Die männliche Diva

Schock (Elektro Dark Rock) Mit "Glamour" legt die Band um Namensgeber Michael Schock (Musik, Text, Gesang) ihr Zweitwerk vor. Filigrane Sounderuptionen, tiefgründige, teils kryptische Texte, emotionsvoller Gesang und eine exzentrische musikalische Mischung aus Energie, Power und Melancholie bestimmen das neue Werk. Nicht nur die nachdenklich machenden Texte lieferten genug Fragen, welche mir Mastermind Michael beantwortete. www.schockline.de (andreas) Review lesen Gibt es für dich im Vergleich zum Debüt wichtige Unterschiede? Für mich ist "Glamour" im Vergleich zum Debüt "Erwacht" hörbar reifer. Musikalisch wie textlich eine Weiterentwicklung. Von der Aussage liegt der Fokus für mich jetzt mehr auf der Welt, die mich umgibt und weniger bei der Ausschlachtung meiner persönlichen seelischen Probleme. Bei der Erklärung zum Albumtitel wird von einer Dreieinigkeit aus Jesus, Teufel und Dir gesprochen, kannst du dieses ein wenig differenzierter darstellen? Es ist die Schlacht zwischen meiner dunklen und hellen Seite. Das Ringen um die Vorherrschaft. In der realen Welt kann ich diese Vorgänge weitgehend kontrollieren, aber auf der Bühne brechen alle verborgenen Komponenten aus mir heraus und entfachen ein wahres Feuerwerk leidenschaftlicher Emotionen. Ich denke, dies ist nur dem begreiflich, der uns schon mal live erlebt hat. Bands, welche eine Titel wählen, der nicht als Song im Werk auftaucht, stehen sich in Interviews immer wieder derselben Frage nach dem Hintergrund des Titels gegenüber. Ist dies eher nervig oder ist dir der Titel sehr wichtig? (Oder einfach nur dazu da, dem Interviewer die Eingangsfrage leichter zu machen?) Der Titel hat für mich schon eine wichtige Aussage, da dieses Wort die Essenz all unserer Träume umschreibt, aber gleichzeitig im Kontrast zu den verarbeiteten Themen auf dem Album steht. Somit wird im Gesamtbild erkennbar, das man für das Erreichen eines jeden Zieles einen steinigen Weg auf sich nehmen muss. Wenn ich mal ganz einfach meine persönliche Unterteilung von Text und Musik darbringen darf, ist für mich das Verhältnis 70:30 pro Text. Siehst du beides als gleichberichtigte Partner? Klar, dass für mich die Texte mehr als wichtig sind, da ich einfach sehr viel Herzblut hineingesteckt habe. Allerdings habe ich auch erkannt, das meine Lyrics erst durch die Verpackung in unserer Musik ihr gesamtes Potenzial entfalten. Somit ist das Verhältnis für mich 50:50. Der Opener glänzt durch straighte Gitarren, allerdings ist der Refrain eher von Verzweiflung bestimmt, während der übrige Song voller Wut steckt. Diese zwei Merkmale ziehen sich fast wie ein roter Faden durchs Album, wie bringt man Gefühle in ein musikalisches Gewand? Wenn es dafür eine Anleitung gäbe, hätte jede Band Eier. Für mich ist es nicht wichtig, ob jemand z.B. Gitarre spielen kann wie Carlos Santana (nicht das es schlecht wäre), was zählt ist aber das Feeling, was jeder einzelne in einen Song steckt. Musik ist für mich das perfekte Ventil, hier kann ich alles sagen, alles tun. Ich kann Aggressionen abbauen, ich kann mich von meiner zerbrechlichsten Seite zeigen, denn das ist meine eigene Welt, in der ich die Regeln aufstelle. In "Fahr zur Hölle" lässt du den Refrain mit "ich hasse sie dafür" enden. Die Zwischenspiele kommen eher Metapherhaft daher, die zwar in den einzelnen Sätzen klar erscheinen, aber im Gesamtbildnis nicht deutlich gemalt sind. Gibt es den zentralen Fehler der Welt, den du uns deutlich machen willst? Es gibt Momente, eigentlich fast immer, in denen ich der Überzeugen bin, das diese Welt (oder ihr Erschaffer, wie auch immer) nur ein Problem hat. Die Entstehung/ Erschaffung der Menschheit. Und dann sollen wir auch noch die Krönung der Evolution sein? Lächerlich und mir mehr als suspekt. Kurze Nachfrage zum Text: Warum ist der Satz "von hinten gefickt" zwar im Booklet gedruckt, wird aber nie gesungen? Bonus für die Hörer. Hier kann jeder seiner Fantasie freien Lauf lassen. Textlich der Höhepunkt ist für mich "euer Krieg". Gibt es evtl. einen bestimmten Anlass, der dich beim Schreiben des Textes beeinflusst hat? Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass Kriege ausschließlich geschäftliche Hintergründe haben. Demzufolge steckt einzig und allein das Streben nach Macht, Geld und Einfluss hinter den meist clever verpackt inszenierten humanitären Befreiungsaktionen zur Rettung der Welt. Die Mächtigen dieser Welt sind zu Interventionen in unrentablen Krisengebieten nur sehr schwer zu motivieren. Glücklicherweise ist ein Großteil der Bevölkerung, u.a. durch den inzwischen vollkommen in die Hose gegangenen Bildungsauftrag des Fernsehens, dermaßen verblödet, dass sie diese Tatsache nicht mehr raffen muss und leicht zu manipulieren ist. Ausschlaggebender Punkt für diesen Song war für mich der immer noch aktuelle Irak-Konflikt. Der Satz in der Schlussstrophe "und doch zur Hölle fahrt" dürfte einigen zum Verweis auf den Song davor bringen. Gibt es diese Parallele zwischen "Euer Krieg" und "fahr zur Hölle"? Thematisch haben beide Stücke den selben Ursprung. Wie aus dem Nichts gibt es mit "weiss wie Schnee" ein tief melancholisches, trauriges Stück. Kannst du kurz das Geschehen erklären bevor sie sich ansieht und eine Träne am Spiegel herabrinnt? Ich fühle mich besser, wenn ich nicht näher auf dieses Thema eingehe, da ich froh bin, diese Erfahrung in dem Song verarbeitet und weitgehend hinter mir gelassen habe. In "kein Licht" kann sich glaube ich jeder reinversetzen. Kannst du mit deiner Musik das Aufgeben verarbeiten? Wie schon gesagt das perfekte Ventil. Der "Tanz" scheint auf dem ersten Blick der perfekte Clubhit zu sein. Der Text ist eher geprägt von Gleichgültigkeit und dem Motto: "Wir leben jetzt", bist du überrascht, wenn ich sage, der Text passt eher zur Spaßgesellschaft als zu Schock? Gibt es ein Lied wozu du zum letzten mal zu tanzen möchtet. Überrascht? Aber nicht doch. Ich verbinde dieses Motto nicht unbedingt mit der Spaßgesellschaft. Für mich ist das Leben nicht planbar, vielleicht kann man für diverse Eventualitäten Vorkehrungen treffen, aber im Endeffekt kann nach deinem nächsten Atemzug alles anders sein. Ein weiterer Höhepunkt des Albums ist "viel zu jung". Kindesmissbrauch wird des öfteren in Texten verarbeitet. Meistens als Beschreibung, du sprichst den Täter direkt an. Würdest du jemand bestimmtes kennen, wäre "hast du es nicht gehört" bzw. "hat es dich nicht gestört" die einzigen Fragen oder würdest du gerne die Psyche des Menschen kennenlernen? Die Psychoanamnese bei diesen Typen ist doch eh fast immer die selbe. Garantiert erscheinen Punkte wie: mieses Elternhaus, Vater Alkoholiker, prügelt Mutter, oder selbst als Kind missbraucht worden, Außenseiter, keine Liebe kennen gelernt, keine Vertrauensperson usw. . Nicht, dass ich das nicht dramatisch und bemitleidenswert finde, aber hallo, für mich rechtfertigt nichts ein derartiges Verbrechen. Wäre ich in einer solchen Situation, wären dies meine beiden letzten Fragen, bevor ich dieser Person seine Eier in die Luftröhre schieben würde. Du kommst live vor allem beim weiblichen Publikum gut an. Ist das Aussehen heutzutage auch im Underground wichtig? Könntest du auch als "hässlicher" Mensch (Geschmackssache) die gleiche Anzahl an Fans haben? Es heißt ja immer "Sex sells", allerdings muss die Arbeit, die man macht, einen mindestens ebenbürtigen Stellenwert bei den Fans haben. Anders kann ich mir das Millionenpublikum von Lemmy Killmister nicht erklären. Lemmy ist ein Gott des Rock. Du hast sowohl auf den Burgrock in Altena (wo die meisten Leute dich nicht kannten) wie beim Hallen Konzert beim Mera Luna eine sehr extrovertierte Show abgeliefert. Welche Einwirkung hat das jeweilige Publikum auf deine Darbietung? Das Publikum ist der Faktor der Show, den es für mich zu erreichen gilt. Ich versuche den Funken/die Energie der Band auf das Publikum zu übertragen, mit dem Ziel, möglichst viele Leute mit dem Gefühl nach Hause zu schicken, etwas Großes erlebt zu haben. Ehrlich gesagt, langweilen mich diese introvertierten "ich steh nur auf der Bühne rum und spul mein Set ab" - Künstler. Gibt es in der heutigen Musikszene jemanden, dem du gerne als Support dienen würdest? Wie sieht es mit einer Tour aus, wo seid ihr zu sehen? Wir werden erst einmal am 02.08 in Breitenworbis (37339) unsere Release- Party spielen und dann voraussichtlich im September das Album mit Tour promoten. Nähere Infos werden wir sobald die Tour steht auf unserer HP (www.schockline.de) und in der Presse veröffentlichen. Deine Meinung über die aktuelle Musikszenerie? Härter denn jeh.