XTC in No man's land
Shadowcast (Space Gothic Metal)

Mit "near life Experience" legen die Jungs um Amortis Keyboarder Christian Mayr ihr Zweitwerk vor. Double Bass Attacken treffen auf elektronische Spielereien und vermischen sich mit straighten Gitarren. Aggro Shouting trifft auf melancholisch düstere Gesänge. Alles zusammengefasst in treibenden Melodien. Mastermind Christian sieht das ganze als endgültige Vervollkommnung seines "CyperClassic Space Metalls". Was die Österreicher sonst noch zum neuen Album sagen, erfahrt ihr hier. Weitere Infos unter http://go.to/shadowcast.com (andreas)

Review lesen



Bereits ein Jahr nach dem vielgelobten Debüt kommt mit "near life experience" der Nachfolger. Wo liegen die Hauptunterschiede zum Erstling?
Mit NLE habe ich genau das verwirklicht, was ich beim Debut "Desperate Accuse Dimension" noch nicht 100%ig umsetzen konnte - spacige Sounds, kompakte Songs und griffige Refrains. Das ist meine Vorstellung, wie SHADOWCAST klingen soll und ich bin gleichzeitig meiner Vision von "Space Metal" nun ziemlich nahe gekommen. Grundsätzlich habe ich diesmal eine gute Balance aus Härte, Aggression, Eingängigkeit und Wiedererkennungswert erreicht.

Ihr vereinigt die Elektronik und Metal, das wäre früher undenkbar gewesen. Gab es Bands, welche euch diesen neuen Weg näher brachten?
Sicherlich wurde ich von Bands wie FEAR FACTORY, THEATRE OF TRAGEDY oder SAMAEL in der ein oder anderen Form inspiriert, weil mir die Kombination aus kalten Gitarren, poppigen Keys und coolen Industrial-Sounds schon immer gefallen hat. Da es auf diesem Sektor aber nie wirklich viele Acts zu finden gab, wollte ich mit SHADOWCAST eben genau solche Dinge machen, die ich bislang vermisst habe bzw. nur selten zu hören bekam.

Du übernimmst nach dem Ausstieg von Gitarrist Roman Lindenberger auch die Gitarren. Warum kam es zur Trennung und wer wird ihn live ersetzen? Ich glaube kaum, dass du mit der Gitarre hinter dem Keyboard stehst.
Roman war der Aufwand zu viel, weil er ziemlich zur selben Zeit Vorbereitungen für seine eigene Band CEPHALIC treffen musste, die soeben ihr Debut veröffentlicht haben. Da er mir seine Entscheidung relativ kurzfristig mitteilte und ich sowieso die Gitarren während des Songwritings ausgearbeitet hatte, entschloss ich mich, sie kurzerhand selbst einzuspielen. Mittlerweile habe ich mit SiR einen neuen Gitarristen, der äußerst talentiert und ambitioniert zu Werke geht und uns bereits bei den ersten live-Gigs unterstützt hat. Keyboards vom Band hätten bei unserer Musik sowieso seltsam gewirkt und so bin ich froh, dass ich mich auf den Synthesizer konzentrieren kann, mit dem ich mich eh wohler fühle?

Neben einer gehörigen Portion Power befindet sich mit "no man?s land" auch ein sehr ruhiger Song auf dem Album? Worum geht es in diesem Song und wie wichtig ist dieser Ruhepol im energischen Gesamtkonzept?
Es stimmt schon, dass dieser Track verhältnismäßig ruhig ist, doch habe ich bewusst die harten Gitarren mit reingenommen, damit der Kontrast nicht allzu groß wurde. Ich habe schon immer einen Faible für ruhige Songs gehabt, doch ist die Zeit irgendwie noch nicht reif für mehrere relaxte Tracks auf einer CD, weshalb ich?s vorerst bei nur einem belassen habe. Eine "Verschnaufpause" ist bei SHADOWCAST wohl kaum nötig, aber ich wollte mir wahrscheinlich am ehesten selbst beweisen, dass ich auch einen emotionalen Song schreiben kann, der vorwiegend von cleanem Gesang bestimmt wird. Inhaltlich handelt es sich um einen eher depressiven Text, der von einem jener Momente handelt, in denen man sich niedergeschlagen, desorientiert und verloren fühlt. Das "Niemandsland" ist für mich diese Zone, in der ich mich befinde und nicht weiß, wohin mein Weg führen soll.

Was hat es mit der Schreibweise von "eXisTenCe" auf sich, bzw. welchen Einfluß hat XTC auf die Existenz?
Die Schreibweise ist eher ein Eyecatcher und Lieferant einer Extra-Frage in Interviews - haha. Aber für viele Menschen ist wohl ihre Existenz der Grund, Drogen zu nehmen - oder auch umgekehrt, Drogen der Inhalt ihrer Existenz. Der Titel "existence" selber ist vielmehr durch den gleichnamigen Film inspiriert, in dem die Grenzen zwischen Realität und Computersimulation/spiel derart verschwimmen, dass man nicht mehr weiß, was nun real ist und was nicht. Hier stellt der Computer die Droge dar, welche die Existenz bestimmt, deshalb das Wortspiel.

Trotz straighten Riffings und teils verwegen eingesetzter Elektronik besitzt das Werk eine ganze Menge eingängiger Melodielinien und fast poppigen Refrains. Wie wichtig ist in dieser Symbiose die sphärische Düsternis, welche die einzelnen Songs untermalt?
Hm, ich habe wohl noch nie wirklich "positive" Songs geschrieben, das missfällt mir einfach und wird sich auch nicht ändern. Deshalb sind meine Tracks eigentlich immer von einer gewissen Düsternis durchzogen, selbst wenn ich poppige Elemente darin einbaue. SHADOWCAST ist und wird bis zu einem gewissen Grad immer düstere Musik bleiben, ebenso wie unser Stil weiterhin "Metal" bleiben wird.

Was steckt hinter dem aggressiven "mass-placebo"?
"Mass-Placebo" ist einer der ersten Tracks, die ich für NLE geschrieben habe und gleichzeitig einer der ersten, der mit Hilfe von neuem Equipment entstand. Um einen Gegenpol zu den den Techno-Beats und Arpeggio-Sounds zu schaffen, wollte ich gleichzeitig viel Double-Bass und harte Industrial-Riffs verwenden. Aus diesem Grund ist der Song mit Sicherheit einer der härtesten auf NLE und fetzt auch live ordentlich ;)

Die lyrische Seite befasst sich erneut mit den negativen Aspekten unserer Gesellschaft sowie den Sinn des Lebens. Was ist für dich der Sinn des Lebens?
Gute Frage, die ich mir in manchen Texten selbst stelle, weil ich es selbst noch nicht wirklich weiß. Ich habe bislang aber viele Dinge festgestellt, die für mich nicht der Sinn des Lebens sind – nämlich Neid, Ignoranz, Egoismus und ähnliches. Worin aber unsere Daseinsberechtigung steht, muss ich wohl selbst noch herausfinden und gleichzeitig versuchen, das beste aus meinem Leben zu machen.

Welchen Stellenwert nehmen insgesamt die Texte bei eurer Musik ein?
Texte sind eher ein notwendiges Übel, das leider sein muss. Da aber bei einer Produktion nicht nur Musik, sondern auch Verpackung und Inhalt zählt, versuche ich trotzdem, möglichst durchdachte und gute Texte zu verfassen, selbst wenn ich kein großer Lyriker bin. Obwohl mir selbst als "Konsument" die lyrische Seite eher nebensächlich ist, bewundere ich Sänger wie Fernando Ribeiro oder Dani Filth, weil sie eine unglaubliche Wortmacht besitzen und ihre Worte perfekt mit der Musik ihrer Bands harmonisieren. Selbiges versuche ich daher auch in SHADOWCAST umzusetzen, um dem Ganzen einen roten Faden zu verleihen. Selbst wenn es für mich sicher schwerer ist, als für oben genannte "hauptberufliche" Lyriker.



Ist dein Ausstieg bei Amortis damit begründet, dass du deine Form von "Cyberclassic Space Metal" in dieser Band nicht einbringen konntest?
Hierbei dürfte es sich um ein Missverständnis handeln, denn ich bin nach wie vor Mitglied von AMORTIS, wenngleich es sehr ruhig um die Band geworden ist, weil wir ziemlich lange mit Labelproblemen zu kämpfen hatten. Es stimmt aber, dass ich viele meiner Ideen nicht in die Band mit einbringen konnte, weshalb irgendwann die Entscheidung für SHADOWCAST gefällt wurde. AMORTIS haben aber gerade ihr zweites Studioalbum "Gift of Tongues" veröffentlicht und ich bin auch hier schon auf die Reaktionen gespannt, wenngleich die Promotion-Arbeit unseres Labels zu wünschen übrig lässt. Es zählt, ungelogen, mit Sicherheit zu einem der besten Alben, die im Black Metal Bereich je von einer Österreichischen Band veröffentlicht wurden.

Habt ihr eine eigene Homepage? Ich habe in den Suchmaschinen nichts gefunden.
Die Homepage existiert und wurde im Zuge der neuen Veröffentlichung auch neu überarbeitet. Leider ist sie noch nicht großartig verlinkt und auch schwer findbar, aber ich hoffe, dass sich das bald ändert. Die Addy lautet http://go.to/shadowcast.

Wie sieht es mit Live Auftritten aus. Gibt es eine Band mit der du/ihr gerne die Bühne teilen würdet?
Wir haben bereits Gigs mit CRADLE OF FILTH und DEW-SCENTED hinter uns - lustigerweise also ziemlich "harte" Brocken. Inzwischen absolvierten wir auch die "Near LIVE experience-Tour" durch Österreich, die wir zusammen mit OLEMUS und FIRESTORM durchzogen und unterstützten GRAVEWORM auf deren CD-Release-Party. Meine derzeitigen Faves im Electro-Bereich sind THE KOVENANT, deren Album leider nicht die Anerkennung gefunden hat, die es erhalten sollte. Somit sind sie natürlich auch eine Band, mit der ich sicher gerne live zusammen auftreten würde. Ansonsten bin ich da aber nicht so wählerisch.