Der Kreis schließt sich

Girls Under Glass (Wave/Gothic/EBM)
Volker Zacharias (Gesang/Gitarre), Axel Harms (Gitarre), Hauke Harms (Samples/Synths)
Fotos by Claudia Schöne www.guiding-light.de

Gleich zwei Jubiläen gilt es für die Hamburger GIRLS UNDER GLASS zu feiern. Zum einen veröffentlichten sie Anfang des Jahres mit "Zyklus" ihr zehntes Album, zum anderen feiern sie im nächsten Jahr ihr zwanzigjähriges Bestehen. Zwei Jahrzehnte, in denen sie die deutsche Dark Rock Szene belebten und nicht selten für Überraschungen sorgten, so mit dem stark Industrial Metal lastigen Album "Firewalker". "Zyklus" beherbergt nun die Stärken der Girls. Eingängige Melodielinien, Tanzbarkeit, dunkle Melancholie, Ohrwurm-Refrains und Texte zwischen Aufgabe, Hingabe und Neubesinnung. GUG schafften es zwei Jahrzehnte, die deutsche Wave Rock Szene mit zu prägen. Dabei trotzten sie jedem Untergangsgerede, blieben sich trotz Veränderungen und Experimenten immer treu. Alles Grund genug, um Sänger und Gitarrist Volker ein paar Stellungnahmen zu entlocken. www.girlsunderglass.de (andreas)


-> Review "Zyklus" lesen


Wenn du retrospektiv über die vergangenen 18 Jahre nachdenkst, würdest du (passend zum Titel) sagen, dass "Zyklus" einen Kreis schließt, der bei "Humus" anfing?
Ja, auf jeden Fall. So war der Titel ursprünglich gemeint. Zyklus soll die Essenz aus diesen 19 Jahren sein und den Höhepunkt in unserer Entwicklung dokumentieren.


Noch ein kurzer Abstecher in die gute alte Zeit, "Humus" erschien 88. Eine Zeit (86-90), in der gerade im düsteren Underground in Deutschland eine wahre Revolution herrschte. Erinnert sei an Bands wie Pink turns blue, Love like blood (Dark Rock), Another Tale (Wave Rock), Fair Sex, Pitchfork (Dark Electro), Das Ich, Goethes Erben, Lacrimosa (despektierlich NDT genannt). Allesamt einzigartige Bands, welche heute in einer Masse an VÖ's untergehen. Gräbt die "schwarze Szene" ihr eigenes Grab, oder ist es schon fertig?
Das frage ich mich auch öfter. Ich denke einfach, dass man die aktuelle Generation an Szenegängern nicht mit der damaligen vergleichen kann und soll. Früher hat die Szene ganz anders getickt. Heutzutage hat man unzählige Partys als Kommunikations- und Anlaufstelle. Früher waren es eher die Konzerte und die direkte Identifikation mit den Bands und ihren Aussagen. Da schert sich doch heutzutage keiner mehr drum. Man macht Party und gut isses. Meistens weiß man ja nicht mal mehr, zu welchem Act man sich da eigentlich gerade verrenkt. Ob die Szene sich damit ihr Grab schaufelt, kann ich nicht beurteilen. Fakt ist, dass sie sich sehr stark weiter entwickelt hat und ich nun der jenige bin, der da Schwierigkeiten hat, sich mit zu identifizieren. Ist für mich insofern unproblematisch, als dass ich eh nicht mehr in dem Alter bin, wo ich ständig in Clubs rumhüpfe. Von daher tangiert mich diese Entwicklung nur bedingt. Schade ist es eher für Girls Under Glass als Band, denn das macht nicht BUMM BUMM und deshalb muss man sich damit schon aktiv auseinandersetzen und für sich "entdecken" und das ist halt von einigen ein bischen zuviel verlangt. Sei es drum.


Neben Stilwechseln gab es auch einen regen Wechsel der Label (Strange Ways, Nuclear Blast, Hall of Sermon, eigenes Label, Dependent). Würdet ihr eine Wohnung einrichten, bei welchen Label stünde euer Bett, wo euer Sofa? Wem würdet ihr rückblickend in einem imaginären Testament danken?
Ich würde eine WG gründen, in dem alle Label ihr eignes Zimmer haben und wir abends gemeinsam kochen. Von dem Erfahrungstausch könnten dann wirklich alle profitieren. Wir haben ausschließlich positive Erfahrungen mit unseren Labels gehabt. Jedes Label hatte seine individuellen Stärken und manchmal eben auch Schwächen. Über's Ohr wurden wir nie gehauen. Wir haben stets sehr faire Labelpartner gehabt.


Im Vergleich zum Vorgänger fällt auf, dass die Gitarren wieder in den Vordergrund gerückt sind. Im druckvollen "Touch me" klingt es sehr modern, in ruhigeren Stücken wie "in the darkness" eher traditionell. Kommt diese Mischung deiner Vorstellung von "zeitloser" Rockmusik nah?
Du sagst es. Ich finde GUG eher zeitlos als modern. Was ist schon modern? Dieser ganze Retro-Scheiß etwa, auf den sich gerade alle stürzen? Hauptsache Hippielook und reinbrettern. Wohl kaum. Uns geht es wirklich um zeitlose Musik, wir versuchen trotzdem, dabei nicht antiquiert zu klingen und das gelingt uns hoffentlich auch überwiegend. Nicht zu leugnen ist natürlich, dass wir im Zeitalter des New Wave aufgewachsen sind und nicht mit VNV Nation oder Front 242. Da kommt dann schon 'ne etwas andere Denk- und Herangehensweise bei raus. Und die hat sicherlich zu Folge, dass man GUG seine Roots irgendwie auch anhört.


Für die aktuelle Single "Ohne Dich" konntest du als Gastsänger Peter Spilles gewinnen. Wenn du bedenkst, dass P.Pitchfork vor langer Zeit eure Vorgruppe waren und wo sie heute stehen, habt ihr (kommerziell gedacht) diesbezüglich Fehler gemacht?
Nö. Wir haben keine Fehler gemacht, weil wir grundsätzlich und bewusst DAS gemacht haben, was wir für richtig halten, ohne uns an Käufer, Szenen oder Kommerzialität anzubiedern. Damit einhergehend haben wir uns nie als irgendwas verkauft, was wir nicht sind. Und das ist kommerziell gedacht natürlich 'ne kleine Katastrophe. Für uns jedoch völlig okay.


Wie entstand überhaupt die Zusammenarbeit, war dieser Song von vornherein auf ein Duett ausgerichtet?
Oh no. Der Song war schon lange fertig und von allen so abgesegnet. Allerdings ist mir zu einem sehr frühen Zeitpunkt aufgefallen, dass es bei OHNE DICH paralleleln zu alten Pitchies-Songs gibt, und als dann OHNE DICH zur Single gekürt wurde, habe ich konsequenterweise Peter gefragt, ob er Lust hat, diesen Titel als Duett zu singen.


Meiner Meinung nach, hat es auf einem GuG Album noch nie so viele eindringlichre Refrains ("Whatever makes you happy", Love is in my world" oder "Ohne dich") gegeben. Hat sich in Puncto Songwriting etwas verändert?
Nein, eigentlich nicht, aber in puncto Lebenserfahrung. Und ich war vor und während der Produktion nicht sonderlich gut drauf. Und auch das hat mir vielleicht die Kraft gegeben, emotionaler als sonst zu Werke zu gehen. Aus einem geordneten zufriedenem Leben kann man wohl schlecht seine Inspirationen her ziehen. In diesem Fall hatte ich 'ne Menge Stoff, der in meiner Birne abging, zu verarbeiten und das hat dem Album sicherlich gut getan.


Die Liebe mit all ihren Facetten ist eine tragende Säule der Texte. Auf dem ersten Ohr mag viel Hoffnungslosigkeit durchdringen. Würdest du mir zustimmen, wenn ich glaube, zwischen den Zeilen steht viel positives in Form von Erneuerung bzw. Veränderung?
You got the point! Und zum Glück haben das viele Hörer bereits so erkannt wie Du. Ich persönlich dachte anfänglich "scheiße, ist das melancholisches Zeugs diesmal". Aber am Ende stimmt es, dass sehr viel Hoffnung und Kraft in den Texten steckt und ich bin froh, diese Kraft weitergeben zu können. Es wäre mir kein explizites Anliegen, die Hörer mit der Musik oder den Texten runterzuziehen.


Würdest du einen Text wie "In die Einsamkeit" umschreiben mit: "Wir waren nicht dumm genug, um uns nicht weh zu tun"?
Hö?? Hab ich das irgendwo geschrieben? Glaube nicht. Ich mag prinzipiell meine Texte nicht auseinanderdezidieren oder erklären. "In die Einsamkeit" ist zudem auch noch in deutsch, also sprachlich wohl sehr verständlich. Richtig ist, dass es mehr als einen Interpretationsansatz gibt. Wichtig ist mir bei diesem Song aber eher, welche Gefühle er beim Hörer auslöst und DAS wiederum hängt wohl eher von seiner urpersönlichen Erfahrung mit diesem Thema ab.


Während die Texte von GuG selten polarisieren, scheint es die musikalische Seite zu tun. Melancholie und Romantik stehen konträr zu Kraft und Experimentalismus. Würdest du "Zyklus" als Mischung aus Kopf und Bauchmusik betrachten, in deren Mittelpunkt das Herz steht?
Coole Betrachtungsweise. Kann man so machen. Musik entsteht aber selten aus dem Kopf heraus, aber der Kopf strukturiert die Ideen, die eher aus dem Bauch kommen und manchmal eben das reflektieren, was im Herzen passiert. Aber Kopf, Bauch und Herz ist das, was der Musik den nötigen Impuls gibt. Das Herz ist bei ZYKLUS wohl etwas stärker involviert als bei einigen anderen GUG Alben vorher.


In der Vergangenheit gab es auch gutgemachte Coverversionen von GuG ("Down in the Park", "Frozen"). Gab es diesbezüglich auch Überlegungen für das aktuelle Werk?
Ja, die gab es. Aber das Album war so wie es ist, in sich rund. Wir haben noch ein paar coole Ideen für Coverversionen, an die wir uns aber noch nicht rangemacht haben. Eine Band ist dabei die einflussreichste der Waveszene seit Ende der 70er Jahr, die andere Band ist komplett unbekannt und war selbst in den USA eine absolute Randerscheinung in den 80ern. Ich bin gespannt, was dabei raus kommt. Das wissen wir bei Coverversionen nie im Voraus. Wenn's nach hinten losgeht, kommt's in die Trash-Box :-)


Da ihr sowohl englische, wie deutsche Texte schreibt. Was haltet ihr von der momentanen Diskussionen um eine "Deutschquote" im Radio?
Die Plattenbranche versucht halt alles, um die Verluste zu reduzieren und ihre eigenen Produkte angemessen zu vermarkten. Und die Radiostationen sind in den letzten Jahren tatsächlich immer mainstreamiger geworden und nudeln nur noch Chartszeugs rauf und runter. Ganz grausame Entwicklung. Ob die Deutschquote an sich was dran ändert, weiß ich nicht, denn es ist ja bei weitem nicht alles gut was "deutsch" ist oder "aus Deutschland" kommt. Aber in anderen Ländern ist es selbstverständlich, dass einheimische Bands unterstützt und gespielt werden, unabhängig von ihrem Erfolg. Und Deutschland schielt blöd nach England und in die USA und auf die Charts. Das ist arm. Und sollte tatsächlich geändert werden. Von daher bin ich pro "Quotenregelung". Allerdings mit der großen Hoffnung, dass es keine Aufforderung für die Majors ist, radiotaugliche Scheißbands auf den Markt zu schmeißen, die die Quote "rechtfertigen". Das Ganze darf auch mal etwas non-mainstreamiger ausfallen.


Stell dir vor du müsstest die Stärken und Schwächen des aktuellen Werkes erklären. Wie würdest du einer derartig blöden Frage ausweichen und doch beides in Worte fassen?
Hö?? Dann müsstest Du mir schon sagen, wo Du bei dem Album Schwächen entdeckst. Ich entdecke keine. Sorry. Okay, aber wenn ich es mal besonders selbskritisch angehe, dann würde ich sagen, dass der vermittelte Inhalt sich lediglich um ein bestimmtes Thema dreht, während in der Welt genügend passiert, was man reflektieren und verarbeiten kann. Der Sänger scheint also ein wenig "ego"zentrisch zu sein :-) BÖSER SÄNGER! :-)
Auf der anderen Seite danken wir ihm dafür, dass er mit seinen Texten aus unserer aller Seele spricht und uns einen Spiegel unserer Erfahrungen vorhält und uns deutlich macht, dass man auch in Krisensituationen den Kopf hoch halten sollte. In diesem Sinne ist ZYKLUS wie ein guter Freund!


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