Krieg dem Schubladendenken
Subway To Sally (Folk Metal)

Mit ihrem aktuellen Werk "Engelskrieger" haben sich STS endgültig von der Mittelalter Musik verabschiedet. Die bereits auf "Hochzeit" vollzogene Wende hin zu harten Rockklängen findet sich auf dem aktuellen Werk nun auch in den Texten wieder. Derart sozialkritisch, derart bedrückende Texte um Krankheit, Tod, falsche Propheten usw., so hat man die Berliner noch nicht gehört. Vor dem Konzert im Herforder Kick stand uns Sänger Eric Fish zu diesen und anderen Themen Rede und Antwort. (andreas+eller)


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Wie sind die ersten Konzerte der Tour gelaufen?
Gut. Wir hatten im Vorfeld einige Probleme mit den Proben, da einer von uns mit Blinddarmentzündung im Krankenhaus war. Dann geht man schon mit einer gewissen Unsicherheit auf die Bühne, aber bereits beim ersten Konzert war diese bis auf ein paar kleine Details wie weggeblasen. Auch weil das Publikum dazu beitrug. Wir hatten vorher so keine Erwartungshaltung wie die Fans auf die neue Platte reagieren. Gestern in Hamburg war es dann schon so wie früher und die Fans sangen bereits die Texte des neuen Albums mit.

Es gab Gerüchte, dass ihr von der neuen Single "Falscher Heiland" auch ein Video drehen würdet?
Wir hatten es vor, allerdings wurde dann die Mercury, unter deren Dach wir noch die Platte gemacht haben, mitte Februar aufgelöst. Eine Art konzentrierte Begradigung, Einsparung etc. und wir sind zu Motor Music rübergeschoben worden, was natürlich nicht schlecht ist, weil man sich unter den ganzen Rock Acts wie Manson oder Rammstein gut aufgehoben fühlt. Aber da ging natürlich eine Menge Energie verloren. Vor allem, weil die Leute mit denen man zusammengearbeitet hatte, von einem auf den anderen Tag weg waren und die neuen waren im Grunde noch nicht im Boot. Das ist der Hauptgrund dafür, dass es nicht geklappt hat.

Was steckt hinter dem Titel "Engelskrieger" des neuen Albums?
Jede Menge, man muß bedenken, dass wir uns im Vorfeld sehr lange mit dem Werk beschäftigt haben. Wir haben sehr viel zusammengesessen und sehr viel geredet, viel mehr als in den Jahren zuvor. Nach zehn Jahren Bandgeschichte und sechs Studioalben, bei denen uns die ersten fünf die Schublade Mittelalter eingebracht haben, war es Zeit für eine Änderung. Die gesamte Band hat dann festgestellt, dass in diesem Bereich das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Wir kamen dann zum Punkt, wo wir überlegten, was das Neue sein könnte. Da die Musik auf den beiden Vorgängern schon ein wenig in eine andere Richtung tendierte, war es letztlich nur ein kleiner Schritt zu den Dingen, die täglich um uns passieren, was vor unserer Nase geschieht und in den Medien untergeht.

Ist dir im Endeffekt die Schublade "Mittelalter" auch zu eng geworden?
Bereits bei der Hochzeit sah ich uns schon gar nicht mehr in dieser Schublade. Die ganze Mittelalter-Schiene ist im Moment auch ziemlich inflationär, denn dass irgendwo Kapellen, die sich auf Mittelaltermärkten kennengelernt haben, die dann zu einer Band wurden und plötzlich beschließen, das Medium Rock-Bühne zu erobern, das ist es, was ich letztlich "inflationär" nenne. Und du wirst sehen wie es immer ist, wenn eine Modeerscheinung an Breite gewinnt, es hat nicht viel Qualität. Es hat so wenig Qualität, dass es Null Reiz hat noch in dieser Schublade zu sein. Spätestens mit der aktuellen Scheibe haben wir uns von diesem Genre gelöst. Es ist wie eine Nabelschnur durchschneiden, was man machen muß, um zu überleben. Überleben heißt eben in unserer Sichtweise sein eigenes Ich immer zu zeigen und im keinen Fall opportunistisch das zu machen, was von uns erwartet wird. Das wäre der erste Schritt in die Unglaubwürdigkeit.



Hast du dich je im Mittelalter Genre wohl gefühlt?
Nicht so richtig, allerdings hab ich auch schon auf Mittelaltermärkten gespielt und hab sogar einen der ersten Mittelaltermärkte mitorganisiert. Das war zur 700 Jahr Feier von Berlin im Nikolaiviertel, das war noch schön. Ein Event würde man heute sagen, was einfach großartig war. Weil die Leute halt mit ganzem Herzen dabei waren. Letztendlich sind diese Märkte zu Schauspielereien verkommen. Damals hat niemand daran gearbeitet, der das nicht total verinnerlicht hatte, ob das nun ein Bettler war oder ein Mönch. Heutzutage stecken sie Studenten in die Klamotten und die machen da ihr Ding. Wenn man jetzt diese zehn Jahre überspringt und man fragt mich jetzt, muß ich sagen, ich habe dazu einfach keine Lust mehr. Ich höre auch diese Musik nicht mehr, von einer Band mal abgesehen, das ist Estampie, die liebe ich sehr, obwohl es auch schon mehr in Richtung Klassik geht. Das heißt natürlich nicht, dass ich den Dudelsack auf der Bühne nicht mehr anfasse, um für die Leute zu spielen, das ist 'ne ganz andere Geschichte. Ich hab nur keine Lust mehr, Songs zu schreiben, die auf Dudelsack basieren. Ich hab viel mehr Bock auf harte Gitarren. Ich höre zu Hause auch Clawfinger, da steh ich viel mehr drauf.

Die Texte sind ja Spiegelbilder der Realität. Sozusagen der endgültige gesamtmusikalische Umbruch. Sind die Texte nun wichtiger geworden?
Wir wollten den Switch auch bei den Texten machen, sozusagen als letzten konsequenten Schritt raus aus dem Märchenreich. Alles andere hätte bedeutet, die Hochzeit noch mal zu machen, mit wie viel Gitarren auch immer. Wenn man die Texte nicht adäquat in die Jetztzeit ansiedelt in dem gleichen Maß wie man die mittelalterlichen Instrumente und Kompositionsweise weglässt, dann wäre es letztendlich auch kein runder Stil gewesen. Ich weiß nicht, ob es überhaupt gelungen wäre, all die Sachen wie Sterbehilfe, Autoaggression, Körperkult usw. in metapherartigen Bildersprachen rüberzubringen, das glaub' ich nicht. Wir waren alle dafür es dann so umzusetzen, wie nun geschehen. Wir waren begeisterst in einer klaren Sprache ganz klare Aussagen zu treffen. Wenn man mich fragt, ob ich Probleme dabei hätte, diese neuartigen Texte zu singen, kann ich das nur verneinen. Schwierig wird es, wenn etwas statt in der dritten in der ersten Person geschrieben wird. Z.B das "Abendlied" war ursprünglich in der ersten Person geschrieben, das konnte ich so nicht machen. Da hätte ich in die Rolle eines Kinderschänders schlüpfen müssen, das ging dann doch zu weit.

Warum gelingt die Ich-Form bei "Narben"?
Weil ich mich sehr intensiv damit beschäftigt habe. Weil ich da mit Bodenskis Hilfe ganz viel recherchiert habe, wobei ich sagen muß, das ich ein wenig überrascht war, das es so verbreitet ist.

Kann man sagen, das "Abendlied" mit dem Inhalt Kindesmissbrauch und "Narben" mit der psychischen Störung der Autoaggression aufeinander aufbauen?
Ich sehe die Platte als großen Kreis, wo sich Dinge berühren, wo man Parallelen ziehen kann. Es ist zwar nicht so, dass die Texte zwingend aufeinander angewiesen wären, aber im Endeffekt ergeben sie doch eine runde Sache. Das meine ich mit großem Kreis. Zu deiner Frage, ich glaube, wenn jemand in einer heilen Welt aufwächst, der wird so ein Problem nicht bekommen. Bei der Produktion bin ich ziemlich von der Begeisterung hinweg getragen worden, dass ich mir die ganzen Konsequenzen gar nicht mehr so ausgemalt habe. Ich war so begeistert von den Texten und der Musik und der Arbeit daran, dass ich trotz aller Recherchen den Blick für die wahren Dimensionen verloren hab. Im nachhinein bin ich angesichts der Texte sogar ein wenig erschrocken, aber ich bereue es auf keinen Fall.



Besteht die Angst, dass die Texte falsch verstanden werden?
Nein, nicht wirklich. Ich hab immer das Gefühl, dass man Texte falsch versteht, wenn man sie falsch verstehen will. Bei "Narben" gibt es momentan einen Briefwechsel mit einem netten Heimerzieher. Der schreibt, er findet das nicht gut, so ein Thema mit einem Refrain zu verarbeiten, der geradezu hymnisch ist und zum Mitsingen verleitet. Das würde die Leute doch auf dem falschen Weg bringen. Ich behaupte aber, dass niemand, der nicht den Ansatz in sich hat, durch den Song dazu verleitet wird. Dass es Grenzfälle gibt, kann ich nicht ausschließen, aber deswegen kann man so ein Lied nicht nicht schreiben. Ich bin fest der Überzeugung, da hab ich schon Bestätigung erhalten, dass es richtig ist derartige Dinge überhaupt zu thematisieren.

Kannst du dir vorstellen, mit so einen Menschen, wie in "Narben" beschrieben, umzugehen und wie würdest du es machen?
Da fragst du mich sehr persönliche Sachen. Ich kann nur sagen, dass ich noch nie vor einem Problem geflohen bin und ein sehr guter Gesprächspartner in jeder Hinsicht bin. Ich bin mittlerweile jemand, der derart viel gesehen und erlebt hat, dass es reicht, einem Menschen einen Rat zu geben.

Was ist die Aussage von "Knochenschiff"
Da gibt es mehrere. Es geht über den Körperkult, der über die normale Selbstverzierung hinaus geht. Z.B., wenn sich jemand großflächig Haut entfernt und es vernarben läst oder sonstige Dinge. Branding ist da noch die harmloseste Variante. Dann muß man es auch global sehen, was ist eigentlich in unserer Gesellschaft los, steuern wir geradewegs aufs nächste Riff? Auch die Medienlandschaft ist damit gemeint, die in jeder Hinsicht verarmt.

Guter Schlusssatz, weil das Amboss Magazin damit nicht gemeint war.
Danke fürs Interview