PHILLIP BOA :: Dem System misstrauen und mit offenen Augen durch die Welt rennen
Stil: Alternative / Indie Rock
Bandmitglieder: Boa, Lund, Tobias Siebert, Jaki Liebezeit


Was länger währt, wird endlich gut heißt es. Also ist Phillip, nach dem wir uns eigentlich zum Interview verabredet hatten, erst mal Kaffee holen gegangen. Im Backstage-Bereich der Hamburger Markthalle haben wir uns dann zu dritt (Phillip, meine rechte Hand beim Schreiben, Friederike Moser und ich) gemütlich niedergelassen. Er wirkt vom Konzert ein wenig müde und erschöpft in seinem schwarzen Trainingsanzug. www.myspace.com/phillipboaandthevoodooclub (oliver)




Hallo Phillip, Willkommen in Deutschland. Ich muss gestehen, dass ich leider keine neuen Informationen darüber gefunden habe... lebst du also noch auf Malta? Eure aktuellen Bilder auf der Homepage und zum neuen Album sind ja dort entstanden. Welche Einflüsse hat es dort noch auf dich?
Ich weiß gerade ehrlich gesagt nicht, wo ich lebe. Malta, Dortmund, Detroit. Die Bilder sind auf Malta entstanden. Das stimmt. Wir haben ja auch das Album auf Malta in dem Studio eines Freundes aufgenommen. Von Malta aus wirkt alles wie aus der Vogelperspektive, die hohen Klippen Richtung Norden. Hinter'm Meer ist die Fähre nach Gozo und dahinter liegt hinter'm weißen Meer das Ende von Europa und im Süden Afrika. Und gefühlt ist es doch als wäre man "am Ende der Welt"! Was sich aber sehr gut anfühlt.
Es ist kein Paradies eher ein wenig Zweifelhaft. Man kann dort gern im Frühjahr oder Herbst herumhängen.





Ihr habt die letzten Jahre immer in der Moritzbastei / Leipzig gespielt? Eine Verbindung zu der Stadt oder der Veranstaltung? Und dann 2008 nicht mehr? Wegen der jetzigen Tour?
Mist... nein, das hat doch stattgefunden. Ich war ja selbst dabei. / phillip lacht / Ihr solltet nicht immer alles glauben, was man im Internet findet. Die Verselbstständigung der Informationen auf Myspace oder sonst wo im Internet. Und es sind eigentlich bloß 23 oder 24 Jahre Bühne. 1984 zählt für mich schon mal nicht.
Manchmal ist das, was man in Google so alles findet, echter Mist. Aber andererseits ist es auch spannender als jeder Roman, wenn man da so Dinge über sich liest, von denen man selbst keine Ahnung hatte.
Das war damals im Kir? Gibt es den Bungalow überhaupt noch?





Ja, gibt es. Er ist mittlerweile umgezogen und die neuen Räumlichkeiten sind keine Tropfsteinhöhle mehr ;)
Ja stimmt, damals war die Bühne nachher so nass, dass die sogar zeitweise unter Strom stand. Das war unser dritter oder vierter Auftritt überhaupt.




Mit dem steigenden Alter soll man ruhiger werden. Auch das neue Album erscheint ein wenig ruhiger. Ist das die Zukunft von Boa und dem Voodooclub? Gibt es kein Voodoocult mehr? Immerhin habt ihr 25 Jahre Bühnenerfahrung, was nicht viele von sich behaupten können. Einen Tag vor meinem 16ten wäre ich auch hier in Hamburg beinahe das erste Mal bei euch live dabei gewesen.
25 Jahre sind es ja nicht. Das erste Jahr war ja eher Findungsphase. Nach 24 Jahren wird man nicht ruhiger, aber man bekommt mehr Verständnis für Dinge, die aus dem Ruder laufen. Sachen wie Voodoocult wird es nicht mehr geben. Das war sehr nett, aber der Zug ist für mich abgefahren. Ich hab mich live immer mehr als Fremdkörper bei Voodoocult empfunden. Es war mehr ein Hobby und hat viel Spaß gemacht. Aber das war es dann auch.




Also nicht, dass es falsch verstanden wird. Entwicklung ist eine wichtige Geschichte für Musiker, mit ungewöhnlicher Konstanz gibt es alle zwei Jahre ein neues Album, aber nachdem ihr bereits einige verschiedene Plattenlabels hattet, seid ihr nun wieder zurück bei Rough Trade. Auch ein Weg zurück zum "alten" Boa?
Ich hab immer weniger Lust im Ausland zu touren. Daher arbeite ich lieber im Studio und es kotzt mich an, dass man uns immer nur mit den alten Songs vergleicht. Dass man sagt, unsere alten Songs waren besser. Dabei versuche ich immer wieder an unseren neuen Songs zu tüfteln. Es gibt bei Songs keine Schulnoten! Sowas wird sehr subjektiv wahrgenommen und kann nicht mit dem einen oder anderen verglichen werden.
Bei den Labels gibt es immer wieder einen Wechsel. Nämlich dahin, wo man uns oder unserer Arbeitsweise und unseren Vorstellungen am ehesten entgegenkommt. Rough Trade - oder Rough Trade Distributions wie das gerade heißt - hat mir die Möglichkeit geboten, so zu arbeiten, wie ich es gerade am liebsten habe.





Wie verbindest du Tradition, Musik und Internet miteinander? Für deine Wahlheimat und immer wieder neue Vertriebskanäle von Musik, die Wahrnehmung von Musik und dem Entstehen von Hypes oder Legenden ist das ja alles sehr schnelllebig.
Vorerst ist kein Umzug geplant. Es bleibt erstmal bei Malta. Und ich finde es sehr gut, dass die Musik im Internet verfügbar ist. Ich bin ein grosser Fan von iTunes. Musicload hingegen nehm ich nicht so ernst. Youtube ist auch noch ganz nett. Am liebsten aber mag ich Myspace, weil ich von dort aus selbst alles kontrollieren kann. Rough Trade bietet mir dazu eine grosse Unterstützungan. Ich find es gut, dass ich es so ähnlich handhaben kann, wie es auch David Bowie oder Radiohead machen. Hypes hat es immer gegeben und jeder kämpft da im Grunde für sich selbst. Aber sie zeigen auch, dass man "weiter" bestehen kann. So kann ich sehen, ob ich in der heutigen Zeit noch funktionieren kann.




Hast du ein paar Schlussworte für mich?
Ach Scheiße... das will jeder von euch. Also "Ich mach das was ich will!" was für ein Klischeespruch. Was soll ich da antworten? /phillip wird etwas lauter/ Ich will geile Platten. Ich will Leute glücklich machen. Dass sie wie ich dem System misstrauen und mit offenen Augen durch die Welt rennen. Rechts / Links ist Bullshit! Sicherlich ist alles irgendwo Politik, aber ich lasse mich da nicht in eine Schublade stecken. Man kann nicht immer nur an sich selbst denken und muss sich auch mal in andere hineinversetzen.
Gestern hatten wir ein richtig geiles altes Hotel in Bremen. Beim Frühstück hat es mich so angekotzt, dass die Gäste beim Frühstück das Personal so von "oben herab" behandelt haben. Nur weil die eine Übernachtung dort bezahlt haben, treten die überheblich wie nichts Gutes auf. Dabei sind das auch "nur" Menschen, die da arbeiten. So, das war mein Schlusswort.





Viele Grüsse und vielen Dank für deine Antworten, Statements und das Interview überhaupt



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