LETZTE INSTANZ :: Eigenartiges Gefühl, dort zu spielen, wo eben noch der Pfarrer stand
Stil: Folk Rock
Bandmitglieder: B.Cellini, Micha, M. Stolz, Holly, Holly D., Specki T.D., Oli



Interview mit Holly D, Gitarrist, vor dem Konzert in Bochum in der Christuskirche. (ludger)
www.letzte-instanz.de



"Das weiße Lied", als Tour und als Akustikalbum. Wie ist bisher die Resonanz?
Hinsichtlich des Albums ist die Resonanz sehr positiv. Wir sind selbst etwas erstaunt. Speziell die Erwartungshaltung der Fans im Hinblick auf den neuen musikalischen Kontext war schwer einzuschätzen. Sicher denkt man dann, es gibt Fans, die sagen: "Da kann ich nichts mit anfangen"? Aber so ist es wohl nicht. Die meisten sagen schon: "Klasse". Selbst in der "schwarzen Presse" wurde die CD regelrecht gefeiert. Teilweise war sie Platte des Monats. Die Presse ist uns gegenüber auch dadurch inzwischen viel offener und weniger mit Klischees behaftet als man immer denkt. Das ist mal erst schön.

Die Tour selbst ist bisher großartig. Heute ist das vierte Konzert. Wir hatten einen superschönen Auftakt in einer schönen Atmosphäre. Das Konzert in Hannover war riesig. Es war das erste ausverkaufte Konzert der Tour. Es war ganz toll.





Warum tourt ihr überwiegend durch Kirchen?
Eigentlich wollten wir nur in Kirchen spielen. Das ist uns aber leider nicht gelungen. Gut, eine Band mit unserem Background mitsamt dem Namen ist halt nach mancher Leuten Ansicht nicht geeignet für die Kirche. Es war sehr schwer und manchmal gelang es halt nicht. Bayern und Baden-Württemberg waren zum Beispiel sehr schwierig.




Das Album erschien zum 10-jährigen Bühnenjubiläum. Auch ein Geschenk an euch selbst?
Auf jeden Fall war es auch ein Geschenk an uns selbst. Es war eine unglaubliche Erfahrung, nochmals das erste Mal auf der Bühne zu stehen. Denn so war es gefühlsmäßig. Das war ja alles neu für uns und sehr spannend. Wir wussten nicht, wie kriegen wir die Leute begeistert. Beim Rock'n'Roll machst du eine Show auf der Bühne und kannst vom Bühnenrand aus viel machen. Das schied hier alles aus. Wir konnten uns auch selbst noch mal beweisen, was wir können.

Sicher, man ist den Fans gegenüber in gewisser Weise verpflichtet, aber dies ist ja eine ganz andere Schublade. Wir hatten mal erst keinen Rahmen, in dem wir uns bewegen mussten und somit Raum für Virtuosität. Dies kam gerade den Streichern sehr entgegen. So war es auf jeden Fall auch ein Geschenk an uns selbst.





Wie schwer fiel euch das Umarrangieren und wer hat die Titel ausgewählt?
Die haben wir alle gemeinsam ausgesucht. Das ging aber auch schnell, weil sich einige der ganz bekannten Stücke sowieso schon aufgezwängt haben. Wir haben uns dann gefragt, welche Lieder im Jahr 2007 noch aktuell und bezeichnend für "Letzte Instanz" sind und bei welchen Stück macht es Sinn? Sind sie überhaupt im anderen Kontext möglich? Das ging relativ schnell. Oli hat dann alle Noten geschrieben und für uns ausgedruckt. Das haben wir uns angesehen und gespielt und im Großen und Ganzen dann auch so belassen.




Nochmals zu den Kirchen. "Letzte Instanz" lässt schon den Überschlag zum Gottesgericht zu. Passt das?
Weißt Du, ich denke, Religion sollte auch mit einem Augenzwinkern gesehen werden. Ich glaube, Gott ist nicht so ernst, wie er immer dargestellt wird. Und der Name "Letzte Instanz" war vom Worthintergrund ja nie ernst gemeint, zumindest für uns nicht. Wir haben das immer ironisch gesehen. Ich finde aber, es passt sehr gut. Sicher, unsere Texte sind nicht religiös im Sinne der Kirche, aber sie beinhalten schon sehr wesentlich Dinge wie Liebe, Gefühl und Mitgefühl. Daher passt es hervorragend.

Ich war gestern selbst in der Kirche, um mir die für das Konzert anzusehen. Da war gerade Gottesdienst und es waren vielleicht 60 Leute da. Zum ersten Mal seit Jahren war ich in einem Gottesdienst. Die Predigt war auch gut. Musik in diesem Raum ist etwas sehr schönes. Und auch die Meditation war gut. Es war auch ein eigenartiges Gefühl, dann dort zu spielen, wo eben noch der Pfarrer stand.





Die CD ist unheimlich getragen und gewogen. Wie lange hat die Arbeit letztlich gedauert?
Das hat nicht lange gedauert. Vielleicht drei Monate von dem ersten Arrangement bis zum Mix. Wir haben fast alles selbst aufgenommen. Jeder hat ja mittlerweile sein eigenes kleines Studio zu Hause. In Zeiten des Internets ist es dann ja ein Leichtes, die Sachen zu versenden und herunter zu laden.




Wie viel könnt ihr jeweils aus eurer eigenen Persönlichkeit einbringen?
Eine gewisse Individualität eines jeden fließt natürlich mit ein, jeder hat seinen eigenen Stil. Dies hört man auch heraus, wie ich denke. Aber es ist so bei uns, dass jemand einen Song schreibt und sich dabei bereits überlegt: Was kann der andere? Danach arbeiten wir. Dies liegt auch daran, dass wir ein sehr gutes Gemeinschaftsgefühl haben. Liegt jemand mit einem Stück daneben, wird darüber gesprochen oder auch mal gestrichen. Wir sind sieben Leute und respektieren uns und unsere Meinung untereinander. Das ist ganz wichtig. Dementsprechend kann jeder seine Kreativität einfließen lassen.




U. a. Anna-Katharina Kränzlein unterstützt euch als Support und begleitend. Ist es so, dass die Bands in der ganzen Szene harmonischer miteinander umgehen als anderswo?
Das würde ich so nicht verallgemeinern. Man kennt sich untereinander, weil man oft auf Festivals zusammen spielt. Zu Schandmaul besteht schon eine jahrelange Freundschaft, ebenso zu Subway To Sally. Daher war es nicht schwer, sich hier für dieses Projekt erstklassige Leute zu besorgen.




Beim Spiel in der Kirche muss die Frage erlaubt sein: Wie gläubig seid ihr selbst?
Da müsstest du jetzt jeden selbst fragen. Wir haben in der Band schon Leute, die sagen, sie sind Atheist und es gibt keinen Gott. Andere glauben an eine Gott, aber nicht an den institutionellen Gott der Kirche. Für andere spielt Religion eine große Rolle.





Wollt ihr die Leute nur zu einem Konzert holen, oder gibt es auch die Intention, Menschen grundsätzlich wieder in die Kirche zu bewegen, auch über Konzerte hinaus?
Das ist mir eigentlich egal. Ich finde es nur sehr traurig. Es gibt so schöne Kirchenhäuser, gerade auch von der Architektur. Darin lebt eine wunderbare Aura, aber sie sind fast immer leer. Und wenn sie dann offen sind, sind sie immer noch fast leer. Und insbesondere sollten sie kein Sightseeingobjekt sein. Das ist das Allerschlimmste. Es sind keine Museen, sonder heilige Orte, denen man mit dem nötigen Respekt begegnen sollte. Davon bleibt etwas.

Es ist schön, wenn diese Räume mit Musik gefüllt werden. Ich gehe gerne zu Kirchenkonzerten. Gerade in Dresden, wo ich herkomme, ist das Angebot sehr groß. Musik passt grundsätzlich wunderbar in die Kirche und unsere Musik vom neuen Album auch, wesentlich besser als in Clubs oder Konzertsäle. Schließlich hat Musik auch immer etwas mit Religion zu tun.





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