Abschaum Mensch
1972 (Soundtrack/Dark Industrial)

1972 ist das Solo Projekt von Leander Körfer. Es ist ein alptraumhafter und bedrohlicher Soundtrack gegen die Ausbeutung des Tieres durch den Menschen. Sein Kampf basiert nicht auf Parolen, sondern als surreales Exponat von Tönen, Samples usw.. Die Atmosphäre bleibt unterkühlt, die imaginär erzeugten Bildnisse in des Hörers Hirn werden zum fatalen Mittelpunkt, deren musikalischer Begleiter eine Tonfolge der Angst mahnmalisiert. Leander arbeitet mit viel Liebe zum Detail, erschafft dabei keine "Musik" im herkömmlichen Sinne, eher eröffnet er ein Diskussionsforum. Auch wenn es brachiale Ausbrüche gibt, bleibt er doch der düstersten Ruhe treu. Nur dezent existiert das Gefühl Wut, weit mehr ist es die Verzweiflung, die regiert. Wie ihr im Interview lesen könnt vertritt Leander eine sehr radikale Meinung. Aber ist die Meinung wirklich so radikal, kann es überhaupt radikal sein, sich für die Rechte eines Lebewesens einzusetzen? www.1972music.de (andreas)


Ich war etwas überrascht als ich "1972" auf dem "Lightwaves"- Sampler fand. Wie kam es dazu und wie siehst du deine Musik in Verbindung mit der Romantic Wave/ Heavenly Voices Szene?

Nun gut, ich weiss selber nicht so recht, wer genau meine Zuhörer sein können. Okay, sie müssen einen Hang zu einer Art Kunst von "Geräuschen" haben, um meine Werke überhaupt zu ertragen oder zu verstehen. Aber ob sie jetzt unbedingt einer Schublade entsprechen? Also bei dem Lightwaves war das so, dass ich durch Kontakt mit dem Label durch meine hauptberuflische Arbeit als Grafiker zusammen arbeite. Und eines Tages schickte ich ihm mal mein neues Werk "deathawaitsyouwithopenarms", er war so angetan von dem einen Song und da war halt noch Platz auf der Compilation, so dass ich nun als quasi "Outro" auf diesem genialen Sampler gastieren darf. Toll oder? Und ich denke, dass diese Nummer (Silence For Leon) sich einwandfrei in den Reigen von sehr guten Bands (vor den ich auch allen Respekt habe) einreihen kann, ohne den Gedanken zu hegen "Hä... was ist denn das für ein Demo Scheiss..."



Du beziehst mit deinem letzten Album "Coma" eindeutig Stellung gegen Tierversuche. Du verpackst es aber nicht in Texte, sondern in einem alptraumhaften Soundtrack. Könntest du die Idee, allein mit instrumentalen/elektronischen Mitteln zu protestieren uns etwas näher bringen?

Nun das hängt davon ab, dass ich bevor ich die Musik überhaupt wieder aufgriff, eine Idee im Kopf hatte wie meine Musik klingen sollte, bzw. entstehen sollte. Mit einem Kopfhörer machte ich Raumaufnahmen von Geräuschen (Scannern, Laufwerken usw.) Mit Hilfe von Logic Audio fand ich genau das Programm, was diese "Audio" Schnipsel mit massig von Filtern wieder zusammenbasteln konnte. Hier und da noch Samples von "Bands" und "Videofilmen", einige obskure elektronische Sounds und alles schien mir dann letztendlich schon so aussagefähig, dass ich auf "komplette" Vertonung keinen Wert mehr legte und von Anfang an eigentlich auch nie eingeplant hatte. 1972 ist halt eher Soundtrackmusik und die ist ja auch meist instrumental.



Gibt es einen persönlichen Kampf, der über das Musik machen hinausgeht?

Ja, auf jedenfall. Es vergeht kein Tag an dem ich nicht denke, wie scheisse der Mensch an sich oder die Gesellschaft komplett ist. Die kleinsten Sachen machen einen nachdenklich, schnellrasende, hitzköpfige Autofahrer, Jäger, Metzgereien, Fleisch überhaupt im Geschäft, wiedersprüchliche Spenden für Afrika usw. Nun gut, mittlerweile bin ich schon bei dem Gedanken, dass die Welt oder eher gesagt der Mensch wohl noch kaum zu retten ist. Aber wofür geht man dann all diesen Terror ein, sich immer wieder mit ignoranten Menschen zu umgeben? Ganz einfach, um für sich selbst im reinen und (wie Reinhard May so schön sagt) "frei" zu sein. Für mich muss kein Tier zum Fleischkonsum mehr sterben. Und auch tierische Produkte lehne ich ab (also Milch, Eier usw.). Ebenso lehne ich Produkte ab, von denen ich bewusst weiss, dass diese (oder deren Inhaltsstoffe) an Tierversuchen ausgetestet wurden. Aber ganz Vegan bin ich noch nicht, wenn auch dies sicherlich der nächste Schritt in dieser Richtung sein dürfte.



Würdest du in irgendeiner Form ("Medizin") Tierversuche akzeptieren?

Ganz klar Nein, und nicht etwa nur aus dem Grund, weil ich ja gegen Tierversuche bin, der Tiere im Gedanken zur Liebe. Nein - man muss ganz klar sagen, dass Tierversuche völlig (zu 100%) SINNLOS geschweige denn notwendig sind. Jetzt fragen sich aber einige "ja warum gibt es dann Tierversuche überhaupt?" Also das kommt daher, dass Medikamente, Lacke etc. vor Vermarktung erprobt werden müssen, auf die so schön umsagten Risiken und Nebenwirkungen. Doch vor einigen Jahren waren die technischen Möglichkeiten (und auch der Verstand) noch nicht so weit fortgeschritten, dass man sich keines besseren wusste, als die "Scheisse" an "minderwertigen" Lebewesen auszuprobieren. Nun gut, die Nazis habens es mit Juden getan, was verdeutlicht, was Nazis (Rassisten) und Tierquäler (Spezisten) ethisch gemeinsam haben. Sie sind beide moralisch verwerflich. Aber zurück zu dem Testen. Heute ist wissenschaftlich bewiesen, dass noch nicht mal zwei verschiedene Mäusearten auf die selben "chemischen" Stoffe reagieren wie deren "artverwandte" Maus. Geschweige ist daran zu denken, diese Reaktionen auf Menschen zu übertragen. Doch so paradox wie es klingt, es ist eine reines "Geschäft" auf Kosten von Millionen von unschuldigen Lebewesen und Patienten mit nicht grad immer lapidaren Nebenwirkungen, die auch mit Tod oder Behinderung (z.B. Kontagan) enden können! Tja dieser Industriezweig ist so riesig (Tierlabortierzüchter, "Todes" Maschinen hersteller usw.), dass er nicht mal so eben ohne Riskien und Nebenwirkungen auf die Wirtschaft sich negativ auswirken würde. Geschweige zu sprechen von der ganzen Korruption die dahinter steckt. Denn so einige Mittel von Bayer wären sicherlich Ruck Zuck vom Tisch, wenn sie zur Probe in den sicheren "Tierversuchsfreien" Labors gecheckt würden.



Ein Song wie "dead drive" könnte durch den Sprach Sample "komm raus" und die teils liebliche Vertonung, die in Momenten etwas bedrohliches besitzt, auch als Vertonung einer nächtlichen Befreiungsaktion von Tieren dienen. Was steckt hinter diesem Song?

Also, wie ich schon erwähnte, gab es erst grundlegende Ideen für Songarranges. Die Songs bauen alle auf diversen Tonschnipseln auf, die mit Hilfe von Filtern und den mir jeweils weiteren paassenden "obskuren" Sounds oder Samples musikalisch für mich perfekt erscheinen. Während dessen entstehen (auch mit Sicherung der Songs) immer wieder Namen für den Song, wie ich ihn empfinde. Dass hier "Dead Drive" rausgekommen ist, hat jedoch eher etwas mit der Fahrt der Sounds zu tun, die da auf einen einbrechen. Es geht ja viel mehr darum, Bauchschmerzen durch Musikgebilde hervorzu rufen, als eine "glatte" Geschichte zu erzählen. Die Musik ist teils so kaputt wie das System Mensch!



Tierversuche sind ein Thema, weitere Probleme diesbzgl. sehe ich in der Jagd, der "Sport"-Fischerei und der Tierhaltung im Allgemeinen (Privat, Landwirtschaft, Zoo). Tierquälerei ist also extrem vielfältig, wo siehst du das größte Verständnis innerhalb der Bevölkerung?

Eigentlich darin, dass die von Menschen betitelten "Tiere" nicht als gleichwertige Lebewesen dieses einzigartigen Planeten anerkannt werden, geschweige ihnen die selben Rechte zu zusprechen. Aber was für mich sehr Nahe liegt, eben dass Tiere genauso ein Recht auf Leben haben wie die "Menschen" scheint diese Moral bei vielen Menschen noch nicht einmal für Mitmenschen zu greifen. Denn woher stammt sonst solch krankes handeln wie Kindesmissbrauch? Und diesen Menschen braucht man mit Tieren erst gar nicht zu kommen. Aber auch alle Tierbesitzer sind jetzt nicht heilig, alleine wenn ich schon an die erwähnten Jäger denke. Oh mein Gott! Dann kommen sie mit Argumenten wie "Das ist ja gesetzlich erlaubt". Darauf bleibt mir nur der Gedanke, wenn es morgen erlaubt wäre, Juden zu "minimieren" wären die doch die ersten, denn es ist ja gesetzlich erlaubt. So ein Scheiss... halt blutig, moralische Fehltritte der Natur!



Dein Werk "Coma" geht ja noch weiter und beschäftigt sich nicht allein mit Tierversuchen. In Stücken wie "Krieg" oder "Atom(Ohn)macht" geht es ja um weitere Makel der Menschheit. Es ist also quasi ein Komplettangriff auf die frappierendsten Lobbyisten nicht nur unseres Landes (Pharmaindustrie, Waffenlobby, Atomindustrie). Die Wirtschaft hat die Politik fest in der Hand, was müsste passieren, um dieses zu ändern?

Wie gesagt, ich glaube kaum, dass der Untergang der Menschheit auf diesem Planeten zu stoppen ist. Ich denke auch, dass dies das Beste für den blauen Planeten sein kann. Vielleicht erholt er sich, vielleicht ist er aber auch so versäucht, dass er sich schämt in der Galaxie zu stehen. Abgesehen davon, dass er in zig tausend Jahren von der Sonne verspeist wird. Naja, also es ist ziemlich aussichtlos, was an der gesamten Menschheit zu ändern. Vielmehr wird hier die Spirale des Untergangs greifen, in Bezug auf das grossartige Können des Menschen, alles Greifbare zu vernichten oder Untertan zu machen. Dennoch denke ich, dass bewusstes handeln einiges verändern kann, z.B. beim Vegetarismus das Tiermorden vermindert werden kann.



Jeder Mensch hält sich die Hand vor Augen, wenn Berichte über Hühner-KZ's, Schlachtereien usw. gezeigt werden, warum gibt es nur einen derart geringen Teil an Vegetariern?

Das hängt wohl damit zusammen, dass die meisten Menschen durch falsche Propaganda oder Informationsfluss nicht wirklich aufgeklärt sind, was das Thema Fleischkonsum eigentlich bedeutet. Klar, wenn Durchschnittsbürger bei Hühner KZs wegschauen, aber trotzdem kein schlechtes Gewissen haben, beim Mord KFC tote zu rechtportionierte Hühnerteile mit einem Salatblatt zu verspeisen, liegt es einfach daran, dass sie das verdrängen wollen. Denn wer hat schon Lust, das so heissgeliebte Fleisch "lebendig" zertrampelt in Flüssen voller Blut zu sehen? Doch warum essen diese Menschen überhaupt noch Fleisch. Der größte Punkt dürfte wohl sein, dass alle Menschen in dem Irrglauben sind, ohne Fleisch würde einem was fehlen. Doch so paradox es für Fleisch(fr)esser klingen mag, ist dies genau das Gegenteil. Fleisch schadet dem Mensch, davon abgesehen, dass der Mensch auch kein Fleischesser ist, wie viele immer irrtümlich rotzfrech behaupten, ohne wirklich eine Ahnung davon zu haben, von welcher Affenart wir denn eigentlich abstammen. Naja, da fehlt einiges an Aufklärung, doch auch hier hat die Industrie das Sagen. Fleisch ist ein gutes Geschäft, das verdeutlicht auch sicherlich der kaum gesunkene Konsum nach BSE Fällen, Hühnerpest usw. Unterm Strich: Vegetarisch zu leben ist nicht nur moralisch einleuchtender, sondern auch sicherlich gesünder.



Einer der exzessivsten Songs ist für mich "myst". Fast schon sezierend die Atmosphäre und das ellenlange Outro lässt den Hörer förmlich allein. Was soll dieser Track ausdrücken?

Wie gesagt, die Songs spiegeln in irgendeiner Weise sicherlich meinen Seelenzustand wieder. Bewusst oder unbewusst, am Ende bleibt eine "Musik", die sich in Gedanken verliert oder einfach nur zu einem Headtrip eignet. Es gibt verschiedene Ansatzpunkte, letztendlich zählt für mich das komplette Bild eines jeden einzelnen Songs. Dann ist er halt für mich fertig "gemalt"



Du arbeitest Passagenweise mit Sprach-Samples, woher kommen diese Versatzstücke?

Also anfangs sampelte ich elektronische Geräte (Fön, Rasierer, Scanner usw.), experimentierte mit Soundkreationen und ballerte noch einige Film, Jazz oder auch Metallgitarren drauf und nach etlichen Nächten war wieder einmal ein 1972 Song vollendet. Heute sample ich zwar nur noch selten Live, vielmehr berappe ich mich an kostenlosen WebSoundForen und verhackstückle diese dann stundenlang. Dann sample ich noch Audiodateien (von alten Platten usw.), naja und Radiogeräusche, TV-Aufnahemn usw. Bei meiner neuen Platte hatte ich z.B das Glück, einige geniale Klassik Sounds von Karl Heinz Essl benutzen zu dürfen.



Die unsägliche Abschlussfrage: Warum nennst du dein Projekt 1972?

Ganz einfach, das ist mein Geburtsjahr und es gibt im Nachhinein keine bessere Bezeichnung als diese Zahl, das bin ich 1972.