählten Geschichte zu ziehen. Klar sind bestimmte moralische Grundsätze an der ein oder anderen Stelle verarbeitet worden, jedoch immer aus dem jeweiligen Hintergrund passender Abschnitte, beispielsweise aus dem Hávamál des Codex Regius GKS 2365 4to.




Ist es nicht erschreckend, dass die Menschheit sich nicht ansatzweise verändert hat und Gewalt immer präsent ist?
"Homo homini lupus" (übersetzt heißt das soviel wie: "Ein Wolf ist der Mensch dem Menschen" - Anm. d. Verf.). Hobbes (Thomas Hobbes, u.a. Staatstheoretiker und Philosoph - Anm. d. Verf.) und weitere haben mit ihren Ansichten auf den Naturzustand des Menschen sicher in so mancher Hinsicht recht gehabt. Erschreckend ist dies für mich eher weniger, vielleicht nur in der Geschichte der Menschheit immer wieder bestätigend. Wenn man im altisländischen Kontext sich umschaut, so zeigt sich Hobbes Ansicht dort ebenso, sie ist nur zu der Zeit in anderer Weise aufgefasst worden.




Welchen Hintergrund hat das merkwürdige "Eigi hefr á augu, unnskíðs komit síðan"?
Jenes Stück ist eine ríma, ein alter isländischer Folksong, der von einem heute unbekannten Skalden um das Jahr 1000 herum gedichtet wurde. Der Text beschreibt, vereinfacht, den Fortlauf einer Blutfehde zwischen mehreren Familien in den Westfjorden. Rímurgesänge werden auch heute noch auf Island gesungen und gehören zum kulturellen Erbe aus dem Mittelalter der Insel. Eine ríma wird traditionell als Zwiegesang, also in Form der Pentatonik mit einer Leitstimme und parallelen Quinten gesungen.




Das Thema "Natur" ist im Text allgegenwärtig. Bist du selbst ein Naturmensch?
Nun, ich schätze seit jeher die natürliche Umwelt sehr und behandle sie mit angemessenem Respekt. Die Texte von Árstíðir lífsins behandeln jedoch einen anderen Fokus. Da in den Sagas, die einen großen Einfluss auf die Texte gehabt haben, grundsätzlich beispielsweise Witterungsbedingungen immer wieder einen entscheidenden Einfluss auf den Verlauf der Handlung haben können, waren Naturerscheinungen auch für die Geschichte auf "Jötunheima dolgferð" unerlässlich.




Was hat dein Interesse an der isländischen Mythologie begründet?
Die nordische Mythologie und ihre Wurzeln in den nordischen Kulturen interessieren mich bereits seit vielen Jahren. Genau kann ich mich nicht mehr erinnern, wann ich mich explizit damit auseinander gesetzt habe, höchstwahrscheinlich hat dies im Kindesalter mit Comics à la "Hägar" und "Asterix & Obelix" begonnen und sich danach mit einschlägiger Primärliteratur wie der Lieder- & Snorra-Edda oder, später dann, den bekanntesten Sagas (Egils saga, Njáls saga, Laxdæla saga, u. w.) fortgesetzt.




Ihr wollt laut MySpace nicht mit politischen Gruppierungen in Verbindung gebracht werden. Aus welcher Ecke witterst du diese Gefahr bzw. in welche Ecke willst du nicht gegen deinen Willen gedrückt werden?
Árstíðir lífsins hat in keiner Hinsicht eine politische Aussage und sollte, in unseren Augen, auch nicht mit einer solchen in Verbindung gebracht werden. Natürlich haben wir mit der Erwähnung auf der MySpace-Seite deutlich machen wollen, nicht als
Instrument für sowohl links- als auch rechtsextreme Gruppierungen gebraucht zu werden. Da in den altnordischen Schriften an keiner mir bekannten Stelle irgend eine eindeutige politische Aussage gemacht worden ist, die in heutiger Zeit von irgend einem politischen Interesse sein könnte, hat dementsprechend auch die Band nichts damit zu tun. Das Hauptinteresse der Band besteht darin, den geneigten Hörer eine altnordisch-inspirierte Geschichte näher zu bringen, nicht Partei zu ergreifen für politisch motivierte Menschen.




Die CD wird in einem schönen DigiBook und die als hochwertige Doppel-LP rauskommen...
Wie wichtig ist dir die Aufmachung eurer Veröffentlichung?
Sehr wichtig! Bereits zu Beginn des Schaffensprozesses im Herbst 2008 war mir klar, dass sowohl die Musik als auch das Layout der Veröffentlichung stark zusammenhängen und sich bestenfalls ergänzen sollen. Ich bin von dem Layout von Christopher Duis von Eingemachtes (http://www.1gemachtes.de) voll und ganz zufrieden, da er sich sehr viele Gedanken gemacht und Zeit genommen hat, meine teils nicht gerade herkömmlichen Ideen Realität werden zu lassen.




Welche Bands würdet ihr denjenigen empfehlen, die durch euch zum folkloristischen Black Metal finden werden und wo liegen eure eigenen musikalischen Wurzeln?
Ich kann im Bezug auf unsere musikalischen Wurzeln nun natürlich nur für mich selber schreiben, denke aber, dass ich schon eine relativ repräsentative Liste anfertigen kann, welche logischerweise genauso eine Empfehlung für potentielle Hörer sein kann. Beeinflusst haben mich wohl seit Jahren schon besonders ULVER, IN THE WOODS..., PRIMORDIAL, BORKNAGAR, ENSLAVED, BATHORY, HELHEIM, AGALLOCH, KVIST, DARKTHRONE, MAYHEM, GORGOROTH, sowie viele weitere Metalbands. Vom Folkanteil kann ich vor allem GARMARNA, HEDNINGARNA, wiedermals ULVER und neueres wie VALI, TRIAKEL, NEST, AMIINA, ANNA PALINA & DRAUPNER und LÖNNDOM nennen. Wirklichen Einfluss auf "Jötunheima dolgferð" hatten die genannten Bands aber eher weniger. Ich schreibe seit jeher Musik, die durch einfache Gefühle ausgelöst wird, nicht durch externe Musik. Wenn ich komponiere, höre ich nie andere Musik als die meine.




Welche Wünsche möchtest du den Lesern des Amboss-Mags auf den Weg geben?
Wünsche eher keine. Hört einmal in "Jötunheima dolgferð" auf www.myspace.com/arstidirlfisins oder der Webseite www.arstidirlifsins.net hinein. Es wird euch nicht enttäuschen.
Vielen Dank für das Interview.




Es war mir ein Vergnügen! (chris)




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