BLUTENGEL :: Wichtig ist der Spaßfaktor
Musik: Electro / Gothic / Pop
Fotos by Oliver Garrandt


Für so manchen wäre es "Das Erlebnis", zusammen mit Chris Pohl mal Backstage sitzen einen Gin Tonic trinken und dabei 'nen entspannten netten Plausch halten. Zu meinem Glück konnte ich die Chance am 18.04. wahrnehmen und bin wie verabredet gegen 15Uhr in der Hamburger Markthalle eingetroffen. Dass mit Blutengel nicht irgendwer auftritt, war schon daran zu sehen, dass die ersten Fans zufällig mit mir bei der Markthalle eintrafen und dort fast fünf Stunden auf den Einlass warteten. Nachdem aber der Soundcheck sich um EINIGE Stunden verschoben hatte, mussten auch wir fast zwei Stunden warten, um endlich mit ihm reden zu können. (olli)
www.blutengel.de



Hallo Chris, schön dich zu sehen. Wie geht's? Wie war die Reise hier her?
Danke, mir geht's sehr gut. Aber die Fahrt war alles andere als entspannt. Wir hatten einen kleinen Kabelbrand im Bus und mussten zwischenzeitlich einen nicht geplanten Stopp einlegen. Aber zu unserem Glück sind bei uns keine Verletzten zu beklagen. Leider aber scheint der Sänger des Supportes "Avoid Kharma" nicht so viel Glück gehabt zu haben.
(Anmerkung der Redaktion: Die Band "Avoid Kharma" hat in Hamburg und Braunschweig wegen der leichten Verletzung der Stimmenbänder des Sängers nicht auftreten können.)





Es sind jetzt 10 Jahre seit der ersten CD von dir unter dem Projektnamen Blutengel vergangen. Dabei gab es viel Verschleiß an Sängerinnen. Bisher sind es offiziell wenigstens vier Sängerinnen, die das Projekt verlassen haben und mit dem Weggang von Sonja im April sind es bereits fünf. Wie kommt das?
im Grunde ist es ganz einfach. Es liegt natürlich an mir, weil ich das alles beruflich mache und die Frauen aber immer mal wieder auf einmal andere Interessen oder Ziele hatten. Da wären zu nennen: Arbeit/Ausbildung/Studium und hier und dort auch mal private Gründe.




Einige bereits eingestellte Projekte wie Seelenkrank, Tumor, Pain of Progress usw. Dazu dann noch immer Terminal Choice und Blutengel. Seit neustem auch noch Miss Construction. Die führen zu einem großen Output von dir. Wie machst du das?
Das hängt immer von der Konstellation ab. Je nach dem wie der Song ist und mit wem ich es mache, passt es mal eher für Terminal Choice oder auch mal eher zu Blutengel. Es ist je nach Lust und Laune. Die beiden sind damit auch die beiden Hauptprojekte. In der Szene ist es ja schon fast normal, in zwei oder drei Bands/Projekten gleichzeitig zu sein. Wichtig dabei ist jedoch der Spaßfaktor.




Und wie verhält es sich mit Tumor? Das war doch ein Industrial-Projekt. Warum stellst du das eine Projekt ein und gründest mit Miss Construction fast im gleichen Atemzug ein Neues?
Ich hatte die Idee, mehr mit Vocals zu arbeiten. Aus meiner Erfahrung heraus wollen die Leute aber keine Veränderungen. Also hab ich kurzerhand Tumor für Tot erklärt und Miss Construction gegründet. Es war einfacher es als neues Projekt aufzusetzen.




Wenn man es mal kritisch betrachtet, sind deine CDs bei den Medienvertretern selten wirklich gut angekommen. So fehlt doch aber, wie ich auch selbst in meiner letzten Rezension deines neuen Albums angegeben habe, irgendwie eine Entwicklung bei Blutengel. Dein aktuelles Album "Schwarzes Eis" hat es immerhin vier Wochen in die Charts geschafft und war damit dein bisher kommerziell erfolgreichstes Album. Wie erklärst du dir diese Divergenz?
Die Kritik der Medien und Presse ist mir recht egal. Die kaufen keine Platten. Zudem sind in unserer Szene erfolgreiche Bands gern dem Verriss preis gegeben. Die können mir gern die Grüne Gurke des Monats geben. Aber das ist mir egal. Wie schon erwähnt wollen die Leute nicht so gern Veränderungen. Sie mögen meine Alben wie sie sind. Der Erfolg gibt mir in dem Fall recht. Ich möchte mich auch nicht der Presse anpassen, damit ich bessere Kritiken bekomme. Sicherlich wäre das möglich, aber das möchte ich eben nicht.




Wie kommt es zu dem LANGEN Erfolg von Terminal Choice und Blutengel? Wie kannst du die Unterschiede erhalten?
Blutengel ist im Grunde keine Band. Das bin ich allein und hab mit den Sängerinnen derzeit eine gute Unterstützung bei der Umsetzung. Terminal Choice wiederum ist eine klassische Band. Da kann ich die Sau raus lassen und die Musik wird gemeinsam erarbeitet. Jeder trägt seinen Teil dazu bei. Bei Blutengel bin ich dann immer froh, wenn den Mädels das gefällt, was ich da gemacht habe. Das ist meistens auch der Fall (*Gelächter der Damen im Hintergrund*)




Von verschiedenen Seiten habe ich gehört und auch schon selbst live gesehen, dass eure Show auf der Bühne eigentlich keinerlei Instrumente mehr aufweist. Das einzige Momentum seid ihr selbst. Ist das eine Reduzierung auf euch? Oder ist es umgekehrt betrachtet eher ein Zeugnis, das euch von anderen abgrenzt? Das eben die, die keine Instrumente nötig hätten, aber trotzdem so tun als ob.
Die meisten Bands spielen doch nicht mehr wirklich auf ihren Instrumenten. Das ist zum grossen Teil bei elektronischen Bands nur Playback. Die Leute hinter den Synthies haben teils nichts anderes zu tun als dumm herumzustehen. Wenn man es genau beobachtet, sind bei einigen Bands die Instrumente nicht mal mehr wirklich angeschlossen. Da halte ich mich für ehrlicher den Fans gegenüber und biete ihnen mehr Show und Unterhaltung. Letztlich würden die Instrumente eh nicht benutzt werden und nehmen uns den Platz auf der Bühne.




Noch mal zum Output von dir. Kannst du eigentlich ohne Arbeit? Also wenn du das denn als Arbeit betrachtest. Was treibt dich dabei an?
Mein letzter Urlaub ist ca. sechs oder sieben Jahre her. Vielleicht bin ich ein Workaholic. Ich arbeite halt jeden Tag. Es ist anstrengend, aber ich bin mit dem Leben, so wie ich es führe, sehr zufrieden. Morgens geht's dann ins Büro, um den Teil der Korrespondenz zu erledigen. Alles was eben auch die Homepage betrifft und den Vertrieb. Nachmittags dann mache ich im Regelfall eher Musik und sitze im Studio. Ich habe einfach Lust was zu machen, das treibt mich an.




Mal eine klassische Frage aus einem Bewerbungsgespräch, was sind deine Ziele für die Zukunft? Wo stehst du in fünf Jahren?
Realistisch betrachtet wird es schwer in fünf Jahren da zu stehen, wo wir derzeit sind. Mein Ziel ist es und war es immer Musik zu machen und davon leben zu können. Das habe ich auch erreicht. Ich weiß nicht, ob wir derzeit auf dem Höhepunkt unserer Karriere sind.




Du und ich wir beide sind ja nicht mehr "die" Jüngsten, gehst du noch auf Parties und kannst du das bei deiner Popularität überhaupt noch in Ruhe? Kannst du da noch in Ruhe wo sitzen und 'nen Gin genießen?
Das ist im Grunde nicht mehr möglich. In Berlin kann ich das noch ab und an, aber an sonst eher weniger. Wenn man eine gewisse Popularität hat, dann geht's halt leider nicht mehr. In Leipzig oder Dresden ist es nicht möglich! Es ist schon sehr geil, wenn man wo aus dem Bus steigt und dort jemand einen erkennt. Und danach dann kommt plötzlich eine Menschentraube auf einen zu. Aber leider kann ich daher auch nicht mehr einfach mal privat auf das WGT, was ich eigentlich schon gern mal wollte. Das Selbe trifft ja auch auf andere Festivals zu.




Zum Schluss noch ein paar private Sachen. Hast du Familie? Kinder? Wie sieht deine Verbindung da zu deinen Eltern aus?
Familie ist mir unheimlich wichtig. Ich hab deren volle Unterstützung und ich bin fast täglich bei meinen Eltern zum Kaffee trinken. Außerdem bin ich auch bei allen Familienfesten zu Hause. Soweit es natürlich möglich ist. Aber man kann es ja planen und daher klappt das auch fast immer. Ich hab keine eigenen Kinder, aber möchte in dem Alter nicht mehr. Aber man sollte nie nie sagen.




Vielen Dank für das Gespräch und viel Spaß gleich bei eurem Auftritt.
Vielen Dank auch euch und viel Spaß bei der Show

(Das Interview führte Oliver Garrandt; mitgeschrieben hat Friederike Moser.)




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